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# taz.de -- Häusliche Gewalt im Profisport: Gewaltige Sportler
> Jérôme Boateng ist nicht der einzige Profi, der seine Partnerin
> geschlagen hat. Was Gerichte ahnden, bleibt in der Sportwelt oft ohne
> Folgen.
Bild: Vorbild auf dem Platz: Jérôme Boateng im Trikot von Olympique Lyon
Für den Richter am Landgericht München gab es keinen Zweifel. Am
Mittwochabend verkündete er sein Urteil [1][im Berufungsprozess] gegen
Jérôme Boateng. Der Fußballprofi, der mit der deutschen Nationalmannschaft
2014 den Weltmeistertitel gewonnen hat, wurde zur Zahlung einer Geldstrafe
in Höhe von 1,2 Millionen Euro verurteilt. Letzteres entspricht 120
Tagessätzen zu je 10.000 Euro.
Sollte das Urteil Rechtskraft erlangen, gilt Boateng wegen Körperverletzung
und Beleidigung als vorbestraft. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass
der Fußballer seine ehemalige Lebenspartnerin während eines Karibikurlaubs
verletzt und beleidigt hat. Der Prozess lieferte Einblicke in eine finstere
Welt, voller Abhängigkeiten und Gewalt, in der Profisportler auch mit der
Macht ihrer Prominenz gegen Frauen agieren.
Eine Recherche der [2][Journalismusplattform correctiv.org und der
Süddeutschen Zeitung] hatte Ende Oktober gezeigt, [3][dass der Fall Boateng
kein Solitär in der archaischen Welt des Profifußballs ist]. Die Recherche
hatte auch deutlich gemacht, dass die Klubs und Verbände sich mit dem Thema
häusliche Gewalt am liebsten gar nicht befassen wollen.
Bei Olympique Lyon, dem Klub bei dem Jérôme Boateng seit September 2021
unter Vertrag steht, waren die Vorwürfe gegen den Spieler nach dessen
erstinstanzlicher Verurteilung nie ein großes Thema. Als sein Wechsel im
Sommer 2021 verhandelt wurde, war auch Boatengs Rolle im Zusammenhang mit
dem Suizid seiner zwischenzeitlichen Freundin [4][Kasia Lenhardt] schon
bekannt. Die hatte Boateng kurz zuvor via Bild-Zeitung diffamiert, indem er
behauptet hat, sie wolle seinen Ruf ruinieren und habe ihn erpresst.
## Vorbild Boateng
Die weltweiten Schlagzeilen zu diesem Fall haben ihn ein paar lukrative
Werbeverträge gekostet. Die Fußballwelt indes wollte sich nicht von ihm
lossagen. Noch in der vergangenen Woche sagte Laurent Blanc, der Trainer
von Olympique Lyon, er habe mit Boateng überhaupt noch gar nicht über den
Prozess gesprochen. Auf die Frage der französischen Sportzeitung l’Equipe
danach, betonte er vielmehr die Vorbildrolle des erfahrenen Verteidigers
für seine jungen Mitspieler.
Wie schwer sich die Sportwelt im Umgang mit Sportstars tut, denen häusliche
Gewalt vorgeworfen wird, zeigt sich längst nicht nur im Fußball. Mitte
Oktober ist der ehemalige Radprofi Mario Cipollini von einem Gericht in
Lucca wegen häuslicher Gewalt gegen seine Ex-Frau zu einer Haftstrafe von
drei Jahren verurteilt worden. Die Vorwürfe sind seit Jahren bekannt. Doch
am Ruf des Radstars, der öffentlich immer wieder damit kokettiert, welch
unwiderstehlicher Womanizer er sei, hat das nicht kratzen können. Die
Radsportwelt lachte munter weiter über den Schönling, der nicht müde wurde
zu betonen, dass er wohl Pornostar geworden wäre, wenn es mit dem Radsport
nicht geklappt hätte.
Die Zuneigung der Fans war auch dem georgischen Tennisprofi Nikoloz
Basilashvili sicher, als er vor zwei Wochen einen Gerichtssaal in Tbilisi
betrat. Auch Gerichtsangestellte baten um eine Foto mit dem georgischen
Sportstar. Kurz darauf wurde er vom Vorwurf der häuslichen Gewalt, die
seine Ex-Frau gegen ihn erhoben hatte, freigesprochen. Wie das News-Portal
Open Caucasus Media berichtet, habe sich die Richterin bei der
Urteilsbegründung gewundert, warum die Frau Basilashvili nicht früher
angezeigt hat und angemerkt, dass die Bilder, die eine Verletzung an ihren
Arm zeigten, auch davon stammen könnten, dass sie ihr Kind falsch gehalten
habe. Auch wegen solcher Begründungen möchte die Anklage das Urteil
anfechten.
Während der Dauer des Prozesses spielte der Georgier munter weiter auf der
Profitour des Spielerverbands ATP. An den meisten Verhandlungen nahm er per
Videoschalte teil.
In einem anderen Fall ist es noch zu gar kleiner Verhandlung gekommen und
so konnte auch Alexander Zverev bis zu seiner Verletzung, die er sich bei
den French Open im Frühjahr zugezogen hat, von Turnier zu Turnier reisen.
Auch dem deutschen Olympiasieger [5][wird häusliche Gewalt vorgeworfen].
Zverev streitet die heftigen Vorwürfe seiner ehemaligen Freundin ab.
Immerhin hat sich die ATP dazu durchgerungen, den Fall zu untersuchen. Vor
über einem Jahr war das. Was daraus geworden ist? Die Untersuchungen dauern
an, teilte die ATP vor vier Wochen mit. Einem Comeback von Zverev im
Tenniszirkus nach seiner Verletzung steht demnach nichts im Weg. Anfang
Dezember möchte er wieder spielen – bei einem Einladungsturnier in
Saudi-Arabien.
3 Nov 2022
## LINKS
[1] /Verurteilung-des-Ex-Nationalspielers/!5797097
[2] https://correctiv.org/top-stories/2022/10/14/machtmissbrauch-profi-fussball/
[3] /Machtmissbrauch-durch-Fussballprofis/!5885703
[4] /Tod-des-Models-Kasia-Lenhardt/!5746382
[5] /Tennisprofi-Zverev-im-Zwielicht/!5812511
## AUTOREN
Andreas Rüttenauer
## TAGS
Fußball
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