# taz.de -- Fußballabenteuer in der Kreisklasse: Kiez-Kicker auf Pokalkurs | |
> Nach Elfmeterduell gegen den Harburger SC scheint für den kleinen FC | |
> Hamburger Berg der DFB-Pokal erreichbar. | |
Bild: Arbeiten am Aufstieg in die Kreisliga: Trainer und Spieler des FC Hamburg… | |
HAMBURG taz | Schon so manchen Rekord hat der [1][FC Hamburger Berg] | |
aufgestellt. Sogar Weltrekorde hat der Verein aufgestellt, der nach der | |
Straße Hamburger Berg benannt ist, einer Nebenstraße der Reeperbahn, in der | |
viele Mitgründer zum Teil als Türsteher arbeiteten: 2016 hat er gegen den | |
VfL Wallhalben [2][111 Stunden lang Fußball gespielt], 2018 brachten 4.000 | |
Kilometer Balldribbling Tausende Euro für bedürftige Kinder ein. Der dritte | |
Weltrekord, noch geheim, soll folgen – und ukrainischen Geflüchteten | |
zugutekommen. Vorher aber hat der „kleinste Fußballverein der Welt“ (so der | |
Slogan des 2014 gegründeten Klubs aus Kreisklasse 8) ein weiteres | |
Fußballabenteuer erlebt. | |
Im Achtelfinale des Lotto-Pokals empfing an am Sonntag den Harburger SC auf | |
dem Sportplatz an der Wichmannstraße in Hamburg-Bahrenfeld. Und nach dem | |
Sieg über den Tabellenzweiten der Bezirksliga 5, also immerhin zwei | |
Spielklassen höher,) mit 7:6 nach Elfmeterschießen, ist der FC Hamburger | |
Berg nur noch drei Spiele von der DFB-Pokal-Hauptrunde entfernt; an der | |
nimmt der jeweilige Hamburger Pokalsieger teil – und die Losfee könnte dann | |
sogar den FC Bayern München als Gegner bescheren. | |
Ein lustiger Konjunktiv? Ralph Hoffmann, Vorsitzender und Trainer in | |
Personalunion, glaubt [3][im Pokal] gegen jeden eine „50:50-Chance“ zu | |
haben. Nehmen wir den Eimsbütteler TV – ungeschlagen auf dem Weg in die | |
höchste Hamburger Klasse, die Oberliga – und den Bezirksligisten | |
Heidgrabener SV: Gegen den ETV spielte Hamburger Berg 0:0, im | |
Elfmeterschießen hielt Torwart Patrick Antwi da vier gegnerische Bälle. Und | |
die Heidgrabener verloren im Januar 1:2 gegen Hoffmann und die Seinen; nach | |
Toren von Morike Sako und Najimu Mohammed. Damals sagte der | |
Abteilungsleiter des Gegners: „Schwer zu glauben, dass diese Mannschaft in | |
der Kreisklasse spielt.“ Also der niedrigsten überhaupt. | |
Aber der FC Hamburger Berg ist ohnehin kein normaler Verein. Für ihn | |
spielen Spieler aus mehr als 20 Nationen. Und dass der Franzose Morike | |
Sako, 40, dabei mitmischt, ehemaliger Profi beim FC St. Pauli und bei | |
Arminia Bielefeld hat auch mit dem Motto des kleinen Klubs zu tun: | |
„Refugees are welcome“. Neben vielen ausländischen Talenten ist er in | |
wichtigen Spielen Garant für spielerische Klasse. | |
Der 2,02 Meter große Angreifer, den der damalige Mitspieler und heutige | |
St.-Pauli-Trainer Timo Schultz einst als „Edeltechniker, gefangen im Körper | |
eines Storches“, beschrieb, hatte 2015 seine Karriere beim 1. SC | |
Norderstedt eigentlich schon beendet. Jetzt spielt er zwar nicht | |
regelmäßig, dennoch lobt Hoffmann, Sako sei noch immer „sehr diszipliniert�… | |
und ordne das Spiel. | |
Doch die eigentliche Besonderheit des Klubs ist nicht allein der Blick auf | |
ungewöhnliche Weltrekorde. Oder die Teilnahme am „Harzer Grümpl“, ein | |
Turnier in der Schweiz auf einem Fußballplatz, der so bergig ist wie die | |
Gegend drum herum. Es ist auch nicht allein eine Partie gegen den FC | |
Bundestag. Es ist das [4][Engagement für Geflüchtete]. | |
2015 sei der Klub wie eine „Sozialstation“ gewesen, erinnert sich Hoffmann. | |
Da standen auch mal 100 Leute auf dem Sportplatz. Man kümmerte sich um | |
Winterkleidung, erledigte Behördengänge, knüpfte Beziehungen zu | |
Krankenhäusern und, wegen des Deutschunterrichts, Schulen; aber etwa auch | |
zur Deutschen Bahn, um an günstige Fahrkarten zu gelangen. Später kam | |
deshalb sogar eine Einladung vom Bundespräsidenten. Ralph Hoffmann zählt | |
einige Länder auf, aus denen Spieler des FC Hamburger Berg kommen: Gambia, | |
Ghana, Afghanistan, Iran, Irak, Südkorea, Vietnam, Argentinien, Uruguay, | |
Bosnien, aber auch Griechenland, Italien und, eben, Frankreich. | |
Jetzt arbeitet der Verein auch am Aufstieg in die Kreisliga. Derzeit ist | |
der FC Dritter. Allerdings wurde das Spitzenspiel am vorvergangenen | |
Wochenende beim Tabellenführer Eintracht Lokstedt kurz vor Schluss | |
abgebrochen: Hoffmann beorderte das Team vom Feld, weil man sich | |
„benachteiligt“ fühlte, wie er sagt. Ob da Rassismus im Spiel war, wollte | |
er nicht verraten. Die Sache wird vor dem Sportgericht verhandelt. | |
Das vorerst größte Spiel wurde am Sonntag leider [5][ohne Zuschauer | |
angepfiffen]. Man wollte trotz der Coronalockerungen „jedes Risiko | |
minimieren“, sagt der sonst so mutige Vorsitzende, der zudem einen weiteren | |
Wunsch hat: Er hätte gern irgendwann einen Sportplatz auf St. Pauli als | |
Heimat. Bisher sind die Plätze im Stadtteil aber derart überlastet, dass | |
der FC froh war, in Bahrenfeld unterzukommen. | |
20 Mar 2022 | |
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## AUTOREN | |
Jörg Marwedel | |
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