# taz.de -- Flutkatastrophe in Pakistan: Kein Land in Sicht | |
> In den Fluten Pakistans sind schon mehr als 1.100 Menschen gestorben. Die | |
> Rede ist von einer „humanitären Katastrophe epischen Ausmaßes“. | |
Bild: Ihnen steht das Wasser buchstäblich bis zum Hals: Menschen in Nowshera, … | |
ISLAMABAD taz | Ein außergewöhnlich starker Monsunregen hat im | |
pakistanischen Industal in den letzten Tagen und Wochen zu schweren | |
Überflutungen geführt. Bisher sind dort mehr als 1.100 Menschen gestorben | |
und nach offiziellen Angaben 33,46 Millionen vertrieben worden. 40 Dämme | |
sind gebrochen, mehr als 2.000 Brücken eingestürzt, 220.000 Häuser wurden | |
zerstört und eine weitere halbe Million schwer beschädigt. Dies ist die | |
derzeitige Lage in Pakistan, wo die seither [1][schlimmste klimabedingte | |
Katastrophe des Landes] etwa ein Drittel des Fläche unter Wasser gesetzt | |
hat. | |
Der Süden, Südwesten und Norden des Landes mit 221 Millionen Einwohnern | |
sind am stärksten von den Überschwemmungen betroffen. Die Schäden in dem | |
ohnehin wirtschaftlich stark geschwächten Land werden auf 10 Milliarden | |
Dollar geschätzt, das sind etwa 3 Prozent des Bruttosozialproduktes. Sherry | |
Rehman, Pakistans Ministerin für Klimawandel, bezeichnete die Lage als | |
„klimabedingte humanitäre Katastrophe epischen Ausmaßes“. | |
Pakistan ist zweifelsohne eines der am stärksten vom Klimawandel | |
betroffenen Länder. Die deutsche Entwicklungs- und Umweltorganisation | |
Germanwatch hat Pakistan auf den achten Platz ihres globalen | |
Klimarisiko-Indexes gesetzt, also der Länder, die am stärksten von extremen | |
Wettereignissen bedroht sind. | |
Ahsan Iqbal Chaudhary, der Vorsitzende des Fluthilfekomitees und zugleich | |
Planungsminister, beklagte, dass die Welt Pakistan etwas schulde, da es ein | |
Opfer des Klimawandels sei, der durch die „unverantwortliche Entwicklung | |
der entwickelten Welt“ verursacht werde. „Unser Kohlenstoff-Fußabdruck ist | |
der niedrigste in der Welt“, sagte Iqbal. „Die internationale Gemeinschaft | |
hat die Verantwortung, uns zu helfen, unsere Infrastruktur zu verbessern | |
und sie klimaresistenter zu machen, damit wir nicht alle drei, vier, fünf | |
Jahre solche Verluste erleiden müssen. In den Gebieten, in denen es früher | |
geregnet hat, regnet es nicht mehr, und in den Gebieten, in denen es früher | |
sehr mild geregnet hat, regnet es jetzt sehr stark“, so Iqbal. | |
## Schwere politische Krise | |
Neben der Infrastruktur haben die Überschwemmungen auch massiv Ernten | |
vernichtet. Pakistan könnte deshalb bald eine Nahrungsmittelknappheit | |
drohen. Laut Schätzungen wurden auch 45 Prozent der Baumwollkulturen | |
weggeschwemmt und im Süden des Landes bereits ausgesäter Weizen zerstört. | |
Auch Reisfelder, Gemüse- und Obstkulturen sind stark beschädigt. Um die zu | |
erwartende Nahrungsmittelknappheit abzumildern, kündigte Finanzminister | |
Miftah Ismail sogar die Einfuhr von Gemüse von dem benachbarten Erzfeind | |
Indien an. | |
Am Montag hatte Premierminister Shehbaz Sharif die Gründung eines von ihm | |
geführten Nationalen Flutkatastrophenzentrums (NFRCC) angekündigt, das die | |
Hilfsmaßnahmen zwischen zivilen und militärischen Stellen sowie zwischen | |
nationalen und regionalen Ebenen koordinieren soll. | |
Doch befindet sich Pakistan gerade in einer schweren politischen Krise. | |
Erst im April kam es durch ein erfolgreiches Misstrauensvotum im Parlament | |
zu einem umstrittenen Regierungswechsel. | |
Dabei ist auch die Macht der neuen Koalitionsregierung aus Muslimliga (PML) | |
und Volkspartei (PPP), die normalerweise miteinander verfeindet sind, | |
beschränkt. Denn die rivalisierende Gerechtigkeitspartei (PTI) des | |
früheren Cricketstars und bis April amtierenden Premiers Imran Khan stellt | |
die Regierungen der beiden Provinzen Pandschab und Chaibar Pachtunchwa. In | |
der Krise schieben sich die Politiker jetzt gegenseitig die Schuld an der | |
Katastrophe zu. So wurde Imran Khan zunächst dafür kritisiert, sich des | |
Flutthemas gar nicht richtig anzunehmen, sondern nur die Opposition | |
mobilisieren zu wollen. Inzwischen verteilt er aber Hilfsgüter und wirft | |
den Regierungen vor seiner Amtszeit vor, nicht genug Dämme und Deiche | |
gebaut zu haben. Dabei regiert seine Partei seit nun fast zehn Jahren die | |
aktuell stark betroffene Provinz Chaibar Pachtunchwa. | |
## Korruption verstärkt die Naturkatastrophe | |
Die letzte verheerende Flut hatte es im Sommer 2010 gegeben, die allerdings | |
nicht ganz so schlimm war wie diese jetzt. Danach hatte die Asiatische | |
Entwickungsbank (ADB) in der Provinz Pandschab den Bau einiger kleiner | |
Dämme vorgeschlagen, um das Monsunwasser, das von den Bergen herabfließt, | |
zu stauen. Die Dämme wurden jedoch bisher nicht gebaut. | |
In Belutschistan wurde die Einrichtung eines Frühwarnsystems vorgeschlagen, | |
aber bisher keine praktischen Maßnahmen dafür ergriffen. Das Fehlen eines | |
angemessenen Entwässerungssystems ist eine weitere Ursache für die | |
Überschwemmungen. Es sollten einige Hochwasserdämme gebaut werden, welche | |
die Überschwemmungen wenn schon nicht aufhalten, so doch zumindest die | |
Zerstörungen verringern könnten. | |
Weitere Gründe für die verheerenden Auswirkungen sind die Korruption, der | |
viele Mittel zum Opfer fallen, die aber auch dazu führt, dass in Gebieten | |
gebaut wird, wo eigentlich nicht gebaut werden dürfte. Ein weiterer Effekt | |
der Korruption ist die Nutzung von minderwertigen Baumaterialien: Denn | |
Lehmhütten halten dem Wasser längst nicht so stand wie Häuser aus Beton. | |
30 Aug 2022 | |
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## AUTOREN | |
Zahra Kazmi | |
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