| # taz.de -- Kolumne Frauen-WM: Die Verachtung kroatischer Kerle | |
| > Gegen Frauenfußball wird meistens anonym polemisiert. Mancherorts kennt | |
| > man solche Versteckspiele kaum. Das ist anstrengend, aber auch gut. | |
| Bild: Typisch Frauenfußball? Die US-Spielerinnen haben kein Erbarmen mit ihren… | |
| „Das ist gegen die Ehre“, sagt Johnny sehr ernsthaft. „So was tut man | |
| nicht.“ Johnny ist ein Kumpel meines kroatischen Mitbewohners, der sich auf | |
| Besuch hier von seinem Dasein als Investmentbanker erholt, und | |
| Frauenfußball findet er völlig unverständlich. Also, dass Frauen Fußball | |
| spielen. Ein WM-Spiel sah er gewissermaßen versehentlich in einer Bar, das | |
| 13:0 der US-Amerikanerinnen. Das Ergebnis bestätigte ihn in allem, was er | |
| befürchtet hatte, und er empfand es als Ehrverstoß. „Männer haben einen | |
| Gentlemenkodex, und der besagt, dass man auf einen geschlagenen Gegner | |
| nicht drauftritt. Männer tun so etwas nicht.“ | |
| Mir ist da irgend so ein 7:1 der Deutschen gegen Brasilien bei irgendeiner | |
| WM in Erinnerung, aber nein, das sei anders, Löw habe die Jungs zur Pause | |
| zurückgepfiffen. „Wir sind aber nicht frauenfeindlich“, fügt mein | |
| Mitbewohner Mate noch sicherheitshalber hinzu, mit etwas zu viel Grinsen. | |
| Bei dieser WM trifft man vor Ort eigentlich so im Allgemeinen auf nicht gar | |
| so viel Spott. Die Wachleute fragen nett nach, wer denn heute hier | |
| trainiere oder wie denn das Spiel X ausgegangen sei. Ob sie das wirklich | |
| meinen, die Männer und Frauen? Wer öffentlich etwas gegen Frauenfußball | |
| sagt, kann mit Empörung rechnen, und das verhindert viel Diskussion. Man | |
| lobt oder man schweigt. Bloß in den anonymen Kommentarspalten, in privaten | |
| Runden und Online-Echokammern bricht sich die Verachtung Bahn. Schade, | |
| reden bildet. | |
| Kroatien ist wohl von solchen Zuständen unberührt. Da sagt man ganz offen, | |
| dass man Frauenfußball affig findet. Die beiden sind sich einig. Dass | |
| selbst diese gebildeten, gutverdienenden Endzwanziger kickende Frauen so | |
| unverhohlen verachten, na gut, überrascht mich in dem Ausmaß dann doch. | |
| ## Zementiertes Weltbild | |
| „Wie sieht es eigentlich aus, wenn elf Frauen hinter einem Ball her | |
| rennen?“, fragt Johnny mich irgendwann am nächsten Nachmittag süffisant. | |
| So, wie es bei elf Männern aussieht, sage ich ihm. Die Antwort findet er | |
| doof, er hatte sich anderes erhofft. In Kroatien finde jeder Frauenfußball | |
| völlig lächerlich. Früher habe er sich auch darüber lustig gemacht, aber | |
| heute – ich warte auf die Pointe – „naja, heute eigentlich immer noch.“ | |
| Er nehme aus Prinzip keine Frau mit ins Stadion, das sei Tradition, und | |
| außerdem erklärt er: „Ich bin noch nie einer Frau begegnet, die Ahnung von | |
| Fußball hatte.“ Das irritiert mich dann schon ein bisschen, immerhin haben | |
| wir die halbe letzte Nacht über Fußball diskutiert. Na ja, ich zähle wohl | |
| nicht fürs Weltbild. | |
| Vielleicht, sage ich, ändert sich Kroatien ja auch, so in hundert Jahren. | |
| Vielleicht. Mate schaltet sich ein. „Wieso wir? Vielleicht ändert sich ja | |
| Deutschland irgendwann.“ Wir reden noch eine Weile, und keiner wird seine | |
| Meinung ändern und keiner einknicken, und es ist einerseits spannend und | |
| andererseits zwecklos, und ich bin trotzdem froh drum. | |
| 18 Jun 2019 | |
| ## AUTOREN | |
| Alina Schwermer | |
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