# taz.de -- Forschung über Klimaveränderungen: Das Salz in der Meersuppe | |
> Ergebnisse eines Forschungsprojekts aus Kiel, Bremen und Kanada lassen | |
> Rückschlüsse auf künftige Veränderungen des Weltklimas zu. | |
Bild: Modellsimulation der Oberflächenströmungsgeschwindigkeit im Atlantik mi… | |
KIEL taz | Kalkablagerungen von Plankton verraten es: Wenn in vergangenen | |
Jahrhunderten das Meer zwischen Aruba, Curaçao und Barbados, also in der | |
südlichen Karibik, ungewohnt viel Salz enthielt, wurde es in Nordeuropa | |
frostig. Denn der höhere Salzgehalt sorgte dafür, dass die nordatlantischen | |
Strömungen weniger stark ausfielen. | |
Damit gingen „längere, stärkere Abkühlungsphasen auf der Nordhalbkugel“ | |
einher, so ein Ergebnis einer Forschungsgruppe aus Kanada, Kiel und Bremen. | |
Sie untersuchte natürliche Klimaänderungen wie in der ‚Kleinen Eiszeit‘, | |
die im 15. Jahrhundert begann, und richtete dabei ihre Aufmerksamkeit auf | |
die Karibik – eine Region, auf die bisher bei der Berechnung von | |
Klimamodellen kaum geschaut wurde. Der Blick in die Vergangenheit und auf | |
natürliche Temperaturanomalien helfe, „die Prozesse und Mechanismen zu | |
verstehen, die die vom Menschen verursachte globale Erwärmung auslösen | |
kann“, sagt Anastasia Zhuravleva vom Geomar Helmholtz-Zentrum für | |
Ozeanforschung in Kiel, die Erstautorin der Studie. | |
1.700 Jahre konnte das Team anhand der Sedimentprofile in die Vergangenheit | |
schauen, denn an den Schichten der Kalkablagerungen lassen sich, ähnlich | |
wie an Jahresringen alter Bäume oder Eiskernen, die Umweltbedingungen wie | |
Salzgehalt und die Temperatur des Oberflächenwassers ablesen. Zur Gruppe | |
gehörten Fachleute des Geomar Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung in | |
Kiel, der kanadischen Dalhousie-University in Halifax, des | |
Alfred-Wegener-Instituts, des Helmholtz-Zentrums für Polar- und | |
Meeresforschung und des Zentrums für Marine Umweltwissenschaften der | |
Universität Bremen (Marum). Sie fanden mehrfache Übereinstimmungen zwischen | |
höherem Meersalz-Gehalt in der Karibik und Kälteperioden in Europa. | |
## Salz „wandert“ von den Polen zum Äquator | |
Solche Parallelen zeigten sich nicht nur während der Kleinen Eiszeit, die | |
bis zum 19. Jahrhundert dauerte, sondern es gab eine „weitere ausgeprägte | |
Abkühlung für den Zeitraum des 8. bis 9. Jahrhunderts“, so Mahyar Mohtadi, | |
Co-Autor der Studie und Leiter der Arbeitsgruppe „Klimavariabilität der | |
niedrigen Breiten“ am Bremer Marum. Diese Abkühlung betraf auch die | |
tropische Region selbst – die Folge waren schwere Dürren auf der | |
Yucatan-Halbinsel. Der Untergang der klassischen Maya-Kultur fiel in diese | |
Zeit, so die Pressemitteilung. | |
Studien über den Salzgehalt der Meere und die damit verbundenen Folgen für | |
die Tiefenströmungen gibt es seit Jahren. So stellte ein | |
amerikanisch-britisch-kanadisches Forscherteam bereits 2003 fest, [1][dass | |
die Ozeane seit Mitte des 20. Jahrhunderts am Äquator immer salziger | |
geworden sind], während der Salzgehalt in der Nähe der Pole deutlich | |
abgenommen hat. Den Grund dafür sah das Team, das aus Ruth Curry aus | |
Massachusetts in den USA, Bob Dickson aus Lowestoft in England und Igor | |
Yashayaev aus Dartmouth in Kanada bestand, in der menschengemachten | |
Klimaerwärmung, die den globalen Zyklus aus Verdunstung, Niederschlag und | |
Wasserzirkulation verändert. | |
Denn Wasser fließt in einem ständigen Strom durch die Ozeane. Der Wind | |
bewegt dabei die oberen Schichten, parallel wirken in der Tiefe Strömungen, | |
die in einem stetigen Kreislauf um die Welt laufen und sich dabei immer | |
wieder erneuern. Salz und Temperatur heißen die Motoren dieser natürlichen | |
Pumpen: Kaltes und salziges Wasser sinkt aufgrund seiner hohen Dichte nach | |
unten, warmes und weniger salziges Wasser ist leichter und steigt an die | |
Oberfläche. | |
Doch höhere Temperaturen verursachen eine stärkere Verdunstung in den | |
tropischen Ozeanen, in denen sich Salz anreichert. Wenn dann gleichzeitig | |
die Niederschlagsmenge in der Nähe der Pole steigt, verdünnen Regen und | |
Schnee das Meerwasser und senken so den Salzgehalt. [2][Greenpeace warnt | |
vor einer weiteren „Versüßung“ der Ozeane], wenn das Eis an Nord- und | |
Südpol schmilzt. | |
Die Studie aus Kiel, Bremen und Halifax zeigt nun, dass nicht nur Prozesse | |
im subpolaren Nordatlantik mögliche Auslöser für vergangene Kälteperioden �… | |
und eben auch ein Hinweis auf künftige Klimaereignisse – sein können, | |
sondern dass „Prozesse im tropischen Atlantik ebenso wichtig zu sein | |
scheinen“, sagt Studienleiterin Zhuravleva. Damit schließe die neue Studie | |
eine Lücke, ergänzt Co-Autor Henning Bauch, Paläoklimatologe am Geomar. | |
## Nordatlantikstrom in Gefahr | |
Für das Klima in Europa ist besonders der Nordatlantikstrom wichtig, der | |
ein Teil des Golfstroms ist. Während der Golfstrom selbst vom Wind | |
angetrieben wird, sind für den Weitertransport wärmerer Luft nach Europa | |
Dichteunterschiede der Wassermassen zuständig, heißt es auf der Homepage | |
des Bundesumweltamtes. „Der Wärmetransport des Nordatlantikstroms nach | |
Norden sorgt dafür, dass in West- und Nordeuropa milderes Klima herrscht | |
als in anderen Regionen gleicher geografischer Breite.“ | |
Die Gefahr besteht, [3][dass sich der Nordatlantikstrom durch den | |
Klimawandel abschwächt] – pessimistische Modelle befürchten sogar einen | |
Stopp der natürlichen Wärmepumpe mit globalen Folgen. | |
Allerdings lassen sich die Analysen früherer Klimaspuren nicht einfach für | |
die Zukunft fortschreiben: „Ergebnisse von Klimasimulationen stehen manches | |
Mal im Widerspruch zur Vergangenheit“, heißt es in einer Pressemitteilung | |
des Potsdamer Alfred-Wegener-Instituts. Ein Team um den Physiker Thomas | |
Laepple und die Klimatologin Kira Rehfeld von der Universität Tübingen hat | |
in einem eigenen Forschungsprojekt die historischen Klimaspuren und die | |
Klimamodelle zur Vorhersage zusammengebracht. Das Ergebnis lautet, dass die | |
Forschenden meist richtig liegen, wenn es um globale Trends geht. | |
Wie sich so ein Trend aber regional auswirkt, kann die Wissenschaft nicht | |
genau vorhersagen: „Es fehlt noch an Möglichkeiten, lokale Bedingungen | |
exakt abzuschätzen“, so Thomas Laepple. „Wir bemerken immer stärker, dass | |
sich das Klima weltweit regional unterschiedlich verändert.“ Dabei sei die | |
Bandbreite groß: „Manche Regionen können für einige Jahre kälter werden, | |
andere deutlich heißer als im globalen Durchschnitt, auch Sprünge sind | |
möglich.“ Doch selbst eine mehrjährige Abkühlung in einer Region bedeute | |
nicht, dass es den Klimawandel nicht gebe, betont der Physiker. | |
16 Dec 2023 | |
## LINKS | |
[1] https://www.wissenschaft.de/astronomie-physik/klimaerwaermung-versalzt-den-… | |
[2] https://www.greenpeace.de/biodiversitaet/meere/meeresschutz/klimawandel-oze… | |
[3] https://www.umweltbundesamt.de/service/uba-fragen/kippt-der-golfstrom-kommt… | |
## AUTOREN | |
Esther Geißlinger | |
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