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# taz.de -- Vorwürfe gegen Tennisprofi Zverev: Melbourne ist nur das Vorspiel
> Alexander Zverev zeigt sich bei den Australian Open in Form. Doch ihn
> holen Vorwürfe wegen häuslicher Gewalt ein. Im Mai beginnt der Prozess.
Bild: Variable Schlagtechnik: Alexander Zverev bei den Australian Open
Mehr als viereinhalb Stunden hatte Alexander Zverev bei seinem
Zweitrundenmatch in Melbourne auf dem Platz gestanden. Wie schon zum
Auftakt [1][der Australian Open] im Spiel gegen Dominik Koepfer war es auch
gegen den slowakischen Qualifikanten Lukas Klein zäh. Zverev hätte genauso
gut ausscheiden können. Am Ende stand es 7:5, 3:6, 4:6, 7:6 (7:5), 7:6
(10:7) aus der Sicht des Deutschen.
Noch mal Glück gehabt. So sah es Zverev hinterher ja auch. Klein hätte den
Sieg wahrscheinlich mehr verdient gehabt, sagte der 26-jährige
Olympiasieger im On-Court-Interview. Das sind diese Feel-good-Gespräche
ganz kurz nach Match-Ende, die die siegreichen Profis noch auf dem Platz
führen (müssen). Fragesteller sind meist ehemalige Weltklassespieler wie
John McEnroe oder Jim Courier. Kritisch nachgefragt wird hier so gut wie
nie. Das Publikum soll gut unterhalten und der siegreiche Spieler von den
Fans noch mal ordentlich abgefeiert werden.
Zverev beherrscht den Smalltalk perfekt. Seine On-Court-Interviews sind
allerdings selten unterhaltsam oder witzig. Er ist da ziemlich unlocker.
Das fällt auch immer besonders gut auf, wenn er Englisch spricht. Es ist
dieses monotone Sportlerenglisch: irgendwie perfekt, aber ohne Kanten, ohne
Ecken oder Ironie. Wie erwähnt, zu befürchten hat man als Tennisprofi dort
nichts.
Heikel kann es dann etwas später werden – wenn für die Spieler die
obligatorischen Pressekonferenzen anstehen. Der Donnerstagnachmittag im
großen Medienraum 1 auf der Anlage im Melbourne Park war für Zverev kein
angenehmer. Eine Journalistin stellte im englischen Teil der
Pressekonferenz die überhaupt nur einzige Frage. Sie wollte wissen, ob
Zverev plane, bei der bevorstehenden Gerichtsverhandlung persönlich zu
erscheinen.
## „Das ist mal eine Frage“
Zverev musste kurz nachfragen, er hatte die Frage wahrscheinlich schon
verstanden, aber er war perplex und holte tief Luft. „Wow“, antwortete er,
„das ist mal eine Frage. Ich habe gerade vier Stunden und 40 Minuten auf
dem Court gestanden. Das ist, um ehrlich zu sein, nicht die erste Frage,
die ich hören wollte.“ Die Frau gab aber nicht klein bei. „Es ist aber nun
mal meine Frage“, sagte sie.
[2][Zverev wird seit geraumer Zeit vorgeworfen, eine Frau körperlich
misshandelt zu haben.] Im Oktober 2023 hatte das Amtsgericht einen
Strafbefehl gegen ihn verhängt. Demnach sollte er eine Geldstrafe von
450.000 Euro wegen Körperverletzung zahlen. Wie nun Anfang der Woche
bekannt wurde, kommt es Ende Mai in Berlin zu einem Prozess, da Zverev
Einspruch eingelegt hat. Es gilt die Unschuldsvermutung.
In Melbourne bei den Australian Open hat diese Angelegenheit Zverev
eingeholt. Mehr noch: Er wird sie nicht mehr los. Das Thema ist
allgegenwärtig. Zumal zuletzt auch mehrere Spielerinnen und Spieler in
Melbourne von Journalisten zu Zverev und den Anschuldigungen befragt
wurden.
Das Warum liegt auf der Hand. Anfang des Jahres war Zverev in den ATP
Player Council gewählt worden, er vertritt damit in der Tennisorganisation
ATP die Spieler. Viele fragen sich gerade: Wie verträgt sich das?
Einerseits der Strafbefehl wegen häuslicher Gewalt, andererseits dieses
verantwortungsvolle Amt als Sprachrohr seiner Spielerkollegen auf der Tour.
## Ausweichende Statements
Zverev wurde dazu nach seinem ersten Match in Melbourne auch schon befragt.
„Warum auch nicht?“, antwortete er auf die Frage, ob es angemessen sei,
dass er weiterhin Teil des Councils bleibe. „Niemand hat etwas zu mir
gesagt.“
Da hatte Zverev recht. Sämtliche Profis, die in Melbourne mit der Sache
konfrontiert wurden, formulierten eher knappe und weiche Statements. Einige
Auszüge: Casper Ruud: „Ich hatte noch nicht genug Zeit, darüber
nachzudenken. Ich habe irgendwie auch keine Meinung dazu.“ Cameron Norrie:
„Ehrlicherweise weiß ich darüber zu wenig und kann deshalb dazu leider auch
nichts sagen.“ Stefanos Tsitsipas: „Ich werde dazu nichts sagen. Ich kenne
die Situation nicht.“ [3][Einzig Iga Swiatek], die Nummer 1 der
Frauen-Weltrangliste, wurde deutlich: „Ich glaube, es ist an der ATP zu
entscheiden. Es ist sicher nicht gut, einen Spieler zu promoten, gegen den
es solche Anschuldigungen gibt.“
Vielleicht ganz bezeichnend, dass die einzig brauchbare Antwort zu diesem
sensiblen Thema von einer Frau kam. Auf die Frage der Journalistin nach
seinem Erscheinen bei den Verhandlungen Berlin nahm Zverev am Donnerstag in
Melbourne übrigens tatsächlich noch Bezug und antwortete: „Ich habe keine
Ahnung. Es ist im Mai.“
Bei den Australian Open ist jetzt für Deutschlands besten Tennisspieler
eine unschöne Gemengelage eingetreten. Er ist eigentlich in exzellenter
Form, seine körperliche Verfassung war nach seiner langen Verletzungspause
noch nie so gut wie jetzt. Auch wenn die ersten beiden Matches mühsam
waren, Zverev könnte dieses Mal beim ersten Grand-Slam-Turnier des Jahres
wirklich weit kommen. Wären da nur nicht diese immer lauter werdenden
Nebengeräusche.
## Fans in zwei Lager geteilt
In Melbourne wird [4][natürlich über die Vorwürfe] gegen ihn getuschelt,
mal leise, mal lauter. Da können seine Kollegen ihre Köpfe noch so tief in
den Sand stecken. Alle wissen Bescheid. Die Fans auf Social Media sind in
zwei Lager geteilt: Für viele ist er der „Abuser“. Sie können nicht
verstehen, dass die ATP ihn weiter als eines ihrer Zugpferde promotet und
ihn einfach weiter spielen lässt. Die anderen verehren ihn, weil er so ein
bisschen (auch wegen seines Aussehens) dieses Popstar-Image hat und pflegt.
Die langen Haare, die vielen Ketten. Das extrovertierte Jubeln auf dem
Platz nach Siegen. Das kommt an.
Gerade von den internationalen Medien wird Zverev aber äußerst kritisch
betrachtet. Das geht so weit, dass bestimmte Pressevertreter den Deutschen
in ihrer Berichterstattung und auf Pressekonferenzen in Melbourne komplett
ignorieren. Bei den Australian Open führt das mitunter zu skurrilen Szenen.
Normalerweise sind die Pressekonferenzen der Top-Ten-Spieler immer
übervoll.
Bei Zverev, der aktuellen Nummer 6 im Ranking, sitzen dann oft nur die
deutschen Medienvertreter. Zverev lächelt das weg. Aber es trifft ihn
schon. Das merkte man ihm auch nach dem Match gegen Lukas Klein an, als es
wirklich nur diese eine beschriebene Frage auf Englisch an ihn gab.
Am Samstag trifft Zverev nun in der dritten Runde auf den Amerikaner Alex
Michelsen. Das Match wurde als Night-Session in der Rod-Laver-Arena
angesetzt. Es ist der Spot, den sich alle Profis bei den Australian Open
wünschen. In dieser Arena und zu dieser Zeit ist die Aufmerksamkeit am
größten. Dass Zverev diese zuteil wird, können nicht alle verstehen.
Ein User schrieb auf X, nachdem die Ansetzung für den Samstag bekannt
wurde: „Als jemand, der Hunderte von Dollar für einen Platz in der
Rod-Laver-Arena bezahlt hat, kann ich kaum sagen, wie sehr ich darüber
enttäuscht bin, dass Zverev da nun spielt. Wie könnt ihr diese Person nur
so promoten?“ Der Post des Users wurde hundertfach geteilt. Es scheint fast
so, als könne Zverev gerade nur verlieren. Selbst wenn er mitten im
australischen Hochsommer weiter Matches gewinnen sollte.
19 Jan 2024
## LINKS
[1] /Zverevs-Aus-bei-den-Australian-Open/!5827989
[2] /Wahl-zum-Sportler-des-Jahres/!5820845
[3] /Frauen-Finale-der-French-Open/!5937387
[4] /Tennisprofi-Zverev-im-Zwielicht/!5812511
## AUTOREN
Klaus Bellstedt
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