# taz.de -- Umstrittene Entscheidung in Indien: Plötzlich ausgebürgert | |
> Mit einem Schlag hat die indische Regierung Millionen Einwohnern die | |
> Staatsbürgerschaft entzogen. Betroffen sind vor allem Muslime. | |
Bild: Angst vor Abschiebung: Dorfbewohner überprüfen ihre Namen auf der neuen… | |
MUMBAI taz | Wer seinen Namen nicht auf den Staatsbürgerlisten gefunden | |
hat, ist seit dem 1. September staatenlos. Mit der Veröffentlichung eines | |
31,1 Millionen Namen umfassenden Bürgerregisters will die | |
hindunationalistische Regierung des Bundesstaates Assam die illegale | |
Einwanderung aus dem muslimischen Nachbarland Bangladesch begrenzen. | |
Deshalb wurden die Papiere der Bewohner*innen des nordöstlichen | |
Bundesstaates geprüft. Sie mussten jetzt nachweisen, dass sie schon vor der | |
Gründung des benachbarten Bangladeschs 1971 in Indien gelebt haben. | |
Rund 1,9 Millionen Menschen konnten das nicht. Ihre Namen fehlen jetzt im | |
Register. Nach Recherchen der Zeitung Indian Express könnten im | |
Brahmaputra-Tal eine große Zahl von Muslimen ausgeschlossen werden, in der | |
Region Barak auch Hindus. Und die sind jetzt sauer auf die Regierung. Sie | |
dachten, Indien sei sicher für sie. Immerhin bleiben allen 120 Tage Zeit, | |
das Urteil überprüfen zu lassen. | |
Für Hindus, Christen und Sikhs dürfte es nicht so hart werden, immerhin | |
liegt für sie bereits ein Einbürgerungsgesetz in der Schublade, das | |
nichtmuslimische Zuwanderer aus Afghanistan, Bangladesch und Pakistan | |
künftig offiziell zu Inder*innen machen soll. | |
Doch was ist mit den betroffenen Muslim*innen? „Diese Reglung trifft vor | |
allem Menschen, die nicht gut ausgebildet sind und als Haushaltshilfen oder | |
Fahrer arbeiten“, sagt Nasir*, der seinen Namen nicht nennen möchte. Auch | |
wenn seine Familie den Bescheid über das Bleiberecht schon früher erhalten | |
hatte. Der Aktienhändler vermutet, dass die Zahl der muslimischen Wähler | |
gezielt verkleinert werden soll, die den pro-hinduistischen Kurs der | |
Regierungspartei nicht unterstützen. Bangladesch sei einer der wenigen | |
Indien gut gesonnenen Nachbarn, der geblieben ist. Deshalb verstehe er das | |
Handeln der Regierung noch weniger. | |
## Modi löst Wahlversprechen ein | |
Anderseits ist die Partei des hindunationalistischen Premierministers | |
Narendra Modi nach ihrer [1][überragenden Wiederwahl] stärker denn je, und | |
seine hindunationalistische Volkspartei BJP löst jetzt ihre Wahlversprechen | |
ein. Nachdem der muslimisch geprägten Region Kaschmir kürzlich der autonome | |
Sonderstatus entzogen wurde, ist jetzt mit Assam der Bundesstaat mit der | |
zweithöchsten muslimischen Bevölkerung an der Reihe. Dafür wurde ein Gesetz | |
von 1985 reaktiviert, das aus Zeiten einer Regierung der Kongresspartei | |
stammt. Damals fühlten sich viele Assamesen durch zunehmende Migration | |
nicht mehr heimisch. Ein altes Problem, mit dem die BJP bei den letzten | |
Regionalwahlen punktete. | |
Innenminister Amit Shah überlegt, die Regelung auf ganz Indien ausweiten. | |
Doch bleibt abzuwarten, was nun in Assam passiert. Ein Sprecher des | |
Außenministeriums beteuerte, dass es keine Abschiebungen geben werde, | |
solange Rechtsmittel nicht ausgeschöpft seien. Dazu fehlt ein Abkommen mit | |
Bangladesch. Doch indische Pendants zu Ankerzentren werden bereits gebaut. | |
2 Sep 2019 | |
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## AUTOREN | |
Natalie Mayroth | |
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