# taz.de -- Gender-Aktivistin über Frauenfußball: „Wir hören so viel über… | |
> Caitlin Fisher setzt sich für Spielerinnen in der Gewerkschaft FifPro | |
> ein. Die Kommerzialisierung des Frauenfußballs sieht sie durchaus | |
> kritisch. | |
Bild: Schottische Spielerinnen jubeln am Donnerstag nach einem Tor gegen Argent… | |
taz: Frau Fisher, zur WM wird wieder überall das Potenzial des | |
Frauenfußballs beschworen, selbst die Fifa hat jetzt eine | |
[1][Frauenfußball-Strategie]. Freuen Sie sich? | |
Caitlin Fisher: Wir hören so viel über Potenzial, aber oft ist das | |
gleichbedeutend mit wirtschaftlichem Potenzial. Höhere Gehälter, Social | |
Media, und ja, das ist wichtig. Aber eine entscheidende Frage ist: Zu | |
welchem Preis kommt diese Entwicklung? Wohin führt uns all das Geld? | |
Der Frauenfußball tappt in die Kommerzfalle? | |
Für Unternehmen ist Geschlechtergerechtigkeit heutzutage kluges Investment. | |
Dadurch verbessern sich aber nicht zwingend die Bedingungen für | |
Spielerinnen. Ein weiblicher Look etwa bringt mehr Sponsoren. Frauenfußball | |
ist vielleicht nicht so empowernd, wie wir glauben. | |
Sie sind bei der SpielerInnengewerkschaft FifPro tätig. Erklären Sie doch | |
kurz, was Sie machen. | |
FifPro wurde vor rund 50 Jahren für männliche Fußballer gegründet, und 2015 | |
kam der Frauenfußball dazu. Wir kooperieren mit Spielergewerkschaften in | |
vielen Ländern. Ein maßgebliches Problem ist, dass Spielerinnen ohne | |
Profistatus oft nicht in die nationale Gewerkschaft kommen. Wir wollen | |
Spielerinnen jetzt dazu verhelfen, oder ihnen, wo das nicht klappt, eine | |
direkte Mitgliedschaft bei FifPro ermöglichen, damit sie gehört werden. | |
Mit welchen Sorgen kommen Fußballerinnen zu Ihnen? | |
Wir hören viel über Infrastruktur, Ausrüstung, unzulässige Verträge, | |
fehlende Bezahlung. Aber auch über Platzzeiten, Transport, | |
Wettbewerbsstrukturen. Die irischen Frauen haben erzählt, dass sie sich in | |
den Toilettenräumen am Flughafen umziehen müssen, weil sie ihre | |
Trainingskleidung nicht mit nach Hause nehmen durften. Aber dahinter liegen | |
viel größere Themen: fehlende Sicherheit oder rechtlicher Schutz, | |
finanzielle Instabilität. Viele Frauen beenden ihre Karriere früher als | |
nötig. | |
Sie erwähnen gar nicht [2][Equal Pay]. Sind Gehaltsfragen gar nicht so | |
relevant für Sie? | |
Preisgelder sind ein wichtiger Aspekt und ein Thema, das in den Medien viel | |
Aufmerksamkeit bekommt. Aber es ist ein Mikrokosmos im weiten Feld der | |
Arbeitsbedingungen – es geht nicht nur um Geld. | |
Im Global Employment Report von 2017 schreibt FifPro, dass 90 Prozent der | |
befragten Spielerinnen den Fußballbetrieb frühzeitig verlassen würden, oft, | |
weil sie gern Kinder hätten. | |
Mutterschutz ist noch überhaupt kein Teil der Strukturen. Es ist sehr | |
schwer, mächtige Leute im Fußball davon zu überzeugen, dass Elternzeit | |
generell nötig ist. Kürzlich hat eine Läuferin von Nike öffentlich gemacht, | |
dass Schwangerschaft ihr Sponsoring ruinieren könnte. Das klingt ganz | |
anders als das ganze Empowerment-Märchen von Nike. | |
Nike ist andererseits ein großer Player, [3][der auch Frauenfußball | |
unterstützt]. Begibt man sich da in eine gefährliche Abhängigkeit? | |
Nike generiert wichtige Bilder, es ist ein zweischneidiges Schwert. | |
Grundsätzlich müssen wir aber viel größere Fragen stellen. Wie können wir | |
Frauenfußball entwickeln, ohne den hyperkommerziellen Männerfußball zu | |
imitieren? | |
Ich höre heraus, dass Sie sich nicht wünschen, dass Frauen in Zukunft für | |
222 Millionen Euro den Verein wechseln. Was wäre denn die Alternative? | |
Ich habe auch keine umfassende Antwort. Es fehlt der Branche aktuell an | |
Vorstellungskraft. Der Frauenfußball wurde so lange unterdrückt, dass | |
jetzt, wo wir endlich Unterstützung bekommen, ein Risiko besteht, von | |
dieser totalen Gleichstellungsvision mitgerissen zu werden. | |
Die FifPro ist doch selbst sehr aktiv in der Equal-Pay-Debatte. Das ist ein | |
Widerspruch. | |
Die FifPro unternimmt aber auch viel, um das Wachstum des Fußballs zu | |
hinterfragen. Derzeit arbeiten wir an einer wirtschaftlichen Analyse des | |
Frauenfußballs, wo es unter anderem darum geht, ob das Investment die | |
Arbeitsbedingungen verbessert. | |
Aber braucht man überhaupt 400 Millionen Dollar für eine WM? | |
Man könnte argumentieren, dass die Männer das WM-Preisgeld nicht brauchen. | |
Sie haben ihre großzügigen Klubgehälter, sie sind bestens versorgt. | |
Andererseits ist leicht nachweisbar, dass die Frauen es brauchen. Wir | |
könnten Preisgelder über einen Zeitraum von vier Jahren an die 24 WM-Teams | |
verteilen, um anständige, stabile Profikarrieren zu ermöglichen. Wir | |
könnten auch einen solidarischen Topf aufmachen für die Teams, die nicht | |
bei der WM dabei sind. Wir müssen überlegen, wie wir kreativ neu verteilen. | |
Sehen Sie wirklich kommen, dass die Fifa so was tun würde? | |
Es würde viel Druck seitens der Spielerinnen erfordern, aber es könnte | |
funktionieren. | |
Die FifPro wurde von Männern für Männer gegründet. Gibt es dort Widerstände | |
gegen allzu viel Engagement für Frauenfußball? | |
Natürlich. Gewerkschaften sind häufig männerdominiert, und Fußball ist | |
männerdominiert. Aber viele nationale Gewerkschaften sind Kämpfer, und | |
sobald sie die Themen bewusst wahrnehmen, stehen sie hinter den Frauen. | |
Obwohl die Themen im Frauenfußball für viele neu sind, sind die meisten | |
sehr offen und treten mit für uns ein. Das ist ermutigend. | |
21 Jun 2019 | |
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[1] /Uefa-Papier-zum-Frauenfussball/!5601325 | |
[2] /Pro-und-Contra-Equal-Pay/!5601360 | |
[3] /Kolumne-Pressschlag/!5579746 | |
## AUTOREN | |
Alina Schwermer | |
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