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# taz.de -- Hitzewelle in Indien: Das Warten auf den Monsun
> Extreme Temperaturen und Wasserknappheit setzen Indien zu. Doch selbst
> wenn der Regen bald kommt, kann er die Trockenheit nur vorübergehend
> lindern.
Bild: Auch Chennai leidet unter Trockenheit: Inderinnen stehen an, um Trinkwass…
Mumbai taz | Einmal am Tag fließt das Wasser in der Fischersiedlung Juhu in
der westindischen Metropole Mumbai. Gegen 10.30 Uhr beginnen die kleinen
Pumpen zu rattern. Emsig füllen sich morgendlich die Tanks über und in den
Wohnhäusern. Um einen Engpass zu umgehen, fällt die Wasserration derzeit um
15 Prozent geringer aus.
Das bemerkt auch Anju Vilas. Doch dieses Jahr sei es richtig angenehm, denn
zumindest gibt es Wasser. Trotzdem, sagt die Hausfrau, „warten wir alle auf
den Regen.“ Damit meint sie den Monsun. Zum Glück gab es in Mumbai in den
letzten zwei Wochen bereits ein paar Schauer, denn die Küstenstadt heizt
sich extrem auf. Im Umland, wie in anderen Teilen Indiens, ist die Lage
aber noch angespannter. Zudem wurden Bauern im ganzen Land angehalten, kein
Saatgut zu streuen.
„Der Monsun sollte eigentlich am 1. Juni in Kerala eintreffen, kam aber
erst eine Woche später“, sagt der Meteorologe KS Hosailkar vom indischen
Wetterdienst. Zur gleichen Zeit meldeten Gebiete in Nordindien vereinzelt
Temperaturen von über 50 Grad, auch das Wasser ist hier knapp. Im
ostindischen Bihar forderte eine Hitzewelle gar über hundert Menschenleben.
Was die hohen Temperaturen betrifft, soll es zum Wochenende insgesamt in
Indien abkühlen, so Hosailkar. Dann kann es zu Gewittern kommen.
Im südindischen Chennai wurde währenddessen eine Wasserkrise ausgerufen.
Schulen sind teilweise geschlossen, Mitarbeiter wurden von ihren Firmen
gebeten, von zu Hause aus zu arbeiten. 196 Tage hatte es dort nicht
geregnet.
## Der Regen konnte nicht mal im Boden versickern
Doch mit dem ersten leichten Schauer am Donnerstagmittag ist das Problem
nicht gelöst. Der Regen brachte zwar Abkühlung, doch es mangelt weiterhin
an Wasser. „Der Regenfall war so gering, er konnte nicht mal in den Boden
sickern“, sagt der Umweltschützer Nityanand Jayaraman, der im Süden
Chennais lebt. Um die Wasservorräte zu füllen, braucht es heftigen Regen,
der aber erst im Herbst mit dem Nordwest-Monsun erwartet wird.
Dazu kommt, dass in der Vergangenheit durch unzählige Infrastrukturprojekte
Feuchtgebiete trockengelegt beziehungsweise betoniert wurden. Wenn es dann
regnet, fließen die Wassermassen möglicherweise nicht richtig ab. Die Folge
sind zum Teil verheerende Überschwemmungen, wie sie Chennai 2015 erlebte.
Damit bedeutet der Monsun Segen und Fluch zugleich.
Jayaraman fordert die Regierung zum Handeln auf. „Es kommt nicht darauf an,
ob diese Wasserkrise auf den Klimawandel zurückzuführen ist. Es kommt
darauf an, dass wir unseren Lebensstil so anpassen, dass wir mit dem Wasser
auskommen, das wir haben.“ Großprojekte, die viel Wasser brauchen, sowie
der Anbau von Zuckerrohr, der ebenfalls wasserintensiv ist, verschlimmern
die Lage, klagt er an.
Besonders unter Wassermangel leiden die ärmeren Bevölkerungsschichten auf
dem Land. Städte wie Mumbai oder Chennai werden mit Wasser aus den
umliegenden Gebieten versorgt, welches dann Anwohnern wie Bauern vor Ort
fehlt. Jayaraman fordert ein Umdenken bei den Behörden. In der Bevölkerung
mache sich das bemerkbar. „Die Menschen hier gehen sorgsam mit dem Wasser
um.“
## Nicht überall gibt es ein Umdenken
Bavreen Kandhari beobachtet in Delhi, wo sie den ersten „Fridays for
Future“-Streik mitorganisiert hat, kaum ein Umdenken. „In den Wohnkolonien
werden nach wie vor Autos mit viel Wasser gewaschen – ohne Verständnis
dafür, dass es vielen an Trinkwasser fehlt.“ Ihre Töchter hatten
BewohnerInnen gebeten, kein Wasser zu verschwenden. Das wurde nicht gern
gehört, andere wussten nichts vom Wassermangel. Kandhari sagt, die Lage
habe sich über die Jahre in der Hauptstadt verschlimmert: „Es ist das erste
Mal, dass ich Leute auf der Straße sehe, die statt Geld nach Wasser
fragen“.
Bereits im letzten Jahr veröffentlichte die Regierung einen Bericht, der
warnt, dass über 20 Großstädten bis 2020 das Wasser ausgehen wird. Ende Mai
wurde nun ein neues Ministerium für Wasserangelegenheiten gegründet, das
effizienter arbeiten soll. Umweltschützer Jayaraman bezweifelt die
Wirksamkeit, denn groß angelegte Infrastrukturprojekte sind immer noch
wichtiger als Umweltschutz. „Nur den Namen einer Behörde zu ändern, wird
unsere Sorgen nicht lösen.“
Rund 600 Millionen Menschen leiden derzeit unter der Wasserknappheit.
Selbst wenn der herbeigesehnte Monsun bald kommt, wird er die Symptome nur
kurzzeitig lindern.
21 Jun 2019
## AUTOREN
Natalie Mayroth
## TAGS
Indien
Hitze
Trockenheit
Wasser
Monsun
Landwirtschaft
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Narendra Modi
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Plastikmüll
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