# taz.de -- Geplanter Nato-Beitritt Schwedens: Erdoğan droht mit Dauerblockade | |
> Die Türkei will den Nato-Beitritt Schwedens nach einer Koran-Verbrennung | |
> dauerhaft blockieren. Finnland bringt erstmals einen Alleingang ins | |
> Spiel. | |
Bild: Spiel mit dem Feuer: vor dem schwedischen Konsulat in Istanbul am 21. Jan… | |
ISTANBUL taz | „Wenn ihr der türkischen Republik oder dem religiösen | |
Glauben der Muslime keinen Respekt zollt, dann könnt ihr von uns in Sachen | |
Nato auch keine Unterstützung bekommen.“ Mit diesen Worten hat der | |
türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan am Montagabend auf eine | |
[1][Koran-Verbrennung vor der türkischen Botschaft in Stockholm] reagiert. | |
Der Vorfall hatte in der Türkei nicht nur in Regierungsreihen für Empörung | |
gesorgt, auch auf der Straße protestierten aufgebrachte Islamisten und | |
Nationalisten. Sie verbrannten eine schwedische Fahne vor dem Konsulat des | |
Landes in Istanbul. | |
Die vorläufige Absage Erdoğans an eine Ratifizierung der | |
Nato-Beitrittsprotokolle ist der bisherige Höhepunkt in dem seit Monaten | |
anhaltenden Geschacher um den Preis, den Schweden und Finnland bereit sind | |
zu zahlen, damit das Nato-Mitglied Türkei ihrer Mitgliedschaft zustimmt. 28 | |
der 30 Nato-Mitgliedstaaten haben den Beitritt Schwedens bereits | |
ratifiziert. Die Türkei und Ungarn sind die einzigen Nato-Staaten, die noch | |
nicht zugestimmt haben. | |
Der finnische Außenminister Pekka Haavisto sagte am Dienstag, angesichts | |
eines möglichen Neins der Türkei zu Schwedens Nato-Mitgliedschaft müsse | |
Finnland auch einen Beitritt ohne Schweden in Erwägung ziehen. Beide Länder | |
hatten angekündigt, dem Bündnis gemeinsam beizutreten. | |
Später beteuerte Haavisto aber vor finnischen Reportern, Finnlands Linie | |
habe sich nicht verändert: Trotz aller Hindernisse setze man die gemeinsame | |
Nato-Reise mit Schweden fort und wolle nach wie vor zeitgleich Mitglied | |
werden. Einen Plan B, so Haavisto, gebe es nicht. | |
## Erdoğan will Auslieferungen | |
Seit Monaten hält Erdoğan die Skandinavier mit immer neuen Forderungen hin. | |
Nachdem Schweden die Aufhebung eines Waffenembargos gegen die Türkei | |
angekündigte und auch seine Verfassung um einen schärferen | |
Antiterrorartikel ergänzen will, konzentrierte sich Erdoğan auf die | |
Forderung, Schweden müsse bis zu hundert Terrorverdächtige an die Türkei | |
ausliefern. | |
Besonders erzürnt ist man in Ankara darüber, dass ein schwedisches Gericht | |
die Auslieferung von Bülent Keneş verweigerte. Keneş ist der frühere | |
Chefredakteur der englischen Ausgabe der Tageszeitung Zaman, die von der | |
türkischen Gülen-Sekte herausgegeben wurde. | |
Die türkische Regierung beschuldigt die Sekte, hauptverantwortlich für den | |
Putschversuch 2016 gewesen zu sein. Keneş sei darin verwickelt gewesen. | |
Neben Angehörigen der Gülen-Sekte verlangt Erdoğan zudem die Auslieferung | |
diverser Kurden, die in Ankara als PKK-Mitglieder oder Unterstützer gelten. | |
Schwedens Ministerpräsident Ulf Kristersson hatte angekündigt, diese | |
Forderungen nicht zu erfüllen. Dies sorgte bereits dafür, dass die | |
türkische Regierung eine mögliche Ratifizierung der | |
Nato-Beitrittsprotokolle in den Sommer verschob. | |
## Pause bis zur Türkei-Wahl | |
Eine Demonstration kurdischer Aktivisten in Stockholm, bei der eine | |
Erdoğan-Puppe verbrannt wurde, und dann die Verbrennung des Korans durch | |
den Rechtsextremisten Rasmus Paludan, die von den schwedischen Behörden | |
genehmigt worden war, haben die Beziehungen zwischen den beiden Ländern nun | |
vollends vergiftet. Während Kristersson und Nato-Generalsekretär Jens | |
Stoltenberg vom hohen Gut der Meinungsfreiheit sprechen, redet Erdoğan von | |
mangelndem Respekt und Islamophobie. | |
Die Affäre hat bereits Kreise über die beiden Länder hinaus gezogen. Im | |
Irak gab es ebenfalls heftige Proteste vor der schwedischen Botschaft in | |
Bagdad, bei denen es zu gewaltsamen Auseinandersetzungen mit der Polizei | |
kam. | |
Ein Hintergrund der türkischen Reaktionen auf die Proteste in Schweden ist | |
die für den 14. Mai geplante [2][Präsidentschafts- und Parlamentswahl]. Da | |
[3][Erdoğan aufgrund einer Wirtschaftskrise massiv unter Druck steht], | |
nutzt er die Debatte um den Nato-Beitritt, um sich als starker | |
nationalistischer Führer zu profilieren. | |
Beobachter halten es für möglich, dass Erdoğan dem Nato-Beitritt Schwedens | |
und Finnlands nach der Wahl durchaus zustimmen könnte. Haavisto sprach am | |
Dienstag von der Option, eine Pause einzulegen und zu einem späteren | |
Zeitpunkt zu verhandeln. (mit Agenturen) | |
24 Jan 2023 | |
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## AUTOREN | |
Jürgen Gottschlich | |
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