# taz.de -- Größenwahn bei der Fifa: „Die größte Show auf Erden“ | |
> Fifa-Chef Gianni Infantino erhebt bei der Vergabe der WM-Spielorte 2026 | |
> einen imperialen Anspruch. Ist die Fifa doch keine Hilfsorganisation? | |
Bild: Gut drauf: Fifa-Chef Infantino (l.) präsentiert mit seinem Vize Montagli… | |
War das ein Witz oder eine ernstgemeinte Ankündigung? Gianni Infantino war | |
am Freitagabend wieder einmal bestens aufgelegt. Schließlich gab es wieder | |
einen sehr großen Tag für den Fußball zu feiern. In New York begleitete er | |
die Wahl der 16 Austragungsorte aus 22 Bewerbern [1][für die WM 2026], die | |
sich mit den Gastgebern Kanada, USA und Mexiko über einen ganzen Kontinent | |
erstreckt. | |
Es ging also um nichts Geringeres als den Gnadenerweis für jene Orte, wo in | |
vier Jahren „die größte Show auf Erden“, wie Infantino sein Turnier wieder | |
einmal vorzugsweise nannte, stattfinden darf. Und weil der Schweizer sich | |
bewusst war, dass am Standort New York und in dessen weiterer Umgebung das | |
Verständnis für die Größe des Fußballs eben noch nicht so weit ausgereift | |
ist wie sonst so auf dem Globus, erklärte er: „Bis 2026 wird Fußball der | |
Nummer-eins-Sport in diesem Teil der Welt sein.“ | |
Die Abstände zwischen Witz, Wahn und Realität sind bei der Fifa häufig | |
verstörend kurz. Wer erinnert sich nicht [2][an die lustigen Visionen von | |
Sepp Blatter] eines Fußballs auf anderen Planeten und seine Idee von | |
intergalaktischen Wettbewerben. Einer Art Super League zwischen Mond, Mars | |
und Erde also (Hihi!). In sechs Monaten beginnt die WM in der Wüste. | |
[3][Katar, das kleinste Land aller Turnierteilnehmer, beherbergt den | |
Weltfußball.] Es wird das beste Turnier, das es jemals gab, das versicherte | |
Infantino zum wiederholten Male selbst in New York. | |
Das Interessante an der größenwahnwitzigen Vorgabe von Infantino in New | |
York ist das offene Visier. Expansion und Verdrängung von Wettbewerbern ist | |
das Ziel der XXL-WM mit dem nun auf 48 Teams ausgeweiteten Turnier. | |
Zwischen den ausgewählten WM-Spielorten Vancouver und Miami liegen 4.500 | |
Flugkilometer. Selbst bei der WM in Russland 2018 betrug die weiteste | |
Distanz zwischen den Austragungsstätten etwa 2.500 Kilometern. | |
## Im Gewand einer Menschenrechtsorganisation | |
Der Turniermodus wird dem Expansionsstreben bei der WM 2026 angepasst. Dass | |
die geplanten Dreiergruppen in der Vorrundenphase unlautere Absprachen | |
begünstigen könnten, weil in entscheidenden Partien es gemeinsame | |
Wunschergebnisse geben könnte, ist ein Preis, den die Fifa zu zahlen gern | |
bereit ist. | |
Das ungeschminkte Bekenntnis von Infantino zum ökonomischen | |
Verdrängungswettbewerb fällt aus dem Rahmen, weil die Fifa sich sonst gern | |
wie eine soziale Menschenrechtsorganisation gebärdet, die den Fußball wie | |
knappes Wasser an die durstleidende Weltbevölkerung verteilt und dafür in | |
aller Demut weiter auf den Friedensnobelpreis wartet. So hat man nach | |
eigener Darstellung bereits dem per se benachteiligten kleinen Emirat die | |
Fußball-WM ermöglicht und zugleich die Menschenrechtslage vor Ort | |
verbessert. Und bei der WM 2026 in Kanada, den USA und Mexiko erweitert man | |
ebenfalls den Kreis der teils fußballerisch minderbemittelten Länder, die | |
an so einem Großereignis teilhaben können. | |
Wie teuer die Fifa-Politik der Teilhabe werden kann, hat man in der | |
kanadischen Provinz Québec realisiert. Die explodierenden Kosten für die WM | |
wären den Steuerzahler:innen nicht zumutbar, erklärte die dortige | |
Regierung, worauf die Stadt Québec im Juli 2021 ihre Bewerbung zurückzog. | |
Und Gianni Infantino schwärmte ausgerechnet am Freitagabend in New York von | |
der WM der kurzen Wege in Katar. Er werde jedes Spiel dort besuchen, | |
erzählte er. Selbst bei Parallelspielen sei das möglich, eine Halbzeit da, | |
eine Halbzeit dort. Es war an diesem Tage wieder so ein verstörendes | |
wahnwitziges Statement. | |
17 Jun 2022 | |
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