# taz.de -- G7-Treffen auf Schloss Elmau: Russland schuld an Hunger | |
> Hilfsorganisationen halten das Engagement der G7-Staaten gegen die | |
> Nahrungskrise für unzureichend – und erinnern an deren gebrochene | |
> Versprechungen. | |
Bild: Ein Weizenfeld in der Nähe von Saporischschja unter russischer Kontrolle… | |
ELMAU taz | EU-Ratspräsident Charles Michel hat auf dem [1][G7-Gipfel] in | |
Elmau Russland für die globale Ernährungskrise verantwortlich gemacht. Er | |
sprach mit Blick auf die russische Blockade ukrainischer Schwarzmeerhäfen | |
von „Hungerspielen Russlands“. Tatsächlich waren die Ukraine und Russland | |
bis zum Beginn von Putins Angriffskrieg die größten Weizenexporteure | |
weltweit. Bis dahin deckten sie knapp ein Drittel des globalen Bedarfs ab. | |
Weil Russland die ukrainischen Häfen blockiert, kann Getreide nur zu einem | |
geringen Teil exportiert werden. Moskau verhindere auf diese Weise die | |
Ausfuhr von rund 20 Millionen Tonnen Weizen, sagte Michel. | |
Die Entwicklungsorganisation [2][Oxfam] weist aber darauf hin, dass die | |
Lage für viele Länder des Globalen Südens schon vor Kriegsbeginn dramatisch | |
war. Nach Jahrzehnten sinkender Armut sei die Zahl der in extremer Armut | |
lebenden Menschen während der Pandemie „dramatisch um über 100 Millionen“ | |
angestiegen, sagte Max Lawson von Oxfam. Die Krise in der Ukraine habe die | |
Preisinflation bei Nahrungsmitteln und Energie nur noch einmal „massiv | |
beschleunigt“. Was Lawson zugleich empört: Die Krisen haben „sehr große | |
Gewinner hervorgebracht“. Seit Beginn der Pandemie gebe es 62 neue | |
Lebensmittel-Milliardäre. | |
Unternehmen weltweit hätten während der Pandemie 480 Milliarden Dollar an | |
überschüssigen Profiten gemacht. Eine einmalige Steuer auf diese Gewinne | |
könnte den Welthunger beenden. Die Welthungerhilfe kommt zu einem negativen | |
Urteil. „Seit über einem Jahrzehnt entfalten die Initiativen der G7-Staaten | |
zur Hungerbekämpfung nur eine schwache Wirkung.“ | |
Wie dramatisch die Lage in vielen Ländern des Globalen Südens inzwischen | |
ist, hat das [3][UN-Welternährungsprogramm] zusammengefasst: Aktuell | |
stünden 50 Millionen Menschen weltweit kurz vor einer Hungersnot. Als | |
katastrophal schätzt die UN-Organisation die Lage vor allem in Ostafrika | |
ein, namentlich in Äthiopien, Somalia und dem Südsudan. Aber auch in | |
Nigeria, im Jemen und in Afghanistan sei die Lage dramatisch. 750.000 | |
Menschen in besonders betroffenen Ländern droht dem Bericht zufolge der | |
Hungertod. Fast ein Zehntel der Weltbevölkerung lebt mit weniger als 1,90 | |
US-Dollar pro Tag und damit in extremer Armut. | |
G7-Gastgeber Olaf Scholz hat am Montag auch die Staats- und Regierungschefs | |
der fünf Schwellen- und Entwicklungsländer Indien, Indonesien, Südafrika, | |
Senegal und Argentinien zur G7-Runde geladen, um mit ihnen über die globale | |
Ernährungssicherheit zu beraten. UN-Generalsekretär António Guterres war | |
aus New York zugeschaltet. Konkret geht es um die Frage, wie Getreide aus | |
der Ukraine exportiert werden kann. Falls die UN-Verhandlungen mit Russland | |
zur Blockade der Schwarzmeerroute scheitern sollten, wollen die G7 den | |
Export auf dem Landweg über Polen und Rumänien verstärken. | |
## Es fehlt nicht an Geld – aber für andere Dinge | |
Hilfsorganisationen halten das für unzureichend. Die NGO Global Citizen | |
erinnert daran, dass die G7 sich schon 2015 darauf geeinigt hätten, 0,7 | |
Prozent ihrer Wirtschaftskraft für Entwicklungs- und humanitäre Hilfe | |
bereitzustellen. Dieses Ziel sei bis heute nicht eingehalten worden. | |
Dass Geld aufgetrieben werden kann, wenn der politische Wille da ist, | |
beweist eine andere Initiative, die die G7-Regierungschefs auf Betreiben | |
der USA am Sonntag vorgestellt haben: Die gigantische Summe von 600 | |
Milliarden Dollar wollen die sieben Industrieländer für ein umfassendes | |
Investitionsprogramm in den nächsten fünf Jahren bereitstellen, um | |
Infrastrukturprojekte in ärmeren Ländern zu finanzieren. Die Initiative mit | |
dem Namen „Partnerschaft für Globale Infrastruktur“ solle „hochwertige u… | |
nachhaltige Infrastruktur ermöglichen“, teilte US-Präsident Joe Biden mit. | |
Allein die USA würden davon 200 Milliarden Dollar an öffentlichen und | |
privaten Mitteln bereitstellen, „Team Europe“ 300 Milliarden, versprach | |
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. | |
Die G7-Initiative kann als Gegenprogramm zur sogenannten „Neuen | |
Seidenstraßen“-Initiative verstanden werden, mit der China darum bemüht | |
ist, mit dem Bau von Schienen, Straßen, Häfen, Pipelines und Stromleitungen | |
Entwicklungsländer stärker an sich zu binden. Nun ziehen die westlichen | |
Industrieländer nach. | |
27 Jun 2022 | |
## LINKS | |
[1] /G7-Gipfel-in-Elmau/!5862858 | |
[2] https://www.oxfam.de/ | |
[3] https://de.wfp.org/?_ga=2.223993691.1311681747.1622732891-2093594419.162273… | |
## AUTOREN | |
Felix Lee | |
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