# taz.de -- Frankreichs Präsident zum EU-Ratsvorsitz: Macron will härteren EU… | |
> Paris übernimmt die EU-Ratspräsidentschaft. Macron hat nun seine Pläne | |
> vorgestellt – und für einen Mechanismus zum Schutz der EU-Grenzen | |
> plädiert. | |
Bild: Bekennender Europäer: Macron am Donnerstagnachmittag in Paris | |
PARIS taz | Frankreich übernimmt turnusgemäß den Vositz im EU-Rat im ersten | |
Halbjahr 2022. Dann aber findet [1][im April die Präsidentschafts-] und im | |
Juni die Parlamentswahl statt. Schon heute wird in Paris darüber | |
diskutiert, ob die doppelte Agenda für Staatspräsident Emmanuel Macron eher | |
eine schädliche oder im Gegenteil eine sehr positive Koinzidenz ist. | |
Am Donnerstagnachmittag hat er die Schwerpunkte seiner EU-Agenda skizziert. | |
Er fasst sie mit den drei Stichworten „Relance – Puissance – Appartenance… | |
zuammen, was man am ehesten mit „Gemeinsame Wirtschaftsankurbelung, | |
politische Stärke und Unabhängigkeit, Förderung des Zugehörigkeitsgefühls | |
zur EU“ übersetzen könnte. | |
Macron begann aber seine Darstellung mit der Ankündigung einer Reform des | |
Schengen-Abkommens. Die von ihm geforderte „Souveränität Europas“ sei nur | |
denkbar, wenn die EU ihre Außengrenzen kontrollieren könne. Dazu brauche es | |
eine permanente politische Abstimmung auf Regierungsebene und einen | |
Mechanismus, der es erlaubt, den Mitgliedstaaten bei Bedarf unverzüglich | |
und solidarisch mit notwendigen Mitteln und Kräften zu helfen. | |
Dieser solle im Fall einer [2][Krisensituation im Schengenraum] greifen, | |
„wenn eine stärkere Kontrolle unserer Außengrenzen nötig wird“, sagte | |
Macron. Denkbar sei etwa die Entsendung von Sicherheitskräften und Material | |
aus anderen Mitgliedsstaaten. | |
Als Schwerpunkt der Zukunft bezeichnete Macron außerdem die Partnerschaft | |
mit Afrika, der Mitte Februar ein Gipfeltreffen in Brüssel gewidmet werde. | |
## Mehr Autonomie für die EU | |
Immer wieder betonte Macron in seinen etwas komplizierten Ausführungen, | |
dass aktuelle Herausforderungen wie der Klimawandel, die Konkurrenz mit | |
China oder den USA, aber auch zum Teil neue Bedrohungen der Sicherheit, nur | |
gemeinsam bewältigt werden können. | |
„Wir müssen von einem Europa der Kooperation innerhalb unserer Grenzen zu | |
einem wirklich souveränen Europa werden, das frei sein Schicksal bestimmt“, | |
sagte Macron zu seinem Leitmotiv. Frankreich wolle, dass die EU im Bereich | |
der Verteidigung eine größere Autonomie erlange, aber auch in strategischen | |
Sektoren der Industrie und der Forschung soll die Unabhängigkeit gestärkt | |
werden. | |
Macron räumte aber auch ein, dass es nicht nur in Frankreich, sondern auch | |
in anderen EU-Ländern nicht gut um die von den Bürger*innen empfundene | |
Zugehörigkeit zur europäischen Gemeinschaft steht. | |
## Macron will EU-Mindestlohn | |
Macron sagte, dass er vor allem Bereiche berücksichtigen möchte, die für | |
die EU-Bürger in ihrem Alltag von Bedeutung seien. Zu diesen französischen | |
Prioritäten gehört beispielsweise die weiterhin umstrittene Einführung | |
eines europäische Minimallohns, ein französischer Wunsch, der in sechs | |
Mitgliedsländern ohne gesetzliches Mindestgehalt auf Ablehnung und auch bei | |
anderen generell auf das Problem eines bezifferten und von allen | |
akzeptierten Minimums stößt. | |
Fortschritte soll der französische Vorsitz bei der bereits diskutierten | |
Regulierung der großen Internetplattformen bringen: Mit dem Digital | |
Services ACT (DSA) sollen unter anderem das Anstacheln von Hass, das | |
Angebot betrügerischer Fälschungen oder die Verbreitung von | |
Falschinformationen (Fake News) bekämpft werden. | |
Mit dem Digital Markets Act (DMA) soll die EU zudem verhindern, dass | |
Marktleader wie Google, Amazon, Facebook und Apple etc. mit ihrer | |
dominierenden Marktstellung dem Wettbewerb – noch weiter – schaden. | |
## Stimme für Macron wird zum EU-Bekenntnis | |
Viele der französischen Vorschläge dürften, wenn überhaupt, erst viel | |
später die erforderliche einstimmige Zustimmung der 27 EU-Mitglieder | |
erhalten. Andere bleiben ohnehin sehr umstritten, wie im Bereich der | |
Klimapolitik eine Art CO2-Abgabe an den EU-Grenzen, mit der verhindert | |
werden soll, dass mit Importen und Produktionsverlagerungen die EU-Normen | |
zur Treibhausgasverminderung unterlaufen werden. | |
Mit seinem pro-europäischen Engagement seit dem Beginn seiner | |
Präsidentschaft 2017 geht Macron Risiken ein. Da der EU-Vorsitz mit seiner | |
wahrscheinlichen Kampagne für seine Wiederwahl in den Elysée-Palast | |
zusammenfällt, wird eine Stimme für Macron zu einer Abstimmung für oder | |
gegen die EU. | |
Umgekehrt verleiht ihm die Rolle des Initiators einer stärkeren und | |
unabhängigeren europäischen Industrie- und Sicherheitspolitik eine | |
staatsmännische Statur, mit der niemand unter seinen Konkurrent*innen | |
wetteifern kann. Der Preis dafür ist der Stress absehbarer Terminprobleme | |
für ihn in der Doppelrolle als Präsidentschaftskandidat und Vorsitzender | |
des EU-Rats. | |
9 Dec 2021 | |
## LINKS | |
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## AUTOREN | |
Rudolf Balmer | |
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