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# taz.de -- Hilfe für Gaza: Eine Waffenruhe ist kein Friedensplan
> Für die Menschen in Gaza geht es vor allem um schnelle Hilfe. Diskutiert
> wird über den Einfluss des designierten US-Präsidenten Trump.
Bild: Auch in der Nacht zu Donnerstag ging das Bomben in Gaza weiter: Gaza-Stad…
Guten Willen zu zeigen, sieht anders aus. Am Mittwochabend feiern Menschen
auf den Straßen des Gazastreifens zunächst einen
Geisel-Waffenstillstands-Deal. Doch schnell haben sie es wieder eilig, nach
Hause zu kommen. Denn die Nachricht verbreitet sich, dass die israelischen
Angriffe noch in derselben Nacht weitergehen. Bis zu den Morgenstunden sind
mehrere Dutzend Palästinenser, darunter auch Kinder, tot.
Der israelische Premier Benjamin Netanjahu möchte anscheinend noch einmal
Stärke zeigen, bevor ein Waffenstillstand am Sonntag in Kraft treten
könnte, wohl auch um seiner eigenen rechten Koalition zu beweisen, wer
immer noch der vermeintliche Herr im Hause Gaza ist. Die Angehörigen der
israelischen Geiseln sorgen sich deshalb, dass der Deal vor seiner
Implementierung noch platzen könnte – während die Familien in Gaza, die nun
15 Monate Hölle überlebt haben, zusammensitzen und hoffen, dass sie auch
noch die nächsten Stunden und Tage unbeschadet bleiben, bevor es dann
vorbei sein soll. Für die Menschen im Gazastreifen geht es vor allem um
eines: dass endlich die Waffen schweigen, dass sie [1][nicht mehr Tag und
Nacht Angst haben müssen, bombardiert] zu werden.
Aber selbst wenn dieser Wunsch am Sonntag dann tatsächlich in Erfüllung
geht, wird es für sie auch ganz schnell um andere Dinge gehen, denn die
verzweifelte Wunschliste ist lang. Neun von zehn palästinensischen Familien
im Gazastreifen wurden laut UN-Angaben seit Beginn der israelischen
Offensive aus ihren Häusern vertrieben. Sie leben meist in Zelten oder
selbst gezimmerten Verschlägen. Für sie geht es jetzt konkret darum, wie
schnell sich die israelische Armee zurückziehen könnte, um ihren Weg nach
Hause freizumachen.
Und über all dem steht natürlich [2][die Versorgungsfrage], an der die
Menschen in Gaza einen Deal messen werden. Die 2,3 Millionen Einwohner des
Streifens sind 15 Monate lang ausgehungert worden. Ihre Behausungen sind
nicht winterfest. In den letzten Wochen sind acht Babys in den Zelten und
Verschlägen erfroren.
Wer dort lebt, dem kann es nun gar nicht schnell genug gehen, dass Lkws mit
Nahrungsmitteln und Winterkleidung kommen – die dann auch erst mal verteilt
werden müssen. Und das bleibt eine große logistische Herausforderung,
selbst wenn die Hilfslieferungen in großem Stil, wie vereinbart, von
israelischer Seite zugelassen werden. Das gilt umso mehr, da das
Palästinenser-Hilfswerk UNWRA, die UN-Organisation, die als Einzige das
Personal hat, diese Logistik durchzuführen, von Israel als angeblicher
Terrorbeihelfer delegitimiert wurde.
## Zwei Forderungen der Hamas
Die Hamas wiederum hatte zwei Forderungen für den Deal: den vollständigen
Rückzug der israelischen Truppen aus dem Gazastreifen und, dass ein
permanentes Ende des Kriegs festgeschrieben wird. Das Erste haben sie
erreicht, sollte der Deal zustande kommen: den vollständigen Rückzug in
mehreren Phasen.
Wenn der Deal eingehalten wird, wird es am Ende keine israelische
Pufferzone im Norden des Gazastreifens mehr geben und keine israelische
Truppenpräsenz zwischen dem Gazastreifen und der ägyptischen Grenze. Und so
mancher Traum der rechten israelischen Siedlerbewegung, im Gazastreifen
wieder einzuziehen, würde enttäuscht.
Bei der zweiten Forderung, dem Festschreiben eines permanenten
Waffenstillstands und einem Ende des Krieges, ist die Hamas gescheitert.
Netanjahu hat sich dem verweigert, aus Angst, dass ihm das als Niederlage
angerechnet wird. Schließlich hatte er sich die Zerstörung der Hamas auf
die Fahnen geschrieben. Netanjahu möchte sich die Tür offenhalten, diesen
Krieg nach der Freilassung der Geiseln weiterzuführen.
## Kann es eine politische Lösung geben?
Diese Tür geschlossen zu lassen, wird aber am Ende entscheiden, ob man zu
einer größeren politischen Lösung kommen kann. Denn eins ist klar: Ein
Waffenstillstand bedeutet noch lange nicht, dass die darunterliegenden
Probleme gelöst sind. Im Moment gibt es noch nicht einmal einen Plan, wer
den Gazastreifen verwalten und regieren soll.
Vonseiten Washingtons hieß es bisher, dass eine reformierte
palästinensische Selbstverwaltungsbehörde diese Aufgabe übernehmen könnte.
Die residiert im Moment nur in Ramallah im Westjordanland. Vonseiten
Israels gibt es dazu bisher keinen ernstzunehmenden Plan.
Und da haben Palästinenser, Israelis und die internationale Gemeinschaft
noch nicht einmal begonnen, über einen möglichen [3][palästinensischen
Staat und eine Zweistaatenlösung] zu sprechen, also einer langfristigen und
nachhaltigen Lösung des Problems. Das scheint mit der gegenwärtigen rechten
Regierung in Israel auch unmöglich zu sein. Im Gegenteil, dort spricht man
darüber, dass man, um den Rechten den Gaza-Deal schmackhaft zu machen, sich
nun mehr auf eine weitere israelische Besiedlung des Westjordanlandes
konzentrieren möchte. Da das israelisch besetzte Westjordanland ein Teil
eines palästinensischen Staatsgebiets im Rahmen einer Zweistaatenlösung
wäre, würden damit weiter Fakten gegen eine große politische Lösung
geschaffen. Von einer wirklichen Lösung der Palästinenserfrage ist man
damit nicht meilenweit, sondern mehrere Universen entfernt.
## Hier kommt Trump ins Spiel
Und hier kommt der designierte US-Präsident Donald Trump ins Spiel, dessen
Intervention der Geisel-Waffenstillstands-Deal geschuldet ist. Aber auch da
bleibt eine palästinensische Skepsis. In den arabischen Medien wird
spekuliert, was Trump Netanjahu im Gegenzug für die Unterzeichnung dieses
Deals versprochen hat, der für ihn und sein Kabinett so schwer zu schlucken
ist.
Zwei Dinge werden dabei immer wieder genannt: Freie Hand für Netanjahu und
seine rechte Siedlerkoalition im Westjordanland. Oder dass Netanjahu den
Krieg in Gaza nach der Freilassung der Geiseln wieder aufnehmen kann, und
er dafür grünes Licht aus Washington bekommen wird.
All das würde einem anderen erklärten Ziel Trumps widersprechen: Er würde
gerne in die Geschichte eingehen als der US-Friedenspräsident, der eine
Normalisierung der Beziehungen zwischen der arabischen Welt und Israel,
allem voran zwischen Israel und Saudi-Arabien erreicht hat. Und
Saudi-Arabien besteht auf einer langfristigen Lösung des Nahostkonfliktes.
Trump bleibt im Nahen Osten also das, was er schon immer war: eine nicht
lenkbare Rakete, von der niemand weiß, wo sie nach einem Waffenstillstand
in Gaza genau einschlagen wird.
16 Jan 2025
## LINKS
[1] /Hoffnung-in-Gaza/!6062819
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[3] /Historikerin-ueber-Nahost-Konflikt/!6034924
## AUTOREN
Karim El-Gawhary
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