| # taz.de -- Feministischer Protest in der Geschichte: Ästhetik des Widerstands | |
| > Von Rosa Parks über Hannah Arendt bis zur feministischen Bewegung im | |
| > Iran: Oft sind es Frauen, die Massenproteste initiieren. Ein Abriss. | |
| Bild: Suffragetten demonstrieren 1911 in London für ein allgemeines Frauenwahl… | |
| Berlin taz | Die britischen [1][Suffragetten] haben vor mehr als 100 Jahren | |
| an Protestformen und Widerstand so ziemlich alles durchdekliniert, was man | |
| sich vorstellen kann. Vom zivilen Ungehorsam bis zu Militanz und | |
| Hungerstreik. Um Wirkmacht zu entfalten, braucht Protest die Inszenierung | |
| im öffentlichen Raum. Wer politisch etwas ändern will, muss Aufmerksamkeit | |
| generieren. | |
| Ein Meer aus Tausenden von Frauen in Grün, Weiß, Violett – den Farben der | |
| Bewegung –, die im Londoner Hyde Park gleichzeitig den Protestslogan „Votes | |
| for Women“ skandierten, mit dem „March of the Women“ gibt es eine eigens | |
| für die Suffragetten komponierte Protesthymne. | |
| Die Klaviatur der Aufmerksamkeitsökonomie spielten die Aktivistinnen | |
| virtuos, mit spontanen Demos und choreografierten Paraden, dem Anketten an | |
| öffentlichen Gebäuden oder beim Museumsbesuch, mit Fleischerbeil-Attacken | |
| auf Gemälde wie „Die [2][Venus vor dem Spiegel]“ von Velázquez. | |
| Damit gewannen die radikalen Suffragetten Mitstreiter:innen, aber auch | |
| Gegner:innen, und das, lange bevor sie unter der Losung „Taten statt Worte“ | |
| Fensterscheiben einwarfen und Brandanschläge verübten. | |
| „Mannsweiber“, „Rabenmütter“, „verhärmt“, aber auch „unersättl… | |
| „zu hässlich, um einen Mann abzubekommen“ – damals kursierten entspreche… | |
| misogyne Karikaturen, bei Straßenschlachten prügelten Polizei und auch | |
| Passanten auf die Demonstrantinnen ein. „Emanzen“ war das Schimpfwort für | |
| Aktivistinnen der 1970er Jahre, Hate Speech und Gewalt gehörten schon immer | |
| zum Repertoire von Antifeminismus und Queerfeindlichkeit. | |
| Angesichts des globalen Trends zum Autoritarismus sorgen sich immer mehr | |
| Menschen um die Demokratie, den liberalen Rechtsstaat. Das Interesse für | |
| feministische Proteste ist entsprechend groß, denn die | |
| Selbstbestimmungsrechte von Frauen sind regelmäßig die ersten, die in | |
| autokratischen Regimen beschnitten werden. | |
| ## Hannah Arendts Diktum vom Recht, Rechte zu haben | |
| Tatsächlich sind es seit einigen Jahren oft Frauen, die Massenproteste | |
| initiiert haben – nicht nur für Pro-Choice und gegen Femizide, sondern auch | |
| bei [3][Black Lives Matter] oder der Klimabewegung. Wenn immer öfter Fotos | |
| von Frauen zu Protestikonen werden, sagt das etwas über den Stand der | |
| gesellschaftlichen Rezeption aus. | |
| Für das Foto von Ieshia Evans, die bei einer Demonstration 2016 gegen | |
| Polizeigewalt und Rassismus im US-Bundesstaat Louisiana aufrecht und ruhig | |
| schwer bewaffneten Polizisten gegenübersteht, bekam der Fotograf den World | |
| Press Foto Award. | |
| Betrachtet man das Bild, kommen einem historische Bilder in den Sinn: Rosa | |
| Parks, die Ikone der Bürgerrechtsbewegung, die erhobene Faust der | |
| Black-Power-Bewegung oder der „Tank Man“, der sich während des Massakers am | |
| Platz des Himmlischen Friedens mit zwei Einkaufstüten in der Hand vor die | |
| Panzer stellte. Intuitiv begreift man, was mit Hannah Arendts Diktum vom | |
| Recht, Rechte zu haben, gemeint ist. | |
| Der Slogan von [4][Irans feministischer Bewegung] bringt es auf den Punkt: | |
| Frau, Leben, Freiheit. Unter solchen Machtverhältnissen ist jede noch so | |
| kleine öffentlich gezeigte Protestgeste lebensgefährlich. | |
| 7 Mar 2024 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.arte.tv/de/videos/116803-000-A/suffragette-taten-statt-worte/ | |
| [2] https://www.nationalgallery.org.uk/paintings/diego-velazquez-the-toilet-of-… | |
| [3] /Black-Lives-Matter/!t5320244 | |
| [4] /Parlamentswahl-im-Iran/!5995704 | |
| ## AUTOREN | |
| Martina Mescher | |
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