| # taz.de -- Gespräche zwischen Nord- und Südkorea: Ein Dialog mit Kalkül | |
| > Nach über zwei Jahren wollen beide Seiten wieder miteinander reden. Aber | |
| > allzu große Hoffnungen scheinen nicht angebracht zu sein. | |
| Bild: Kampfflugzeuge über dem Pyeongchang | |
| Seoul taz | Nach mehrjährigem, fast ununterbrochenen Konfrontationskurs | |
| scheint sich das innerkoreanische Blatt nun innerhalb weniger Tage zu | |
| wenden: Erst am Montag hatte Nordkoreas Diktator Kim Jong Un während seiner | |
| Neujahrsansprache vorgeschlagen, gemeinsam mit Südkorea über eine mögliche | |
| Teilnahme bei den Olympischen Winterspielen in Pyeongchang zu diskutieren. | |
| Prompt hat das Seouler Vereinigungsministerium am Dienstag die Gelegenheit | |
| beim Schopf gepackt – und gemeinsame Gespräche auf hoher Ebene für den 9. | |
| Januar vorgeschlagen. Minister Cho Myoung Gyon sprach von einer „offenen | |
| Diskussion“ ohne Vorbedingungen, bei denen nicht nur Sportdiplomatie auf | |
| der Agenda stünde. | |
| Über zwei Jahre liegt das letzte offizielle Aufeinandertreffen der zwei | |
| Nachbarstaaten mittlerweile nun zurück. Seit Anfang 2006 gibt es de facto | |
| auch keinen inoffiziellen Gesprächskanal mehr: Die gemeinsame | |
| Telefonleitung am Friedensdorf Panmunjom in der Demarkationslinie wurde | |
| seither von Nordkorea nicht mehr benützt. | |
| Der einzige Austausch beschränkte sich de facto auf Relikte psychologischer | |
| Kriegsführung noch aus Zeiten des Kalten Krieges: Beide Koreas haben | |
| massive Lautsprecheranlagen entlang der verminten, innerkoreanischen Grenze | |
| aufgestellt, um sich rund um die Uhr mit Propagandabotschaften zu | |
| beschallen. | |
| ## Die US-Regierung dürfte wenig erfreut sein | |
| Insofern kann die jüngste Annäherung durchaus als positive Entwicklung | |
| gewertet werden: Zuletzt setzte sich unter diplomatischen Kreisen in Seoul | |
| der Eindruck durch, dass unter US-Präsident Donald Trump ein Krieg | |
| wahrscheinlicher sei denn je. | |
| Die Erwartungen, dass sich die Beziehungen jetzt normalisieren könnten, | |
| sollten dennoch niedrig gehalten werden. Konservative Hardliner sehen Kim | |
| Jong Uns Einlenken vor allem als Ergebnis der zuletzt immer strafferen | |
| Sanktionspolitik, die Nordkorea nun zwinge, widerwillig an den | |
| Verhandlungstisch zurückzukehren. Zudem würde dieser auch aus Hinterlist | |
| agieren, schließlich wittere er, dass das Gesprächsangebot Südkorea mit | |
| seinem Verbündeten in Washington entzweien könnte. | |
| Tatsächlich dürfte die US-Regierung alles andere als erfreut sein über | |
| allzu forsche Alleingänge Seouls. Südkoreas Präsident Moon Jae In hatte | |
| jedoch ohnehin eine Emanzipation von der dominanten US-Allianz angekündigt. | |
| Insofern können ihn, der sich seit jeher für eine Verbesserung der | |
| Beziehung zu Nordkorea ausgesprochen hat, durchaus aufrichtige Motive | |
| gelenkt haben. | |
| Ein kurzfristiges Kalkül lässt sich jedoch nicht von der Hand weisen: In | |
| gut einem Monat finden bereits die Olympischen Winterspiele im eigenen Land | |
| statt. Ähnlich wie die Sommerspiele 1988 in Seoul und die gemeinsam mit | |
| Japan ausgetragene Fußballweltmeisterschaft 2002 sollen sie eine | |
| patriotische PR-Kampagne auf internationalem Parkett werden, bei der sich | |
| das Land als wohlhabende Hightech-Nation mit kultureller Softpower und | |
| internationaler Ausrichtung präsentieren möchte. | |
| ## Eiskunstläufer als Kim-Propagandisten | |
| Zuletzt jedoch drohten die verbalen Kriegsdrohungen zwischen Kim Jong Un | |
| und Donald Trump zum Spielverderber zu werden – einzelne Sportverbände | |
| haben zwischenzeitlich gar über einen Boykott aus Sicherheitsbedenken | |
| nachgedacht. | |
| Dass nun Nordkorea seine zwei Eiskunstläufer – die einzig qualifizierten | |
| Athleten – in den Süden schicken möchte, ist für Moon Jae In eine lange | |
| ersehnte symbolische Absicherung, dass der koreanische Konflikt nicht | |
| eskaliert. | |
| Für Nordkorea hingegen ist das Eisparkett ebenfalls eine effiziente | |
| Propagandabühne: Kim Jong Un weiß nur allzu gut darum, dass er mit | |
| Medaillen-Siegen bei internationalen Sportereignissen seiner eigenen | |
| Bevölkerung staatliche Stärke und Macht vortäuschen kann. | |
| Spätestens ein Blick ins Archiv sollte die Vorfreude auf harmonische | |
| Beziehungen auf der koreanischen Halbinsel dämpfen: Vor zwei Jahren hatte | |
| Kim Jong Un während seiner Neujahrsansprache ähnlich friedliche Töne | |
| angestimmt – um nur fünf Tage später einen Atombombentest durchzuführen. | |
| Frieden und ein eigenes Atomprogramm: Für das Kim-Regime ist dies kein | |
| Widerspruch. | |
| 2 Jan 2018 | |
| ## AUTOREN | |
| Fabian Kretschmer | |
| ## TAGS | |
| Moon Jae In | |
| Schwerpunkt Atomkraft | |
| USA | |
| Nordkorea | |
| Südkorea | |
| Atomstreit | |
| Raketentest | |
| Israel | |
| Schwerpunkt Olympische Spiele 2024 | |
| Südkorea | |
| Nordkorea | |
| Südkorea | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Kritiker von Israels Besatzungspolitik: Schwarze Liste veröffentlicht | |
| Jewish Voice for Peace und CodePink trifft es auch: 20 Gruppen, die ein | |
| Ende der Besatzung fordern, sind mit Einreiseverbot belegt worden. | |
| Olympische Winterspiele in Südkorea: Amplituden der Hassliebe | |
| Nord- und Südkorea sprechen vor den Winterspielen miteinander. Der Sport | |
| kann die Region befrieden – aber wohl nur für eine kurze Zeit. | |
| Annäherung im Korea-Konflikt: Kim Jong Un stimmt Gesprächen zu | |
| Nordkorea ist zum Dialog mit Südkorea bereit. Zunächst soll es um die | |
| Olympischen Spiele gehen. Südkorea und die USA verschieben dafür ein | |
| Manöver. | |
| Tillerson zu Gesprächen mit Pjöngjang: Nordkorea und USA an einem Tisch? | |
| US-Außenminister Rex Tillerson hat erste Gespräche im Atomkonflikt mit | |
| Nordkorea in Aussicht gestellt. Einzige Vorbedingung soll die Einstellung | |
| der Waffentests sein. | |
| Präsident Moon Jae In reist nach Peking: Südkoreas Drahtseilakt mit China | |
| Südkoreas Präsident will das gespannte Verhältnis zu China normalisieren. | |
| Die Allianz mit den USA möchte er nicht aufs Spiel setzen. |