| # taz.de -- Festnahme von Daniela Klette: Der kleine Knall zum langen Zerfall | |
| > Dass die Rechnung zwischen Behörden und RAF beglichen wird, geht in | |
| > Ordnung. Wer als „Sympathisant“ verfolgt wurde, wird das aber nicht | |
| > vergessen. | |
| Bild: Nicht nur gegen Langhaarige: Terrorkontrolle der Polizei in der Clayallee… | |
| In Kreuzberg fasste die Polizei das mutmaßliche RAF-Mitglied [1][Daniela | |
| Klette]. Zusammen mit ihren Genossen [2][Burkhard Garweg und Ernst-Volker | |
| Straub] wird das Trio als „Dritte Generation“ der RAF bezeichnet. Laut | |
| Fahndungsbehörde ist es der letzte Rest der 1970 von Andreas Baader, Gudrun | |
| Ensslin, Horst Mahler, Ulrike Meinhof und einigen anderen gegründeten | |
| Untergrundgruppe. Sie erklärte 1998 ihre Selbstauflösung. | |
| Aus ihren veröffentlichten Erklärungen ging hervor, dass sie sich als | |
| Avantgarde des linken Widerstands gegen das internationale Kapital | |
| verstanden – als „Leninisten mit Knarre“, wie man sie auch nannte, denn | |
| etwa zur selben Zeit bewaffnete sich in Westberlin auch noch eine andere | |
| Gruppe: die „[3][Bewegung 2.Juni“], so genannt nach dem am 2. Juni 1967 von | |
| einem Polizisten erschossenen Studenten Benno Ohnesorg. Diese Gruppe war | |
| eher libertär („autonom“) orientiert, ihr Umfeld bildeten die 1973 | |
| gegründete Stadtguerilla „Revolutionäre Zellen“ und „Rote Zora“. | |
| Das Problem dieser militanten Gruppen, die es ähnlich auch in anderen | |
| europäischen Ländern gab, war, dass die linke antiautoritäre | |
| Studentenbewegung im Pariser Mai 1968 ihren Höhepunkt erlebt hatte und | |
| danach in immer mehr sich zum Teil bekämpfende politische Gruppen zerfiel. | |
| RAF, 2.Juni, Rote Zora und andere waren Zerfallsprodukte. Vor allem die | |
| RAF-Genossen wendeten viel Zeit und Tinte darauf, die Linken, die sich | |
| nicht bewaffnen wollten, aufs Schärfste zu kritisieren. Gleichzeitig war | |
| ihre „Erste Generation“ jedoch logistisch auf Sympathisanten aus dieser | |
| langsam ihre bürgerliche Karriere wieder aufnehmenden linken Szene | |
| angewiesen. | |
| ## Der Sumpf der Sympathisanten | |
| Nicht zufällig wurde Ulrike Meinhof 1972 von einem linken Lehrer, bei dem | |
| sie Unterschlupf gefunden hatte, an die Polizei verraten. Einige Jahre | |
| später starben sie sowie Baader, Ensslin und Jan-Carl Raspe im Gefängnis: | |
| Die verantwortlichen Behörden sprachen von Selbstmord. | |
| Die Fahndungsbehörden konzentrierten sich unterdes vor allem darauf, den | |
| „Sympathisantensumpf“ des „Staatsfeind Nummer 1“ auszutrocknen, indem s… | |
| wahllos Landkommunen aushoben, verhörten, vorübergehend festnahmen und jede | |
| Menge Straßenkontrollen durchführten. Meist litten darunter die Studenten | |
| mit ihren alten Schlitten, VW-Busse, 2CV etc., während die RAF-Mitglieder | |
| schnittige BMWs fuhren, die nicht kontrolliert wurden. Durch diesen ganzen | |
| staatlichen Aufwand wurde Pogromstimmung in der Bevölkerung erzeugt, so als | |
| hätte die Handvoll RAFler nicht führende Vertreter des bundesdeutschen | |
| Kapitals im Visier, sondern jeden „kleinen Mann“ auf der Straße. | |
| Wenn ich mich z. B. nach der Entführung des SS-Offiziers und | |
| Arbeitgeberpräsidenten Hanns Martin Schleyer in einem landwirtschaftlichen | |
| Betrieb um Arbeit bewarb, hörte die Bauersfrau sich erst einmal am Telefon | |
| in Wiesbaden die Stimmen der Terroristen an und verglich sie mit meiner. An | |
| allen Bushaltestellen in Deutschland hingen RAF-Fahndungsplakate. | |
| Die bereits Verhafteten oder Erschossenen wurden von den dort täglich | |
| Wartenden durchgestrichen. Dennoch oder deswegen waren die RAFler bei der | |
| Arbeiterjugend durchweg beliebter als die linken Studenten, die sich nicht | |
| bewaffnen wollten, sondern mit Soziologenchinesisch argumentierten (damals | |
| war die chinesische Kulturrevolution, die alle überkommenen Autoritäten | |
| militant bekämpfte, auf dem Höhepunkt). | |
| ## Untertauchen kann teuer sein | |
| Die „Zweite Generation“ der RAF lebte nicht viel länger als die erste – | |
| nämlich von 1975 bis 1981. Laut der Bundeszentrale für politische Bildung | |
| brachte sie mit ihrer „Offensive 77“ eine „neue Qualität des Terrorismus | |
| nach Deutschland“ und verantwortlich dafür waren ihre „führenden Köpfe“ | |
| Christian Klar und Brigitte Mohnhaupt. | |
| Diese „Zweite Generation“ verließ sich nicht mehr auf linke Sympathisanten, | |
| sondern versuchte in anonymen Wohnblocks eine unauffällige Existenz zu | |
| führen, was sie allerdings mit noch mehr Banküberfällen finanzieren musste. | |
| Der Leiter des Bundeskriminalamts, Horst Herold, entwickelte gegen die RAF | |
| eine „computerisierte Rasterfahndung“, indem er z. B. Leute herausfischte, | |
| die Miete und Strom bar bezahlten. | |
| Die „Dritte Generation“ der RAF nun hatte außer den Fahndungsbehörden | |
| niemand mehr auf dem Schirm. In der linken Szene dürften jedoch viele davon | |
| ausgehen, dass die staatlichen Fahnder einem so schönen „Gegner“ wie der | |
| alten RAF einfach nicht zugestehen wollen, dass es ihn nicht mehr gibt. | |
| 28 Feb 2024 | |
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| ## AUTOREN | |
| Helmut Höge | |
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