# taz.de -- Geiseln in Mali frei: 15 Monate verschwunden | |
> Eine Kanadierin und ein Italiener wurden Ende 2018 in Burkina Faso | |
> verschleppt. Jetzt wurden sie der UN-Mission in Mali übergeben. | |
Bild: MINUSMA-Chef Saleh begrüßt die freigelassenen Geiseln in Bamako | |
Bamako taz | Die Bilder haben sich am Samstagnachmittag in Malis Hauptstadt | |
Bamako schnell verbreitet. Auf einem stehen die Kanadierin Édith Blais und | |
ihr italienischer Freund Luca Tacchetto vor einem weißen UN-Flugzeug. Auf | |
einem anderen schütteln sie Malis Präsident Ibrahim Boubacar Keïta die | |
Hände. Die Augen der 36-jährigen sind ausdruckslos und der Blick starr. Ihr | |
32-jähriger Freund lächelt gequält in die Kamera. | |
Die beiden haben 15 Monate Geiselhaft hinter sich, vermutlich in der Hand | |
radikaler Islamisten, über die es aber bisher keine weiteren Informationen | |
gibt. Nach Angaben der UN-Mission in Mali (MINUSMA) wurden die beiden am | |
Freitag in Kidal – in die Stadt im Norden ist die malische Armee nach | |
jahrelanger Abwesenheit erst vor wenigen Wochen zurückgekehrt – von | |
Blauhelmsoldaten gefunden. Zu den Umständen hält man sich völlig bedeckt. | |
Es heißt nur, dass es ihnen „wirklich gut gehe“, so Missionschef Mahamat | |
Annadif. Vor ihrem Flug nach Bamako verbrachten sie die Nacht im | |
MINUSMA-Camp in Kidal. | |
Die Reisenden waren im Dezember 2018 im Südwesten von [1][Burkina Faso] | |
veschwunden, in der Nähe der Stadt Bobo-Dioulasso. Mit dem Auto wollten sie | |
erst in die Hauptstadt Ouagadougou und von dort nach Togo fahren, um in | |
einem Hilfsprojekt mitzuarbeiten. Das fragliche Gebiet gehört nicht zu den | |
von islamistischen Angriffen betroffenen Zonen, keine im Sahel operierende | |
Terrorgruppe übernahm damals die Verantwortung. | |
Im März 2019 ging die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) | |
davon aus, dass sie nach Mali verschleppt wurden. Sechs Monate später sagte | |
Kanadas Außenministerin Chrystia Freeland, dass die Entführten leben. Mehr | |
Details dragen seitdem nicht an die Öffentlichkeit. Unter einem virtuellen | |
Fotoalbum auf der Facebook-Seite von Édith Blais erinnerten Freund*innen | |
jedoch regelmäßig an sie. | |
Wie viele Menschen im Sahel in den vergangenen Jahren entführt worden sind, | |
darüber führt niemand genau Buch. Nach einem aktuellen Bericht von Control | |
Risks, ein Londoner Risikoberatungsunternehmen, werden in Afrika südlich | |
der Sahara 78 Prozent der Entführungen von kriminellen Gruppierungen | |
durchgeführt und nur vier Prozent von islamistischen Terrorgruppen direkt. | |
Allerdings verkaufen Entführer gerne ihre Opfer weiter. | |
Deutlich wird noch etwas anderes: Betroffen ist vor allem die lokale | |
Bevölkerung. 2018 waren nur sieben Prozent der Entführten Ausländer. Aber | |
Entführungen von Ausländern erregen internationale Aufmerksamkeit, mit | |
ihnen lässt sich Geld erpressen. | |
Entführungen von Einheimischen hingegen machen kaum Schlagzeilen. Erst | |
Mitte Februar wurden in der Region Sahel in Burkina Faso sieben Menschen | |
entführt, von denen fünf – darunter ein Pastor – wenige Tage später | |
ermordet aufgefunden wurden. In Mali wurde Anfang des Jahres der Chef eines | |
Dorfes gekidnappt. Im Oktober 2019 bestätigte die malische Regierung die | |
Entführung von sechs Lehrer*innen in der Region Mopti. | |
Unter den internationalen Opfern sind oft Mitarbeiter*innen | |
nichtstaatlicher Organisationen. In [2][Niger] wurde im April 2018 in der | |
Nähe von Ayorou beispielsweise ein deutscher Mitarbeiter von Help entführt. | |
„Von Organisationsseite musste erst einmal die Entscheidung getroffen | |
werden, ob wir in diesem Kontext überhaupt weiterarbeiten können und | |
wollen“, so Karin Settele, Geschäftsführerin der Hilfsorganisation mit Sitz | |
in Bonn. Help habe sich dazu entschieden und die Arbeit „in den Ländern | |
Tschad, Mali, Niger und Burkina Faso ausgebaut“ – weil „bedingt durch | |
Terror und Unruhen zunehmend mehr Menschen auf Hilfe angewiesen sind.“ | |
Häufig werden auch christliche Missionare entführt. So wurde bereits 2016 | |
in der Kleinstadt Abalak in Niger Jeffery Ray Woodke, ein Missionar, der | |
für die lokale Organisation JEMED arbeitete und seit mehr als 20 Jahren im | |
Land war. Im Herbst 2019 sagte Nigers Präsident Mahamadou Issoufou, Woodke | |
sei noch am Leben. | |
15 Mar 2020 | |
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## AUTOREN | |
Katrin Gänsler | |
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