# taz.de -- Geschichte und Wahlkampf zum D-Day: Macron will Kyjiw Kampfjets lie… | |
> In Frankreich dominiert am 80. Jahrestag der alliierten Landung das | |
> aktuelle Kriegsgeschehen. Am Abend macht Macron der Ukraine konkrete | |
> Zusagen. | |
Bild: Gegenwart trifft Geschichte: Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selensk… | |
PARIS taz Wie in jedem Jahr, wenn an der normannischen Küste mit mehr oder | |
weniger Aufwand und geladenen Gästen aus aller Welt der alliierten Landung | |
vom 6. Juni 1944 gedacht wird, wurde die Geschichte aufgerollt. Noch leben | |
Augenzeugen und damalige Akteure, die den strategisch gewagten Beginn des | |
Feldzugs zur Befreiung des besetzten Frankreichs aus ihrer Perspektive | |
schildern: Betagte Menschen, die damals hinter den Frontlinien der Strände | |
des westlichen Landzipfels Cotentin oder gar mitten im Kriegsgeschehen | |
wohnten, und auch damalige Soldaten, von denen 200 Veteranen aus | |
Großbritannien, Kanada, Australien und den USA zur [1][D-Day-Feier] reisen | |
konnten. | |
Mehrere dieser Angehörigen der damaligen Landungstruppen wurden jetzt von | |
Staatspräsident Emmanuel Macron mit Orden der Ehrenlegion ausgezeichnet. | |
Die Rührung war groß und spürbar bei der Zeremonie, denn allen war bewusst, | |
dass diese als Helden geehrten zwischen 99 und 107 Jahre alten Männer in | |
Uniform beim 90. Jubiläum nicht mehr dabei sein werden. Die New York Times | |
titelte: [2][„Ein letztes Hurra für die Helden des D-Day!“] | |
Doch es war vor allem die Gegenwart, die mit den Kriegen im Osten Europas | |
und Nahen Osten dieses Mal dem Gedenken eine sehr ernsthafte, ja | |
dramatische Note verlieh. Mehr aus Anlass und nicht am Rand der | |
Feierlichkeiten haben die 25 Staats- und Regierungschefs in der Normandie | |
politische Erklärungen zur Solidarität mit der Ukraine sowie zur | |
Unterstützung der Verhandlungen für einen Waffenstillstand in Gaza | |
publiziert. Der gedankliche Sprung von der Normandie nach Kyjiw war in den | |
diversen Ansprachen schnell gemacht. | |
US-Präsident Joe Biden, der für einen fünftägigen Aufenthalt in Frankreich | |
den Atlantik überquert hat, sagte auf dem Soldatenfriedhof von | |
Colleville-sur-Mer: „Wir leben in einer Epoche, in der die Demokratie in | |
Gefahr ist wie niemals seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs.“ Und er | |
stellte die rhetorische Frage: „Werden wir uns gegen die Tyrannei | |
auflehnen, gegen das Böse, gegen die Brutalität und die eiserne Faust? (…) | |
Hier sind Helden (vom 6. Juni 1944) anwesend, doch was an jenem Tag | |
geschah, entbindet uns nicht von unserer Pflicht von heute. Die Demokratie | |
ist niemals garantiert. Jede Generation muss sie bewahren.“ | |
## Macron: Putin hat Botschaft des D-Day „verraten“ | |
Von der Aktualität der Geschichte sprach auch Gastgeber Emmanuel Macron: | |
„Die Ukraine ist mit einer imperialistischen Macht konfrontiert, es ist | |
nicht Nazi-Deutschland, aber sie tritt (gleichermaßen) das internationale | |
Recht mit Füßen.“ | |
Macron beschuldigte den russischen Staatschef Wladimir Putin, der dieses | |
Mal nicht zur Feier eingeladen worden war, er habe die „Botschaft“ der | |
Landung von 1944, das heißt das gemeinsame Motiv der damaligen Allianz | |
gegen das Dritte Reich, mit seiner Aggression gegen die Ukraine „verraten“. | |
Der französische Präsident hatte zudem am Donnerstagabend ein Interview in | |
der Tagesschau der beiden größten Fernsehsender organisiert, um seine | |
diplomatische Linie erneut zu erklären und zu beteuern, er suche „keine | |
Eskalation“. Er kündigte dabei aber weitergehend als bisher an, Frankreich | |
werde der Ukraine eine von ihm nicht genannte Zahl recht moderner | |
Kampfflugzeuge vom Typ Mirage 2000-5 liefern und dafür auch die Piloten | |
sowie außerdem eine Kampftruppe von 4.500 ukrainischen Soldaten in | |
Frankreich ausbilden. | |
Zur Frage der Anerkennung Palästinas als Staat sagte er: „Man erkennt nicht | |
einen Staat auf der Grundlage der Empörung an.“ Wichtiger sei es, zusammen | |
mit den USA und anderen Verbündeten auf einen sofortigen Waffenstillstand | |
zu drängen. | |
## Opposition wirft Macron „Einmischung in Wahlkampf“ vor | |
Macron warnte im Interview seine Landsleute auch vor der Gefahr, die Europa | |
wegen des drohenden Vormarschs der extremen Rechten in mehreren EU-Staaten | |
droht. | |
Die Oppositionsparteien haben gegen diese „Einmischung in den Wahlkampf“, | |
drei Tage vor dem Urnengang, durch den Präsidenten protestiert. Laut | |
Umfragen zur Europawahl liegt die Liste der französischen | |
Regierungsparteien mit bloß 15 Prozent weit hinter dem rechtsextremen | |
Rassemblement (33 Prozent). | |
Den Franzosen und Französinnen zu sagen, Europa sei „mehr denn je in | |
Gefahr“, gehöre zu seiner Rolle als Staatspräsident, meinte Macron zu | |
diesen Einwänden. Wie Biden nutzt auch der ukrainische Präsident Wolodimir | |
Selenski die Reise zum D-Day für einen Staatsbesuch in Paris. Er wurde am | |
Freitagvormittag zu einer Ansprache von den Abgeordneten der | |
Nationalversammlung empfangen, denen er für die militärische und moralische | |
Unterstützung dankte. | |
„Europa ist nicht mehr der Kontinent des Friedens“ wie nach dem Sieg der | |
Alliierten von 1945, sagte Selenski. Er warnte, dass nach der Ukraine auch | |
andere europäische Länder attackiert werden könnten. „Putin, das ist das | |
Anti-Europa! (…) mit seiner ständigen Erpressung versucht er der ganzen | |
Welt Angst zu machen.“ | |
Die Vorsitzende der Nationalversammlung, Yaël Braun-Pivet, versicherte | |
Selenski, die Unterstützung des französischen Parlaments sei „nicht nur | |
symbolisch“. Zuvor hatte der Spitzenkandidat der extremen Rechten bei den | |
EU-Wahlen, Jordan Bardella, die von Macron versprochene zusätzliche Hilfe | |
kritisiert: „Macron treibt ein gefährliches Spiel, er setzt uns dem Risiko | |
einer Eskalation aus.“ | |
Der konservative Abgeordnete Henri Dumont von der Partei Les Républicains | |
meinte hingegen: „Ich ziehe es vor, dabei keine üblen Absichten zu | |
vermuten. Der heroische Widerstand der Ukrainer gegen die russische | |
Aggression ist viel zu wichtig, um daraus ein simples Wahlkampfargument zu | |
machen und in den Umfragen 0,3 Punkte zu gewinnen.“ | |
7 Jun 2024 | |
## LINKS | |
[1] /80-Jahre-D-Day/!6011924 | |
[2] https://www.nytimes.com/2024/06/04/d-day-reunion-ww-ii-veterans.html | |
## AUTOREN | |
Rudolf Balmer | |
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