# taz.de -- IG-Metall-Chef für Vier-Tage-Woche: Ein Mythos kehrt zurück | |
> Weniger arbeiten, um in manchen Betrieben Jobs zu retten: So lautet ein | |
> neuer Vorschlag der IG Metall. Aber wer kommt für die Lohneinbußen auf? | |
Bild: Mit dem Fahrrad direkt ins verlängerte Wochenende? Wohl eher zulasten de… | |
Manche reiben sich die Augen und erinnern sich: Das gab es doch schon mal, | |
den Vorschlag der Viertagewoche, um Tausende Jobs zu retten. Damals, 1994, | |
wurde beim Automobilkonzern VW die Viertagewoche vereinbart, mit teilweisem | |
Lohnverzicht und Beschäftigungsgarantie. Jörg Hofmann, IG-Metall-Chef, hat | |
die Idee jetzt wieder aufgegriffen. Damit ließen sich „Industriejobs | |
halten, statt sie abzuschreiben“, sagte Hofmann am Wochenende der | |
Süddeutschen Zeitung. | |
Nach Hofmanns Vorschlag soll in der kommenden Metall-Tarifrunde im Jahre | |
2021 darüber verhandelt werden, dass Betriebe die Option auf die | |
Viertagewoche bekommen. Auch dieses Mal sollen Jobs gesichert werden | |
angesichts des Strukturwandels in der Automobilindustrie und des weltweiten | |
Nachfrageschwunds wegen der Coronapandemie. Der Knackpunkt: Hofmann sprach | |
sich dafür aus, dass Arbeitgeber für die geminderte Arbeitszeit einen | |
„gewissen Lohnausgleich“ gewähren. Damit würden die Arbeitskosten pro | |
Stunde steigen. | |
Doch die Arbeitgeber reagierten prompt. Steffen Kampeter, Geschäftsführer | |
der Bundesvereinigung Deutscher Arbeitgeberverbände (BDA), erklärte in der | |
Frankfurter Allgemeinen Zeitung: „Die deutsche Wirtschaft erleidet gerade | |
einen riesigen Produktivitätsschock. Eine Viertagewoche mit Lohnausgleich | |
verschärft diesen Schock noch.“ | |
Anders sähe es aus, wenn die Beschäftigten parallel zur | |
Arbeitszeitverkürzung auf Lohn verzichten würden. „Die entsprechend der | |
Arbeitszeit abgesenkten Löhne helfen den Unternehmen bei der | |
Liquiditätssicherung“, sagte Bertram Brossardt, Hauptgeschäftsführer des | |
Verbandes der Bayerischen Metall- und Elektroindustrie (vbm) dem | |
Handelsblatt. | |
## Damals die Wende, heute Corona | |
Die Viertagewoche mit teilweisem Lohnverzicht, die beim Volkswagen-Konzern | |
nach einigen Jahren wieder abgeschafft wurde, sollte damals helfen, | |
Massenentlassungen zu verhindern. Die Unternehmen sparten damit auch an | |
Kosten für teure Sozialpläne. Gegenwärtig ist die Situation etwas anders | |
als in den 90er Jahren kurz nach der Wende. Bis vor Corona war der | |
Fachkräftemangel ein großes Thema. Bedingt durch die Demografie fehlt | |
vielerorts der Nachwuchs. | |
[1][Aber Corona und der Strukturwandel der Autoindustrie] hin zur | |
Elektromobilität setzen die Unternehmen heute unter Druck. Vielerorts | |
reagieren Betriebe bereits mit Arbeitszeitkürzung auf die gesunkene | |
Nachfrage, zeigt eine Umfrage der Nachrichtenagentur Reuters. Der | |
Daimler-Konzern hat sich mit dem Betriebsrat darauf verständigt, die | |
Wochenarbeitszeit in der Verwaltung und in produktionsnahen Bereichen von | |
Oktober an für ein Jahr um zwei Stunden zu senken, ohne Lohnausgleich. | |
Der Autozulieferer ZF Friedrichshafen hat mit der IG Metall einen | |
Tarifvertrag ausgehandelt, der vorsieht, dass die Wochenarbeitszeit an | |
deutschen Standorten um bis zu 20 Prozent gesenkt werden kann. Im Gegenzug | |
für die Einkommenseinbußen will der Stiftungskonzern vom Bodensee bis 2022 | |
auf betriebsbedingte Kündigungen unter den 50.000 Mitarbeitern im Inland | |
verzichten. Von teilweisem Lohnausgleich ist hier nicht die Rede, es geht | |
um die Beschäftigungsgarantie. | |
Beim Autozulieferer Bosch wurde die Arbeitszeit von Beschäftigten in | |
Entwicklung, Forschung, Vertrieb und Verwaltung an einigen Standorten im | |
Großraum Stuttgart bis Jahresende um 10 Prozent gesenkt. Rund 35.000 | |
Mitarbeiter sind betroffen. Die mit dem Betriebsrat ausgehandelte | |
Vereinbarung löst die bislang geltende Kurzarbeit für diese Mitarbeiter ab. | |
## Kurzarbeit ist die neue Vier-Tage-Woche | |
Tatsächlich ist die Kurzarbeit bereits das eigentliche Programm zur | |
Arbeitszeitverkürzung in Coronazeiten für Millionen Menschen. | |
Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) hat bereits angekündigt, die | |
maximale Bezugsdauer des Kurzarbeitergelds von bisher 12 auf 24 Monate zu | |
verlängern. Nach der Statistik der Bundesagentur waren im Mai 6,7 Millionen | |
Menschen in Deutschland in Kurzarbeit, für den Juni schätzt die Agentur die | |
Zahl der EmpfängerInnen auf 4,5 Millionen. | |
Wer in Kurzarbeit ist, bekommt einen Ersatz von 60 Prozent (Kinderlose) | |
oder 67 Prozent des vorherigen Nettolohns für die ausfallenden Stunden, | |
gezahlt von der Arbeitsagentur. Bei Siemens in Deutschland beispielsweise | |
sind 8.000 MitarbeiterInnen in Kurzarbeit und arbeiten nur an vier statt an | |
fünf Tagen, sagte ein Sprecher der taz. Viele Erwerbstätige aber bekommen | |
gar keinen Lohnersatz, sondern verlieren durch Corona ihre Einnahmen. | |
Darunter sind [2][FreiberuflerInnen] und MinijobberInnen. Sie bleiben auf | |
sich gestellt. | |
17 Aug 2020 | |
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## AUTOREN | |
Barbara Dribbusch | |
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