# taz.de -- Vorstoß der IG Metall zur Arbeitszeit: Funktioniert nicht überall | |
> Für die Metallindustrie ist eine Viertagewoche ein sinnvoller Schritt. In | |
> anderen Branchen sind dafür aber die Löhne und Gewinnspannen zu niedrig. | |
Bild: Für Facharbeiter finanziell machbar: Gewerkschaftler im Juli bei Airbus … | |
Ein einfaches Oben und Unten gibt es in der Arbeitswelt längst nicht mehr. | |
Dazwischen liegen viele Grautöne. Gut bezahlte Facharbeiter gehören zu den | |
20 Prozent der Bestverdienenden. Auf der anderen Seite verdient jeder | |
vierte Beschäftigte einen Lohn am Rande der Armutsgrenze. Entsprechend | |
unterschiedlich müssen künftig auch die Mittel aussehen, die gegen | |
Krisensymptome helfen sollen. Eines hat IG-Metall-Chef Jörg Hofmann [1][mit | |
der Viertagewoche bei teilweisem Lohnausgleich] vorgeschlagen. | |
Für die Metall- und Elektroindustrie ist es ein plausibler Schritt, um | |
einerseits qualifizierte Jobs zu erhalten, andererseits den Veränderungen | |
insbesondere in der Autoindustrie zu begegnen. Arbeitgeber wie Arbeitnehmer | |
haben etwas davon: Die Unternehmen binden dadurch womöglich bald wieder | |
benötigte Fachkräfte. Die Beschäftigten sichern ihre Jobs und gewinnen an | |
Lebensqualität. Die industrielle Vorzeigebranche mit der dominanten | |
Autoindustrie kann sich einen solchen Luxus vermutlich nicht überall, | |
jedoch auf breiter Front leisten. | |
Der Vorschlag zeigt zudem ein Umdenken in der IG Metall: | |
Arbeitszeitverkürzung ohne vollständigen Lohnausgleich war bislang ein Tabu | |
für die Gewerkschaft. Insofern darf Hofmanns Vorstoß auch als Angebot | |
verstanden werden, die tiefgreifende Krise der Autobranche zusammen mit den | |
Arbeitgebern zu überwinden. | |
In anderen Branchen funktioniert dieses Modell allerdings nicht – nur | |
wenige Wirtschaftszweige stehen gut genug da. Insbesondere für Branchen mit | |
niedrigem Lohnniveau müssen sich die Tarifparteien andere Lösungen | |
einfallen lassen. Weitere Einkommenskürzungen vertragen die Beschäftigten | |
dort nicht. Aber auch für sie gibt es bereits Konzepte, „Vier plus Eins“ | |
etwa: Den überwiegenden Teil der Woche arbeiten die Beschäftigten normal, | |
am fünften Tag gibt es eine staatlich geförderte Fortbildung. | |
Geringe Verhandlungsmacht bei Niedriglöhnern | |
Die Unternehmen davon zu überzeugen, ist angesichts des geringen | |
gewerkschaftlichen Organisationsgrads in den Niedriglohnsektoren allerdings | |
schwierig – die Verhandlungsmacht der Gewerkschaften ist zu gering. | |
Zum Glück mangelte es den Sozialpartnern in Deutschland noch nie an guten | |
Ideen, wie zuletzt das Beispiel Kurzarbeit zeigte. Die mögliche | |
Verlängerung der Regelung bringt die nötig Zeit, weitere Instrumente für | |
den Umbau der Arbeitswelt zu suchen. Vielleicht gelingt der Deutschen Bahn | |
ein nachahmenswerter Tarifabschluss. Dort muss beim Personal gespart | |
werden, ohne Stellen abzubauen. Nachdem der Konzern mit der Option „Mehr | |
Freizeit oder mehr Geld“ schon einen wegweisenden Tarifvertrag | |
abgeschlossen hat, folgt jetzt vielleicht eine zweite Überraschung. | |
18 Aug 2020 | |
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[1] /IG-Metall-Chef-fuer-Vier-Tage-Woche/!5702583 | |
## AUTOREN | |
Wolfgang Mulke | |
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