# taz.de -- FDP will bei Hartz IV massiv kürzen: Rotstift bei den Ärmsten | |
> Berichten zufolge will Christian Lindner Gelder für Langzeitarbeitslose | |
> einsparen. SPD und Grüne reagieren verhalten. | |
Bild: Will bei den Ärmsten sparen: Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) | |
BERLIN taz | Geht es nach dem Finanzministerium von Christian Lindner | |
(FDP), soll die Bundesregierung nächstes Jahr rund 600 Millionen Euro bei | |
Leistungen für Hartz-IV-Bezieher:innen einsparen. Der [1][Entwurf des | |
Ministeriums für den Bundeshaushalt 2023] sieht vor, das Geld bei | |
Hilfsleistungen zu kürzen, mit denen Langzeitarbeitslose zurück in einen | |
Job finden sollen: dem sogenannten sozialen Arbeitsmarkt. Statt 4,8 stünden | |
dann nur noch 4,2 Milliarden Euro dafür zur Verfügung. Der Spiegel hatte | |
zuerst über die Kürzung berichtet und auch Pläne öffentlich gemacht, wonach | |
das Budget für solche Hilfsangebote in den Jahren nach 2023 noch weiter | |
sinken soll. | |
Hintergrund der geplanten Einsparung ist wohl, dass Lindner im nächsten | |
Jahr [2][die Schuldenbremse wieder in Kraft setzen will]. Dann gelten | |
strikte Obergrenzen für die Höhe der Schulden, die Deutschland aufnehmen | |
darf. Nachdem in diesem Jahr noch Kredite in Höhe von rund 140 Milliarden | |
Euro aufgenommen wurden, muss der Bund nächstes Jahr dann mit deutlich | |
weniger auskommen. Gespart werden soll nach den Plänen des | |
Finanzministeriums dann bei den Ärmsten. | |
Der 2019 eingeführte „soziale Arbeitsmarkt“ soll Langzeitarbeitslose dabei | |
unterstützen, doch noch den Weg zurück ins Erwerbsleben zu finden: Stellen | |
Arbeitgeber solche Personen ein, übernimmt der Bund in den ersten beiden | |
Jahren die gesamten Gehaltskosten, in den folgenden drei Jahren immer noch | |
große Anteile für die Arbeitgeber. Voraussetzung dafür ist, dass die | |
Arbeitslosen seit mindestens sieben Jahren Hartz IV beziehen und vor | |
besonders großen Hürden stehen, einen Job zu finden, etwa weil sie krank | |
sind oder Schicksalsschläge erlitten haben. Derzeit hilft der Bund rund | |
40.000 Hartz-IV-Bezieher:innen auf diese Weise. | |
Die sozialpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, Jessica | |
Tatti, sagte gegenüber der taz: „Kürzt die Ampel tatsächlich so massiv, | |
dann ist der soziale Arbeitsmarkt tot.“ Der Plan des Finanzministers sei | |
„eine Bankrotterklärung“. Und: „Wenn Grüne und SPD dem zustimmen, | |
verspielen sie die letzten Reste ihrer sozialpolitischen Glaubwürdigkeit.“ | |
## Lindner ist mit seiner Hochzeit beschäftigt | |
Die Position des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales unter | |
SPD-Minister Hubertus Heil blieb am Donnerstag unklar. Eine Sprecherin | |
nannte den sozialen Arbeitsmarkt in einer Presserklärung „ein | |
hocherfolgreiches Instrument, um Langzeitarbeitslose in | |
sozialversicherungspflichtige Beschäftigung zu bringen“. Sozialminister | |
Heil werde sich „weiterhin für eine aktive Arbeitsmarktpolitik und für eine | |
entsprechende dauerhafte Mittelausstattung des sozialen Arbeitsmarkts | |
starkmachen“. | |
Die Grünen-Abgeordnete Beate Müller-Gemmeke sagte der taz: „Der soziale | |
Arbeitsmarkt ist ein erfolgreiches Instrument. Wir haben für seine | |
Einführung gekämpft und werden auch jetzt für seine Fortsetzung streiten.“ | |
Es sei gut, dass „nicht der Bundesfinanzminister, sondern wir, der | |
Bundestag, über den Haushalt entscheiden“. | |
Christian Dürr, Vorsitzender der FDP-Bundestagsfraktion, betonte am | |
Donnerstag dagegen, dass im Haushalt „keine Leistungskürzungen“ für | |
Langzeitarbeitslose geplant seien. Die Einsparungen bei der Förderung von | |
Langzeitarbeitslosen im Arbeitsmarkt kämen nur durch weniger Arbeitslose | |
zustande. „Die Pro-Kopf-Förderung bleibt gleich“, sagte er. | |
Finanzminister Lindner wollte sich am Donnerstag nicht zu den Berichten | |
äußern. Er feierte seine Hochzeit, in Keitum auf Sylt. | |
7 Jul 2022 | |
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[1] /Haushaltsentwurf-der-Ampel-Regierung/!5864885 | |
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## AUTOREN | |
Frederik Eikmanns | |
Jasmin Kalarickal | |
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