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# taz.de -- Haustier allein zu Haus: Das Jaulen der Coronahunde
> Corona-Einsamkeit hat die Tierliebe bei so manchen BerlinerInnen geweckt.
> Aber was passiert mit Wuffi, wenn das Leben plötzlich wieder losgeht?
Bild: Traurig allein zuhause
Ist Ihnen das auch schon aufgefallen? In den Nachbarwohnungen jault es
immer lauter. In den letzten Monaten mehrten sich die Leute, die ihre
Corona/Tinder-Einsamkeit mit kleinen Hunden lindern wollten. [1][Tierheime
wundern sich, dass ihnen der letzte Köter aus den Händen gerissen wurde,]
der sonst einsam hinter Gittern schmachten musste.
Sie etablierten bereits härtere Kontrollmaßnahmen über die Tauglichkeit der
neuen BesitzerInnen, damit ihnen nach der Pandemie nicht wieder ein
Schneesturm an ungewollten Hunden um die Ohren fliegt, wie sonst nur in den
Sommerferien oder kurz nach Weihnachten. Kleine Hunde gingen natürlich am
besten.
Ich erzürne mich gerne mal über kleingezüchtete Hunde. Miniversionen mit
Atemnot und Gelenkproblemen, damit wir uns den Wolf in die Tasche stecken
können. Damit er kompatibel für die 34-qm-Singlewohnung ist. Man konnte sie
gut erkennen, die Leute, deren ewige liebevolle Beharrlichkeit allzu
plötzlich in nervöse Ungeduld umschlug, wenn sie für einen Spaziergang auf
einmal dreimal so lange brauchten, weil ihr neuer Hund an jeder Hausecke,
Baum und Zaun „seine E-Mails checken wollte“.
Wie ein Kleinkind, das gerade laufen lernt, betrachteten sie ihren
Pinscher, Terrier, Welsh Corgi, Cavapoo und ihren Chavalier King Charles
Spaniel, sogar ein paar Dackel waren dabei, vielleicht ein ähnliches
Phänomen, wie es Leute wieder drollig finden, ihre Kinder Annegret oder
Georg zu nennen.
## Göttliche Einsamkeit oder Isolationshaft?
Ich bin ja gerne mal allein. Aber etwas, was von Eremiten als göttlich
beschrieben wird, kann in Isolationshaft schnell dämonisch werden und sich
zu Zwangsgedanken und Panikattacken ausformen, vor allem wenn man ein
Herdentier ist. Ob der Mensch ein Rudeltier ist oder nicht, darüber kann
man streiten.
Aber Hunde sind es auf jeden Fall und so ziemlich immer. Und wenn nun
Herrchen oder Frauchen wieder vermehrt draußen mit ihren Menschenfreunden
herumtollen darf, nehmen sie ihre Hunde, von denen sie eben noch Wärme und
Unterhaltung erwarteten, eben nicht unbedingt mit.
Ich sitze also zu Hause und [2][höre mir Choräle an.] Die
Kommandier-Choräle der ungeübten Hundebesitzer und Jaul-Choräle von Hunden,
die zu lange in den Wohnungen eingesperrt sind, weil ihre Herrchen und
Frauchen vielleicht doch die Zeit überschätzten, die sie für den Hund
haben. Choräle können göttlich oder dämonisch wirken.
Hunde sind nun mal Energiebündel, das geht in beide Richtungen. An den
Veränderungen des Jaulens bei uns im Haus (und im Nebenhaus) kann man das
Ablesen. Diese Choräle hier klingen immer dämonischer. Die erste Euphorie
der neuen Liebe kann auch in die Psychose führen, wenn man die Bedingungen
dafür nicht selbst kontrollieren kann. Haustiere können hier gar nichts
kontrollieren, sie sind den Bedürfnissen ihrer Besitzer gnadenlos
ausgeliefert. Und nun finden sich viele in Isolationshaft wider.
## Bloß keine Impfung für das Herrchen
Auf den Straßen kann ich beobachten, wie die angeleinten Hunde nun mit
Schrecken beäugen, wenn Herrchen sich beim Gassigehen plötzlich in der
Schlange beim Hausarzt anstellt, um AstraZeneca zu erheischen. Ich habe das
Drama schon mehrmals beobachten können, wie die Tiere dann verzweifelt
versuchen, ihren Menschen da wegzuziehen. Damit auch er an sie durch seinen
eingeschränkten Bewegungs- und Aktivitätsradius gekettet bleiben wird.
Aber was soll ich sagen, sie haben keine Kraft, sie sind ja keine Wölfe
mehr, die die Menschen zurück in ihre Wohnungen oder auf den Pfad des
Spaziergangs ziehen können. Wie wir vor 8.000 Jahren versuchen die Hunde
nun uns zu domestizieren. Über die Pandemie hinaus. Vergebens. Und so
jaulen und seufzen sie allein daheim.
31 May 2021
## LINKS
[1] /Berliner-Tierheim/!5743169
[2] /Franzoesisch-Deutsche-Experimentalmusik/!5752017
## AUTOREN
Sarah Diehl
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