Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Parlamentswahl in Indien: Sieg für Modis Hindunationalisten
> Indiens Ministerpräsident wird sich auf eine noch größere Mehrheit im
> Parlament stützen können. Dabei hielt er seine Versprechen nicht ein.
Bild: Seit Narendra Modis Machtantritt vor fünf Jahren lädt sich die Stimmung…
Mumbai taz | Schon in der Nacht vor der gestern begonnenen offiziellen
Auszählung der Wahlergebnisse war er als Sieger zu sehen. Mit der linken
Hand winkend von einem Meer aus Rosenblüten überhäuft, tauchten die ersten
Plakate mit Narendra Modi in Mumbai auf. „BJP Nummer 1. Noch einmal eine
Modi-Regierung“, steht darauf. MitarbeiterInnen der hindunationalistischen
Volkspartei (BJP) hängten die Plakate einige hundert Meter von der
Parteizentrale auf. Sie ahnten wohl: Modi und seine Partei haben sich eine
zweite Amtszeit gesichert. Über 600 Millionen Menschen wählten das neue
Unterhaus des Parlaments. Die Beteiligung von 67 Prozent lag höher als bei
der Wahl 2014. Damals ersehnten viele InderInnen einen Neustart.
Dass Modi die Auszählung wirklich anführt, zeichnete sich schon früh ab.
Die bisherige Regierungskoalition der BJP wird mit absoluter Mehrheit an
der Macht bleiben. Damit gibt sie auch künftig einen Ton an, der Millionen
von Nicht-Modi-Wählern Sorgen bereitet. Seit seinem Machtantritt vor fünf
Jahren lädt sich die Stimmung im Land religiös auf und entlädt sich gegen
Minderheiten. Indien erlebte eine Politik des Trennens. Hindus gegen
Muslime, Arm gegen Reich, obere Kasten gegen die untersten. Modi wurde zu
Indiens starkem Mann, der sich den Beinamen „Wächter“ gab.
Statt wie früher auf die Wirtschaftspolitik, bei der seine Regierung im
Vergleich mit ihren großen Versprechen scheiterte, setzte er jetzt auf
Sicherheit. Auch wenn die Arbeitslosigkeit ihren höchsten Stand seit den
70er-Jahren erreichte [1][und die Wirtschaft langsamer wuchs als erhofft,]
bekommt Modi jetzt eine zweite Amtszeit geschenkt. Das wirkt paradox. Doch
in den letzten fünf Jahren hat er es geschafft, der Modi-Welle, mit der er
2014 an die Macht kam, als Marke zu etablieren.
## Vom Teeverkäufer zum Premier
„Gemeinsam werden wir ein starkes und integratives Indien aufbauen“,
twitterte er am Nachmittag. Doch das überzeugt nicht alle. „Ich bin weder
glücklich mit dieser Regierung noch mit dem Wahlausgang“, sagt Poonam
Tushamad von der Allindischen Vereinigung der Dalit-Schriftsteller aus
Delhi. Die BJP sei dafür bekannt, Menschen verschiedener Kasten und
Religionen eher zu trennen als zu vereinen: „Sie versucht, den Zusammenhalt
schwächerer Kasten zu brechen.“ Das Aufteilen in verschiedene Identitäten
spiele eine wichtigere Rolle als Sachpolitik.
Die BJP wird mit 303 Sitzen in das Unterhaus einziehen. Das sind 21 mehr
als bisher. Ihre größte Konkurrentin, die Kongresspartei, konnte die herben
Verluste von 2014 kaum auffangen. Im Gegensatz zu Modi, der quasi vom
Teeverkäufer zum Premier aufstieg, verkörpert der Kongressführer und
Cambridge-Absolvent Rahul Gandhi die alte Politikerdynastie. Die
Kongresspartei hat mit 52 Sitzen nur 9 mehr als zuvor. Sie profitierte von
Zuwächsen im Punjab und in Südindien, wo sie den Kommunisten Sitze abnahm.
Hatten Indiens gespaltene Kommunisten (CPIM) und CPI) im letzten Parlament
noch 10 VertreterInnen, hat sich ihre Zahl jetzt auf 5 halbiert. Im
südlichen Kerala gingen Stimmen an den Kongress, in West-Bengalen holte die
BJP auf. Hier musste vor allem die dort regierende TMC-Partei von Mamata
Banerjee Verluste einstecken. Sie hatte einst von Popularitätsverlust der
Linken profitiert, nun ist sie selbst an der Reihe.
## Starfaktor für BJP
Für Ashok Dhawale, Vorsitzender der kommunistischen Bauernvertretung, ist
das gute Abschneiden der BJP überraschend. „Es ist ein sehr beunruhigendes
Ergebnis für die indische Demokratie und den Säkularismus. Die Regierung
Modi hat keine ihrer Versprechen gehalten.“ Gewonnen hätten ein
chauvinistischer Nationalismus und eine Polarisierung der Gesellschaft.
Ein Mitarbeiter der Kongresspartei, der nicht genannt werden möchte, sagt,
Modi habe die Wahl zugespitzt: „Für ihn und Indien oder gegen ihn und
Indien.“ Jeder BJP-Gegner wurde so zum Antinationalisten erklärt. Viele
hätten sich die Kandidaten in ihren Wahlkreisen nicht einmal angesehen. Sie
hätten die Partei gewählt, die für Modi steht. Das Ergebnis verwundert ihn
nicht.
Hoffnungsträger wie Atishi, [2][die Kandidatin der Antikorruptionspartei
AAP in Delhi] oder der Kleinbauern-Unterstützer Nana Patole konnten sich
nicht gegen die BJP durchsetzen. Vor allem bei der BJP ging der Starfaktor
auf. Frühere Schauspieler, Sänger und Sportler zogen erneut für sie ins
Unterhaus. Mit Hoffnung konnten Modi bei dieser Wahl nicht punkten. Das
musste er auch nicht. Die Eskalation des Konflikts mit Pakistan Anfang des
Jahres führte dazu, dass sich viele Menschen hinter der BJP vereinten. Doch
wer wird den „Wächter“ der Nation beobachten, wenn die Regierung weiter
demokratische Institutionen wie das Oberste Gericht oder die
Bundespolizeibehörde CBI einschränkt.
23 May 2019
## LINKS
[1] /Vor-der-Parlamentswahl-in-Indien/!5584770
[2] /Vor-der-Parlamentswahl-in-Indien/!5584770
## AUTOREN
Natalie Mayroth
## TAGS
Indien
Narendra Modi
Wahl
Indien
Mahatma Gandhi
Indien
Indien
Indien
Indien
Narendra Modi
## ARTIKEL ZUM THEMA
Haft von indischer Gewerkschafterin: Nodeep Kaur schweigt nicht
Die 24-jährige Dalit-Aktivistin wurde im Januar nach einer Kundgebung vor
einer Fabrik verhaftet. Kaur erhebt Foltervorwürfe gegen die Polizei.
Gandhis Urenkel zum 150. Geburtstag: „Indien heute ist Gandhis Alptraum“
Personenkult, Disrespekt und Hindu-Nationalismus: Zum 150. Geburtstag von
Gandhi spricht sein Urenkel Tushar Gandhi über dessen heutige Bedeutung.
Hitzewelle in Indien: Das Warten auf den Monsun
Extreme Temperaturen und Wasserknappheit setzen Indien zu. Doch selbst wenn
der Regen bald kommt, kann er die Trockenheit nur vorübergehend lindern.
Suizid-Krise in Nordindien: Der Preis der Pestizide
Das einst wohlhabende Punjab wird von einer sozialen Tragödie heimgesucht:
Von Schulden erdrückt, nehmen sich jährlich Tausende Bauern das Leben.
Wahlen in Indien: Die Hoffnung der Protestpartei AAP
Bei den indischen Wahlen hofft die Antikorruptionspartei AAP auf mindestens
einen Sitz in Delhi. Aktivisten tanzen für ihre Spitzenkandidatin.
Parlamentswahl in Indien: Lotus gegen Hand
Bis Mitte Mai wird in der größten Demokratie der Welt gewählt. Die Stadt
Nagpur ist schon fertig mit der Prozedur. Und alles hat geklappt.
Vor der Parlamentswahl in Indien: Modis magere Bilanz
Indiens Premier Narendra Modi will bei der Wahl vom Konflikt mit Pakistan
profitieren. Denn seine Wirtschaftsversprechen blieben unerfüllt.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.