# taz.de -- Gandhis Urenkel zum 150. Geburtstag: „Indien heute ist Gandhis Al… | |
> Personenkult, Disrespekt und Hindu-Nationalismus: Zum 150. Geburtstag von | |
> Gandhi spricht sein Urenkel Tushar Gandhi über dessen heutige Bedeutung. | |
Bild: Zu Gandhis 150. Geburtstag kleideten sich indische Kongressmitglieder wie… | |
taz: Was hat von Mahatma Gandhis Idee vom unabhängigen Indien bis heute | |
überdauert? | |
Tushar Gandhi: Das Indien von Gandhi war eines das friedlich, tolerant und | |
vereint war. Keines davon steht heute noch für dieses Land. Es gibt immer | |
mehr Ungerechtigkeit, Hass und Intoleranz. Man kann das heutige Indien nur | |
als Gandhis Albtraum beschreiben. | |
Indiens Wirtschaft stockt gerade, doch gab es auch Zeiten, in denen die | |
Mittelschicht gewachsen ist. Ist das kein Erfolg? | |
Die Mittelschicht ist gewachsen, aber auch die Kluft zwischen ihr und den | |
Armen. Das ist für die Mehrheit der Inder bedeutungslos, weil die Armen | |
ärmer wurden sowie weniger Rechte und weniger Anteil an den natürlichen | |
Ressourcen haben. | |
Die aktuelle Regierung zielt Ihrer Meinung nach auf eine Politik für die | |
Mehrheit ab? | |
Bei Demokratie geht es nicht nur um die Mehrheit, sondern darum, alle | |
mitzunehmen. Sonst ist es keine Demokratie. | |
Wie steht es um die inzwischen oppositionelle Kongress-Partei? Die war | |
nicht nur Gandhis Partei, sondern auch Ihre Partei, als Sie noch selbst | |
aktiver Politiker waren. | |
Die Opposition ist nicht existent und die Partei von Gandhi ist lange tot. | |
Was wir [1][heute als Kongress-Partei kennen] wurde geschaffen, um den | |
Personenkult von Indira Gandhi zu etablieren. Die negativen Folgen der | |
Zuspitzung auf eine Person spüren wir bis heute. | |
Weil danach lange niemand kam, der Indira Gandhis Lücke hätte füllen | |
konnte? | |
Es liegt [2][in unserer Kultur, Idole zu verehren] und dass wir uns diese | |
Art von Idolen erschaffen. Einige verdienen es und andere nicht. | |
Die Regierung von Narendra Modi hat ein internationales Programm zu 150 | |
Jahre „Mahatma“ initiiert, ohne dabei den Namen Gandhi zu erwähnen. Was | |
halten Sie davon? | |
Gandhi ist unvermeidbar für Politiker in Indien auch dann, wenn sie ihm nur | |
unaufrichtig Respekt zollen. Es gibt keine andere indische Persönlichkeit, | |
die weltweit diese Anerkennung genießt. Dass der Name Gandhi jetzt in dem | |
Programm gestrichen wurde, überrascht mich nicht. Gleiches passierte bei | |
der Benennung eines Denkmals in seiner Heimat Gujarat. Es heißt nun | |
„Mahatma Mandir“. Das ist eine sehr bewusste Handlung. Mahatma – „große | |
Seele“- ist zu einem Platzhalter geworden. | |
Warum polarisiert Gandhi bis heute? | |
Es ist die Unfähigkeit, ihm gegenüber gleichgültig zu sein. Für mich | |
persönlich ist der private Gandhi viel wichtiger. Die Familienerzählungen | |
sind wertvolle Erinnerungen für mich. Er war ein liebender Vater, auch wenn | |
er seine Familie nie anders behandelt hat, als er zu Fremden war. | |
War Gandhi der Nationalist, als den ihn einige Historiker bezeichnen? | |
Er war ein ehrlicher Patriot, dem es nichts ausmachte, das Schlechte im | |
Land zu kritisieren, um es dann zu verbessern. Das ist eine andere | |
Auffassung als der politische Nationalismus, indem blind jede Handlung des | |
Staates verteidigt wird. | |
Gandhi war ein gläubiger Hindu. Worin liegt der Unterschied zu den heutigen | |
Hindu-Nationalisten? | |
Gandhis Hinduismus war ein wahrer Hinduismus, der den Geist der | |
hinduistischen Philosophie verkörpert. Der Hinduismus, den uns die heutige | |
Regierung auferlegt, ist radikalisiert und brutal. Er ist korrupt. Heute | |
wird gegen die Quoten für gesellschaftlich benachteiligte Kasten | |
protestiert, doch das ist erst der Anfang. | |
NaN NaN | |
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## AUTOREN | |
Natalie Mayroth | |
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