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# taz.de -- Erfinderinnen des Sport-BHs: Verzwickte Angelegenheit
> Vor erst 44 Jahren wurde der erste Sport-BH angeboten. Die Pionierinnen
> mussten bei ihrer so nützlichen Erfindung männliche Widerstände
> überwinden.
Bild: Vorteile des Sport-BHs
Schuhe, Shirts, Hosen – Kleidungsstücke, die speziell beim Sport getragen
werden, gibt es gefühlt seit Ewigkeiten. Der erste Sport-BH wurde dagegen
erst vor rund 44 Jahren angeboten, und das auch nur, weil drei Pionierinnen
das schmerzhafte Brüstebaumeln beim Joggen satthatten.
Alles begann mit einem Telefonat der Schwestern Victoria Woodrow und Lisa
Lindahl im Jahr 1977. Jogging war immens populär geworden, und Victoria
hatte den Trendsport nach einigem Zögern auch ausprobiert. Besonders
begeistert war sie vom Gesamterlebnis jedoch nicht: „Was ziehst du dabei
für einen BH an“, fragte sie deswegen bei der joggingerfahrenen Lisa nach,
„dieses ständige Herumgehüpfe der Brüste ist doch echt nicht komfortabel�…
Rasch stellte sich heraus, dass es kein sportgeeignetes Modell gab – obwohl
viele Frauen über ähnliche Probleme wie Victoria klagten. Im Prinzip müsste
jemand so eine Art Suspensorium für Brüste erfinden, scherzten sie.
Lisa Lindahl legte eine Liste mit Anforderungen an den optimalen Sport-BH
an: Die Träger durften nicht über die Schultern rutschen, der Stoff keine
harten Teile enthalten, die zwicken oder sich in die Haut bohren konnten,
und außerdem sollten die Brüste am Herumhopsen gehindert werden.
Als ihr Mann eines Tages aus Spaß seine beim Sport gebrauchten Jockstraps,
von elastischen Bändern gehaltene Beutelbandagen zum Schutz der Hoden, über
den Oberkörper zog, erkannte Lindahl, dass der optimale Sport-BH ähnlich
aufgebaut sein müsste. Zusammen mit der Kostümdesignerin Polly Smith und
deren Assistentin Hinda Schreiber machte sie sich an die Arbeit. Schreibers
Vater lieh dem Trio 5.000 Dollar, und schon 1978 wurden die ersten
„Jogbra“-Exemplare verkauft.
## Weigerung der Sportgeschäfte
Zunächst lief der Absatz fast ausschließlich über Postbestellung, wie sich
Lindahl später erinnerte: „Ich hatte sehr früh entschieden, dass es sich
[1][bei dem BH nicht um Unterwäsche, sondern um Sportausrüstung handelt].“
Die meist männlichen Inhaber von Sportgeschäften wollten die Jogbras jedoch
nicht anbieten, „man musste ihnen erst klarmachen, dass sie doch auch
Jockstraps verkauften, dann sahen sie ihren Irrtum meistens ein“.
[2][Die Sport-BHs wurden ein großer Erfolg,] weitere Anbieter drängten auf
den Markt. Die Jogbra-Erfinderinnen konnten sich aber weiter behaupten,
indem sie ihre Modellpalette erweiterten. Im Jahr 1990 verkauften sie ihr
Unternehmen für eine unbekannte Summe an Playtex.
Mittlerweile sind die positiven Auswirkungen spezieller BHs beim Sport auch
wissenschaftlich belegt: Gut sitzende Modelle verhindern Schmerzen,
Hautreizungen oder Entzündungen und rutschende Träger. Joanna
Wakefield-Scurr, Professorin für Biomechanik an der Universität von
Plymouth, wies nach, dass durch schlecht sitzende BHs die Schrittlänge von
Sportlerinnen um bis zu 4,5 Zentimeter verkürzt wird. Vor den Olympischen
Spielen in Tokio 2021 wurden alle britischen Teilnehmerinnen erstmals mit
individuell zugeschnittenen Modellen ausgerüstet.
Die Erfinderinnen des Jogbras wurden 2020 in die National Inventors Hall of
Fame aufgenommen. Lisa Lindahl ist heute 73 Jahre alt, sie war 2001 an der
Entwicklung eines Kompressions-BHs für Krebskranke beteiligt und engagiert
sich für die Erforschung von Epilepsie bei Frauen. Polly Smith, geboren
1949, verließ Jogbra bereits 1978, um die Kostüme für die „Muppet Show“ …
entwerfen, für die sie zweimal mit Emmys ausgezeichnet wurde. Hinda
Schreiber, heute Miller, 1950 geboren in Kanada, entschied sich nach der
Wahlniederlage von Al Gore im Jahr 2000, US-Bürgerin zu werden. Von 2002
bis 2013 saß sie für die Demokraten im Senat des Bundesstaats Vermont, bis
heute ist sie Inhaberin einer Consulting-Agentur.
23 Mar 2022
## LINKS
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## AUTOREN
Elke Wittich
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