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# taz.de -- Kurdische Geflüchtete in Schweden: Eine App ist noch kein Terrorbe…
> Nach einer Gesetzesverschärfung können kurdische Flüchtlinge in Schweden
> leichter in die Türkei abgeschoben werden.
Bild: Demo des Demokratischen Kurdischen Gesellschafts-Zentrums in Stockholm, 2…
Stockholm taz | Schwedens oberster Gerichtshof hat am Donnerstag die von
der Türkei gewünschte Auslieferung zweier türkischer Männer gestoppt, die
als anerkannte Flüchtlinge in Schweden leben. Die Türkei hatte ihren Wunsch
mit der Mitgliedschaft der beiden in der Gülen-Bewegung als einer
„bewaffneten Terrororganisation“ begründet. Doch das Gericht hielt die
dafür vorgelegten Beweise für nicht ausreichend.
In dem vom Gerichtshof als „Präzedenzfall“ [1][veröffentlichten Beschluss]
geht es um einen 45-Jährigen, der 2019 mit der Begründung Asyl erhielt, er
riskiere politische Verfolgung, „weil ihn die türkischen Behörden als
Anhänger der Gülen-Bewegung sehen“. Die Türkei hatte im Oktober 2022 bei
Verhandlungen über Schwedens Nato-Beitritt die Auslieferung einer Reihe
namentlich genannter Personen gefordert, darunter auch die des 45-Jährigen.
Nach der bisherigen schwedischen Rechtslage hätte sich die Frage nach einer
Auslieferung vermutlich gar nicht gestellt. Eine Gesetzesverschärfung, die
am 1. Juni in Kraft trat, weitet nun die Definition dessen, was rechtlich
den Tatbestand der Förderung von Terroraktivitäten erfüllen soll, deutlich
aus. Mit der teils heftig kritisierten Gesetzesänderung wollte die
Regierung das am 28. Juni 2022 zwischen Finnland, Schweden und der Türkei
[2][geschlossene Abkommen] erfüllen, in dem der Türkei eine Unterstützung
beim Antiterrorkampf versprochen worden war.
Darauf bezog sich nun der oberste Gerichtshof. Eine Auslieferung wäre jetzt
eventuell möglich, wenn etwas, das die Türkei als Straftat ansehe, auch in
Schweden strafbar wäre, zum Beispiel Mitgliedschaft in einer bewaffneten
Terrororganisation. Doch dem schwedischen Gericht reichten die türkischen
Beweise für die „aktive Mitgliedschaft“ nicht: die Installation der
Mobil-App ByLock, über die Gülen-Mitglieder kommunizierten.
## KurdInnen in Schweden beunruhigt
In der Türkei gab es tatsächlich [3][Tausende von Strafverfahren] wegen der
Installation dieser App Auch der nun betroffene 45-Jährige wurde deshalb
2018 zu sechs Jahren Haft verurteilt.
Selbst mit der nun verschärften Antiterrorgesetzgebung müsse ein
schwedisches Gericht aber überprüfen, ob das, was in einem anderen Land zur
Strafbarkeit einer Handlung ausreiche, „generell auch aus schwedischer
Sicht akzeptabel ist“, schreibt das Gericht: „Installation und Anwendung
einer App allein begründet keine terroristische Straftat.“
Der jetzige Gerichtsbescheid, bei dem unzureichende Beweise eine
Auslieferung stoppen konnten, zeige, auf welch gefährliches Eis sich
Stockholm mit der verschärften Terrorgesetzgebung begeben habe, die einfach
die Terrordefinition eines anderen Landes übernehme, konstatieren erste
Kommentare. Schweden „legitimiert die türkische Terrorauffassung“, so der
ehemalige schwedische Botschafter in der Türkei, Michael Sahlin, wenn es
faktisch [4][international nicht als terroristisch eingestufte Gruppen wie
YPG, PYD oder die Gülen-Bewegung] Terrororganisationen gleichstelle.
Ein in Vilnius geschlossenes ergänzendes Abkommen, in dem sich Schweden
verpflichtet, die Zusammenarbeit mit der Türkei zur Terrorbekämpfung weiter
zu vertiefen, [5][verstärkt die Unruhe unter KurdInnen in Schweden]. Der
schwedisch-kurdische Autor Kurdo Baksi schreibt, Schweden habe einmal klar
auf Seite der Menschenrechte gestanden, nun vermittle es den Eindruck,
„mehr auf der Seite der Unterdrücker zu stehen“.
13 Jul 2023
## LINKS
[1] https://www.domstol.se/globalassets/filer/domstol/hogstadomstolen/avgorande…
[2] https://www.nato.int/nato_static_fl2014/assets/pdf/2022/6/pdf/220628-trilat…
[3] /Repressionen-in-der-Tuerkei/!5813473
[4] /Urteil-in-Strassburg/!5817362
[5] /Tuerkische-Journalisten-in-Schweden/!5855341
## AUTOREN
Reinhard Wolff
## TAGS
Schweden
Kurden
Gülen-Bewegung
Recep Tayyip Erdoğan
Stockholm
Schwerpunkt Pressefreiheit
Wahlen in der Türkei 2023
Nato
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