# taz.de -- Hilfe bei Missbrauch in Film und TV: „Es darf sich jeder und jede… | |
> Die deutsche Fernsehbranche bekommt endlich eine Beratungsstelle für | |
> Opfer sexueller Gewalt. Ein Gespräch mit einer der Initiatorinnen. | |
Bild: Die Schauspielerin Anna Brüggemann mit ihrem Bruder und Protestbutton au… | |
taz: Frau Rohm, bei der Berlinale wurde die Beratungsstelle für Opfer | |
sexueller Belästigung für März angekündigt, nun dauert es bis nach der | |
Sommerpause. Warum die Verzögerung? | |
Barbara Rohm: Das liegt daran, dass sich mittlerweile so viele beteiligen – | |
darin liegt ja auch die große Chance der Stelle. Es hat noch nie so ein | |
breit aufgestelltes Bündnis in unserer Branche gegeben. Wir mussten | |
zunächst gemeinsam die rechtliche Grundlage ausloten und klären: Wie ist | |
die Stelle definiert, wie soll sie arbeiten? Gemessen daran waren wir recht | |
zügig. | |
Wie viele Mitarbeiter*innen werden für die Stelle arbeiten? | |
Es werden zunächst zwei Personen dort arbeiten, eine mit juristischer, eine | |
mit psychologischer Ausbildung. | |
Das Wichtigste ist Unabhängigkeit von Politik und einzelnen Firmen, wie | |
soll das langfristig gewährleistet werden? | |
Unabhängigkeit ist dadurch garantiert, dass die finanzielle Verantwortung | |
auf viele Schultern verteilt ist. Wir haben die Anschubfinanzierung der | |
BKM, daneben beteiligen sich unter anderem der Bühnenverein und ARD und ZDF | |
(siehe Kasten). Es gibt noch Ideen, weitere Finanzpartner ins Boot zu | |
holen, aber das Geld reicht zunächst aus, damit wir starten können. Wir | |
gehen davon aus dass die breite finanzielle Unterstützung bestehen bleibt, | |
weil wir annehmen, dass es einen großen Beratungsbedarf gibt und die | |
Partner zugesichert haben: Wenn der Bedarf da ist, werden sie sich auch | |
weiter am Projekt beteiligen. | |
Was bekommen Opfer sexueller Belästigung konkret bei Ihnen? | |
Eine juristische und, sofern gewünscht, psychologische Beratung, damit sie | |
das Geschehene erst einmal einordnen können. Das soll Handlungsspielräume | |
aufzeigen. Alles weitere richtet sich nach den Bedürfnissen der | |
Betroffenen. Anonymität ist dabei garantiert und wird nur aufgelöst, wenn | |
die Betroffenen einverstanden sind. Wenn die Betroffenen sich entscheiden, | |
die Vorfälle bei den Unternehmen zu melden, werden sie auch dabei | |
begleitet. | |
Was die Stelle nicht leisten kann, ist anwaltliche Vertretung oder | |
Therapie. Sie kann das im ersten Schritt anbieten und dann | |
weitervermitteln. Sofern gewünscht, nimmt die Stelle mit den | |
Arbeitgeberinnen oder Arbeitgebern Kontakt auf, damit der Vorfall weiter | |
verfolgt wird. | |
Die Bedürfnisse der Betroffenen sind sehr unterschiedlich und hängen von | |
der Schwere des Vorfalls ab. Die einen wünschen juristische Verfolgung. | |
Andere wollen, dass der Vorfall im Unternehmen thematisiert wird, dass sich | |
am Arbeitsklima etwas ändert. Wieder andere wünschen sich eine Aussprache | |
mit der Person oder ganz einfach eine Entschuldigung. | |
Es gibt eine Hemmschwelle, sich jemandem anzuvertrauen, auch weil viele | |
ihren Fall vielleicht als „nicht schlimm genug“ empfinden. Ab wann darf man | |
sich bei Ihnen melden? | |
Es darf sich jeder und jede melden. Wenn Sie ein ungutes Gefühl haben oder | |
wenn Sie nicht wissen, wie Sie etwas einordnen sollen. Oft weiß man nicht | |
genau, womit man es eigentlich zu tun hat – auch dafür ist diese Stelle | |
zuständig. | |
Sie kündigen auch an, sich für einen Kulturwandel einzusetzen. Wie soll das | |
konkret aussehen? | |
Prävention soll ebenso zentral sein wie Aufarbeitung. Wie können | |
Betroffene geschützt werden, die einen Vorfall melden? Deren große Angst | |
ist, dass es negative Konsequenzen für die eigene Karriere geben könnte. | |
Auch wir können keine hundertprozentige Garantie geben, dass es sich nicht | |
auf die Karriere auswirkt, wenn man einen Vorfall meldet. Aber wir können | |
die Betroffenen begleiten und beraten, damit sie zu einer für sie richtigen | |
Entscheidung finden. | |
Aufgabe der Stelle soll sein, Bewusstsein zu schaffen dafür, was | |
Unternehmen selbst tun können, um die Risiken für diejenigen zu mindern, | |
die einen Vorfall melden wollen. Wir wollen deshalb auch intern mit den | |
Partnern ins Gespräch zu kommen und auf der Bewusstseinsebene etwas | |
verändern. | |
Sie selbst kommen von Pro Quote Film. Sie haben häufig angemerkt, dass ein | |
Teil des Problems auch der Männerüberhang an den entscheidenden Stellen | |
der Branche ist. Wird es also auch um Frauenförderung gehen? | |
Frauenförderung ist nicht das zentrale Thema, denn die Frauen sind ja da, | |
und sie sind gut ausgebildet. Sie werden aber momentan nicht genügend | |
beschäftigt oder für Führungspositionen besetzt. Bei dem Thema Macht und | |
Machtmissbrauch, um das es hier geht, müssen wir natürlich darüber reden, | |
dass es mehr Frauen in Führungspositionen braucht. Ich würde mir persönlich | |
sehr wünschen, dass wir mit unseren Partnern und Partnerinnen auch das | |
thematisieren. Aber es wird bei der Arbeit der Beratungsstelle nicht im | |
Vordergrund stehen. | |
7 Jun 2018 | |
## AUTOREN | |
Peter Weissenburger | |
## TAGS | |
#Me too | |
Film | |
Sexuelle Gewalt | |
Schwerpunkt #metoo | |
Deutscher Fernsehpreis | |
Schwerpunkt Berlinale | |
Filmbranche | |
Schwerpunkt Gender und Sexualitäten | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
#MeToo in Film- und Theaterwelt: Ein strukturelles Problem | |
Die Vertrauensstelle „Themis“ zieht nach anderthalb Jahren Bilanz: Bisher | |
wurden 255 Fälle sexueller Belästigung bei Kreativ-Arbeit gemeldet. | |
Forderungen von DrehbuchautorInnen: Weil sie es sich wert sind | |
Mehr Kontroll- und Mitbestimmungsrechte: Zahlreiche DrehbuchautorInnen | |
haben sich zur Initiative „Kontrakt 18“ zusammengeschlossen. | |
Pro Quote Film auf der Berlinale: „Bildet Banden“ | |
Die Inititative lädt in die UdK zum Thema Gleichberechtigung im Film ein. | |
200 Frauen und ein Mann diskutieren miteinander. | |
Berlinale-Kolumne Was bisher geschah: Die Freiheit braucht ein Erdbeben | |
Die Berlinale diskutiert über den Stand der Dinge in der deutschen | |
Filmwirtschaft nach #metoo. Rechtsradikale Identitäre sorgen für einen | |
Eklat. | |
Regisseurin zu #MeToo und Dieter Wedel: „Casting in privaten Hotelzimmern?“ | |
Regisseur Dieter Wedel soll Frauen bedrängt und eine Frau vergewaltigt | |
haben. Die Branche ist zu männlich, sagt Regisseurin Barbara Rohm. |