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# taz.de -- Handel mit Schengen-Visa in Polen: Wohl kein Bollwerk gegen Migrant…
> Kein anderes europäisches Land stellte Bürgern aus Asien und Afrika so
> viele Arbeitsvisa wie Polen aus. Warum das trotzdem ein Skandal ist.
Bild: Ein Fahrzeug der polnischen Grenzschützer fährt auf der polnischen Seit…
Warschau taz | „Es ist einer der größten Skandale dieses Jahrhunderts“,
wettert Donald Tusk, der Oppositionsführer von der liberalkonservativen
Bürgerplattform (PO), auf seiner Wahlkampftour durch Polen. Die in Warschau
regierenden Nationalpopulisten von der Recht und Gerechtigkeit (PiS) hätten
über Jahre hinweg einen schwunghaften Handel mit Schengen-Visa betrieben,
so Tusk.
Polnische Konsulate in Asien und Afrika sollen rund 250.000 Arbeitsvisa
ausgestellt haben. Andere Oppositionelle sprechen sogar von 350.000 Visa.
In vielen Fällen habe eine Vermittlerfirma die bürokratischen Formalitäten
erledigt. Dabei seien Schmiergelder geflossen – bis zu 5.000 US Dollar pro
Visum nach Europa und zwischen 25.000 bis 40.000 Dollar für eine Visum, das
die Einreise in die USA ermöglichte.
„Das ist keine Affäre, nicht mal ein Affärchen“, zetert PiS-Parteichef
Jaroslaw Kaczynski auf seiner Wahlkamoftour. „Das ist irgendeine dumme
Idee, die einige auszunutzen versuchten.“ Die Opposition versuche mit
Gewalt die Regierung da rein zu ziehen. Allerdings wurde Vize-Außenminister
Piotr Wawrzyk schon Ende August fristlos aus der Regierung entlassen und
auch von der PiS-Kandidatenliste für die nächsten Parlamentswahlen
gestrichen. Dem [1][Nachrichtenportal Onet] zufolge hat Wawrzyk mit einigen
Komplizen ein illegales Netzwerk zum Einschleusen von asiatischen und
afrikanischen Migranten nach Europa und in die USA aufgebaut. Dabei sollen
polnische Konsulate mit Privatunternehmen zusammengearbeitet haben, die für
die Schleusung bezahlt worden seien.
„Es handelt sich lediglich um einige hundert Visa“, wiegelt Kaczynski im
zentralpolnischen Thorn ab. Was Tusk sage, sei „Lüge, Lüge und nochmals
Lüge!“ Allerdings wurden der polnische Presse Listen mit hunderten Namen
von Antragstellern zugespielt, die auf Veranlassung des Vize-Außenministers
und seiner Mitarbeiter sofort ein Visum bekommen sollten, oft ohne jede
Überprüfung. So sollen sich indische Staatsbürger als
Bollywood-Schauspieler, Maskenbildner usw ausgegeben haben, die mit
sogenannten Mehrfach Schengen-Visa auch nach Mexiko und von dort weiter in
die USA reisen konnten.
## Drei Menschen wurden bereits verhaftet
Die polnische Antikorruptionsbehörde CBA durchsuchte schon vor einigen
Wochen die Konsular-Abteilung im polnischen Außenministerium. Daraufhin
wurde gegen sieben Personen ein Anfangsverdacht formuliert. Drei Personen
wurden direkt verhaftet.
Dazu wollte sich Kaczynski nicht äußern. Auch nicht zur Tatsache, dass
Polen unter allen Schengen-Mitgliedsstaaten in den letzten Jahren am
meisten Arbeits-Visa an Nichteuropäer vergeben hat. Die von der PiS
kontrollierte Staatsanwaltschaft versucht den Skandal ebenfalls
runterzuspielen und spricht von „Unregelmäßigkeiten bei der Vergabe
mehrerer hundert Arbeitsvisa“ in einigen arabischen Ländern sowie in
Indien, den Philippinen, Singapur, Hongkong und Taiwan. Als Journalisten
immer drängender fragten, wo Ex-Minister Wawrzyk, der mutmaßliche
Drahtzieher hinter dem System der korrupten Visavergabe, nach seiner
Entlassung abgeblieben war, bekannte Justizminister Zbigniew Ziobro, dass
dieser nach einem Suizidversuch in ein Krankenhaus eingeliefert werden
musste.
## PiS-Wahlsieg im Oktober könnte wackeln
Die Visa-Affäre konnte die PiS den Sieg [2][bei den Parlamentswahlen in
einem Monat kosten]. Denn die Heuchelei der Regierungspartei ist nun allzu
deutlich geworden: während der von der PiS kontrollierte Staatssender TVP
allabendlich in den Hauptnachrichten gegen Schwarze und Araber hetzt, diese
als Kriminelle, Drogenabhängige, Vergewaltiger, Sozialschmarotzer,
Gewalttäter verunglimpft und dazu Bilder von Straßenkrawallen, brennenden
Autos und Plünderungen von Lebensmittläden zeigt, ist es andererseits
gerade diee PiS, die so viele außereuropäische Ausländer ins Land geholt
hat, wie keine andere Partei vor ihr. Dabei soll die Wahl der PiS
gleichbedeutend sein mit der „Sicheren Zukunft der Polen“, wie es das
PiS-Wahlkampfmotto den Wählern vorgaukelt.
Sehr populär sind auch Bilder [3][von der polnisch-belarussischen Grenze],
wo die PiS-Regierung auf 200 von insgesamt rund 400 Kilometern Grenze einen
fünf Meter hohen Stahlzaun hat hochziehen lassen. Gezeigt wird ein Mann,
der immer wieder mit einer simplen Schaufel auf Drahtrollen und
Stacheldraht einschlägt, die frühere Grenzanlage.
Umgeben ist er von vielen dunkelgekleideten Geflüchteten, die vom
belarussischen Machthaber Alexander Lukaschenko zwangsweise – ohne Geld,
Handy, Essen und Trinken – an die Grenze gebracht wurden und auf die andere
Seite wollten. Dort aber standen schwerbewaffnete polnische Grenzschützer
und Polizisten. Inzwischen berichten einige polnische Journalisten, dass
sogar irregulär Geflüchtete, wenn sie an dieser Grenze aufgegriffen wurden,
ein polnisches Visum bekommen konnten. Die einzige Voraussetzung: sie
mussten das geforderte Schmiergeld auftreiben.
19 Sep 2023
## LINKS
[1] https://wiadomosci.onet.pl/tylko-w-onecie/afera-wizowa-w-msz-szczegoly-niel…
[2] /Rechte-Regierungspartei-in-Polen/!5950267
[3] /Polnisch-belarussische-Grenze/!5948007
## AUTOREN
Gabriele Lesser
## TAGS
Polen
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