# taz.de -- Argentinische Nationalspielerinnen: Defensive für den Fortschritt | |
> Argentinien hat sich bei dieser WM aufs Verteidigen verlegt. Die | |
> Defensivstrategie ist relativ erfolgreich, wird aber in ihrer Heimat | |
> kritisiert. | |
Bild: Im Flug – Argentiniens Torhüterin Vanina Correa wehrt einen Torschuss … | |
Buenos Aires taz | 150 Minuten lang hielt Argentiniens Torhüterin Vanina | |
Correa ihren Kasten bei der WM sauber. Dann musste sie erstmals hinter sich | |
greifen. Bezeichnenderweise fiel das Tor nach einem der seltenen Angriffe | |
ihrer Mitspielerinnen, auf den die Engländerinnen mit einem schnellen | |
Konter reagierten: 0:1. | |
Zuvor hatten die Argentinierinnen ihr [1][Auftakt-Null-Null gegen Japan] | |
wie einen Sieg gefeiert. Damit hatten sie den ersten Punkt für Argentinien | |
bei einer Frauen-WM überhaupt errungen. Nach 2003 und 2007 sind die | |
Argentinierinnen erst zum dritten Mal dabei. Neben Brasilien und Chile | |
hatten sie sich als Team aus Südamerika qualifiziert – wieder mit Trainer | |
Carlos Borrello, der auch 2007 auf der Bank saß, als es im Auftaktspiel | |
eine 0:11-Klatsche gegen Deutschland setzte. | |
Der WM-Rekord hielt bis Dienstag vergangener Woche, als Thailand 0:13 gegen | |
die USA verlor. Möglicherweise wegen solcher Erfahrungen hat Borrello | |
seinem Team in Frankreich eine extrem defensive Spielweise verordnet. Dass | |
es auch anders geht, bewiesen die vorherigen Quali-Spiele gegen Panama. Dem | |
4:0-Heimsieg folgte ein 1:1 am Kanal. | |
So stößt Borrellos Defensivtaktik zu Hause auch auf Kritik. „Argentinien | |
hat sein Potenzial bisher gar nicht gezeigt, denn wir haben technisch gute | |
Stürmerinnen“, sagt Trainer Germán Portanova vom Klub UIA Urquiza. Der | |
Verein stellt 6 der 23 Spielerinnen in Frankreich. „Mit denen, die jetzt im | |
Ausland spielen, sind es sogar acht“, sagt Portanova. Fünfmal hat UIA | |
Urquiza in diesem Jahrzehnt die argentinische Meisterschaft gewonnen. | |
## „Noch vor fünf Jahren war alles anders“ | |
Damit hat der Club aus dem Großraum von Buenos Aires die Vorherrschaft der | |
großen Hauptstadtclubs wie Boca Juniors, River Plate und San Lorenzo | |
gebrochen. „Auswärts gegen River 4:0 und zu Hause gegen Boca 4:0, das waren | |
die entscheidenden Siege“, so Portanova. International stünden die Vereine | |
im Ranking aber weit unten. „Noch nie hat ein Club aus Argentinien die Copa | |
Libertadores, die südamerikanische Variante der Champions League, | |
gewonnen.“ Brasilien sei weit voraus, auch Chile und Kolumbien, dort würden | |
sie schon im Mädchenalter gegen den Ball treten. | |
„Unsere Nationalspielerinnen konnten erst mit 18 Jahren mit einem seriösen | |
Training beginnen. Inzwischen gibt es lokale Meisterschaften aber schon für | |
Neunjährige“, sagt Portanova und unterstreicht, dass Argentiniens | |
Frauenfußball nicht nur technisch einen Sprung gemacht hat. „Noch vor fünf | |
Jahren war alles anders. Seither hat die Diskriminierung immens | |
nachgelassen.“ | |
Dass die Frauen im Macho-Fußballland Argentinien selbstbewusster gegen den | |
Ball treten, hat seine Ursache in der seit Jahren stark [2][wachsenden | |
Frauenbewegung], die sich in großen Protestmärschen gegen Männergewalt und | |
für das Recht auf eine sichere Abtreibung öffentlich zeigt. So überrascht | |
es auch nicht, dass im Spiel gegen Panama Sprechchöre auf den Rängen | |
„Aborto legal, en el hospital – Legale Abtreibung im Krankenhaus“ | |
einforderten und Spielerinnen wie Torfrau Correa sich mit grünem Halstuch, | |
dem Symbol der Befürworterinnen, zeigen. | |
## Anerkennung als Profispielerin | |
Als der Gesetzentwurf für einen Schwangerschaftsabbruch Ende Mai im | |
Kongress eingereicht und von einer großen Menschenmenge vor dem | |
Kongressgebäude begleitet wurde, steckten junge Frauen ein kleines Rechteck | |
ab und ließen den Fußball rollen. Mit dabei: Macarena Sánchez. | |
Sie schaffte zwar nie den Sprung in die Nationalmannschaft, aber im Einsatz | |
für die Professionalisierung des argentinischen Frauenfußballs hat sie | |
schon jetzt ihren Platz in der Geschichte. Acht Jahre hat sie erfolgreich | |
für UIA Urquiza gekickt, bis ihr Trainer Portanova Anfang 2019 mitteilte, | |
dass er sie zukünftig nicht mehr berücksichtigen könne. Während es für den | |
Trainer eine sportliche Entscheidung war, empfand es Sánchez als Rauswurf. | |
In einem offenen Brief forderte sie nicht nur vom Verein und vom nationalen | |
Fußballverband AFA die offizielle Anerkennung ihres Arbeitsverhältnisses | |
als Fußballspielerin. „Es war bereits viel in Bewegung, aber Macas Brief | |
hat alles beschleunigt,“ sagt Portanova. Im März kündigte [3][AFA-Präsident | |
Claudio Tapia] die Einrichtung einer Frauenprofiliga ab der kommenden | |
Saison mit 16 Clubs an, deren Spielerinnen ordentliche Verträge erhalten | |
sollen. Bei San Lorenzo, Sánchez’ neuem Club, haben sie das bereits | |
umgesetzt. | |
18 Jun 2019 | |
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## AUTOREN | |
Jürgen Vogt | |
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