# taz.de -- Frauen im Kricket: Wie eine Batterin Indien veränderte | |
> Mithali Raj ist hierzulande unbekannt, auf dem Subkontinent eine Art | |
> Nationalheldin des Frauenkricket. Nach 23 Profijahren beendet sie ihre | |
> Karriere. | |
Bild: Kricketprofi Mithali Raj (re.) am Bat | |
Geschafft hat man es wahrscheinlich, wenn man sein Karriereende ankündigt | |
und in der BBC schillernde Elogen erscheinen. Geschafft hat man es ganz | |
sicher, wenn pünktlich zum Karriereende auch noch ein Bollywood-Biopic | |
erscheint. Die indische Kricketspielerin Mithali Raj, hierzulande | |
unbekannt, auf dem Subkontinent eine Art Nationalheldin des Frauensports, | |
hat es unzweifelhaft geschafft. | |
Als sie im Juni ihre 23 Jahre umspannende Karriere im Alter von 39 Jahren | |
beendete, wurden all die Zahlen noch mal in Erinnerung gerufen: 333 Partien | |
für Indien in allen Wettbewerben, Weltrekordhalterin mit insgesamt 10.868 | |
erlaufenen Runs, die erste indische Kapitänin, die das Team in zwei | |
WM-Finals führte (wenngleich sie, einziger Makel ihrer Karriere, keinen der | |
WM-Titel holte). | |
Vor allem aber teilte sie das indische Kricket der Frauen in eine Zeit vor | |
und eine Zeit nach Raj. Als Mithali Raj begann, betrieb sie einen | |
Amateursport, den kaum jemand beachtete – nicht einmal Aufnahmen existieren | |
von den ersten Jahren ihrer Karriere. Als sie aufhört, sind die Frauen Teil | |
des Männerverbands, haben Verträge und sollen im März eine Women’s IPL | |
starten. | |
Die begnadete Batterin, berühmt für ihre präzise Technik, ist vielleicht | |
nicht so sehr Auslöserin, sondern eher prominentestes Gesicht des Wandels. | |
Indien veränderte sich und Raj war vorne mit dabei. Im ganzen Land bekannt | |
wurde sie, als sie einmal auf die Frage nach ihrem liebsten männlichen | |
Kricketspieler erwiderte: „Würden Sie auch einen Mann nach seiner liebsten | |
Spielerin fragen?“ Das saß, und machte sie berühmter als jeder Run. | |
## Kein Underdog | |
Ein Underdog ist Raj keineswegs. Aus privilegiertem Soldatenhaushalt und | |
mit unterstützenden Eltern, war ihr Aufstieg keine Aschenputtelstory. Sie | |
wurde sogar eher zum Kricket geschleppt: Der gestrenge Papa wollte nicht, | |
dass Mithali faul im Bett liege, und nahm sie mit zum Krickettraining des | |
Bruders. Dort sollte sie freilich bloß zusehen – bis ihr Talent auffiel. | |
Fortan trainierte ein Coach Mithali Raj ab 4 Uhr morgens bis zu sechs | |
Stunden im Schulkorridor, mit recht eigenwilligen Mitteln. „Der Sir schlug | |
mich mit dem Stock, wenn der Ball die Wände berührte.“ Offenbar fand Raj | |
trotzdem Gefallen an dem Sport. | |
Abseits des Platzes gilt die Sportlerin als eher introvertiert. Taapsee | |
Pannu, die Schauspielerin, die im Biopic Mithali Raj verkörpert, erzählte | |
im Interview: „Sie ist sehr gelassen, sehr still, sie zeigt wenig | |
Emotionen. Sie sagt: Ich möchte nicht, dass mein Gegenüber weiß, was ich | |
fühle. Sie ist schwer zu durchschauen.“ Für den öffentlichen Diskurs spielt | |
sie trotzdem eine Rolle. Sei es, dass Raj bei Twitter offen den | |
hindunationalistischen Premier Narendra Modi unterstützt, den sie für | |
„wahrhaftig inspirierend“ befindet. Sei es, dass ihre Mutter öffentlich | |
über die Ehe spricht und betont, sie habe Mithali nie gedrängt, zu heiraten | |
– in Indien durchaus ein Statement. | |
So fehlen im Film „Shabaash Mithu“ denn auch Lovestory und Liebeslieder; | |
zur Begründung heißt es, die Sportlerin habe für Romantik schlicht keine | |
Zeit gehabt. Ob es nun einfach ein schlechter Film ist oder man doch noch | |
keine unromantischen Sportlerinnenleben im Kino sehen will: „Shabaash | |
Mithu“ ist an den indischen Kinokassen böse gefloppt. Mithali Raj kann es | |
gleich sein, sie genießt nun erst mal ihren Ruhestand. Das wiederum freut | |
die Mutter: „Ich bin sehr glücklich mit der Entscheidung. Wenn man einmal | |
die Spitze erreicht hat, gibt es immensen Druck. Dieser Druck und die | |
Verletzungen waren nicht leicht für sie. Und ich wollte nicht, dass sie das | |
durchstehen muss.“ Die Tochter machte das trotzdem stoisch 23 Jahre lang. | |
21 Sep 2022 | |
## AUTOREN | |
Alina Schwermer | |
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