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# taz.de -- Euro-Skeptiker ziehen vor Gericht: Der Klub der alten Kläger
> Joachim Starbatty und seiner Männercombo passt der Euro nicht. Deshalb
> klagen sie am Dienstag schon wieder vor dem Verfassungsgericht.
Bild: Als Euro-Kläger kampferprobt: Die Professoren Karl Albrecht Schachtschne…
Er führt das Leben eines Fernsehstars. Joachim Starbatty war bei Maybrit
Illner, im Presseclub, im Morgenmagazin, im Brennpunkt und bei Phoenix
auch. "Ich bin zurzeit sehr gefragt", stellt der Tübinger Volkswirt trocken
fest. Denn Starbatty klagt beim Bundesverfassungsgericht gegen den
Euro-Rettungsschirm. Am 5. Juli wird seine "Bürgerbeschwerde" verhandelt.
Inzwischen war Starbatty so häufig im Fernsehen, dass er auf der Straße
erkannt wird. Und immer schlägt ihm freudige Hochachtung entgegen. "Viel
Glück in Karlsruhe" wünschen ihm die Passanten. Dafür hat sich Starbatty
schon eine Standardantwort zurechtgelegt: "Ihnen wünsche ich viel Glück."
Denn Starbatty sieht sich als Volksvertreter. Er ist zutiefst überzeugt,
dass der Euro-Rettungsschirm gefährlich ist und eine europaweite Inflation
erzeugen wird.
Der 71-jährige Starbatty klagt nicht allein. Zu seiner Gruppe der
Beschwerdeführer gehören noch der Euro-Skeptiker Wilhelm Hankel, der
Hamburger SPD-Politiker Wilhelm Nölling, der Juraprofessor Karl Albrecht
Schachtschneider sowie der ehemalige Thyssen-Manager Dieter Spethmann.
Gemeinsam bringen sie es auf 385 Jahre, das Durchschnittsalter liegt bei
77.
## Als Euro-Kläger kampferprobt
Medial hat es sich bereits jetzt ausgezahlt, zu fünft aufzutreten. Denn
nicht nur Starbatty ist ein Dauergast im Fernsehen; auch Hankel und
Schachtschneider geben permanent Interviews.
Die fünf wissen, was sie aneinander haben; als Euro-Kläger sind sie
kampferprobt. In genau der gleichen Besetzung zogen sie schon 1997 nach
Karlsruhe, um die Gemeinschaftswährung zu verhindern. Nur Spethmann fehlte
damals, der erst 2009 einstieg, als Starbatty eine zweite Klage beim
Bundesverfassungsgericht anstrengte, um den Lissabon-Vertrag zu
torpedieren.
Nun steht also die dritte Euro-Klage an. Diese Dauerattacke via Karlsruhe
macht nicht wenige misstrauisch, wie auch Starbatty weiß. "Ich bin kein
Prozesshansel", versichert der Ökonom. "Privat habe ich noch nie ein
Verfahren angestrengt."
Drei Klagen vor dem Bundesverfassungsgericht hinterlassen jedenfalls Spuren
der Erfahrung. Inzwischen weiß die Fünfergruppe, wie man eine Beschwerde
formulieren muss, damit sie von den Richtern angenommen wird. Das war 1998
noch anders: Damals wurde ihre Klage mit einer ausführlichen Begründung
abgewiesen und gar nicht erst verhandelt. Diesmal aber fühlt sich Starbatty
"vom Gericht völlig ernst genommen".
## Eine Klage aus vier Teilen
Neben Starbattys Fünfergruppe drängt es noch den CSU-Politiker Peter
Gauweiler ans Verfassungsgericht, der ebenfalls langjährige Erfahrung als
Euro-Kläger mitbringt. Inhaltliche Differenzen kann Starbatty nicht
erkennen. "Seine Beschwerde ist ähnlich aufgebaut." Konkurrenzgefühle
kommen trotzdem nicht auf. "Ich habe nicht gezählt, ob Gauweiler noch öfter
in der Presse ist als wir."
Starbattys Verfassungsbeschwerde besteht aus vier Teilen.
Erstens: Er will überprüfen lassen, ob der Euro-Rettungsschirm nicht die
Bail-out-Klausel verletzt, mit der verschiedene EU-Verträge das
Herauskaufen strauchelnder Länder verbieten.
Zweitens: Es soll geklärt werden, ob die vielen EU-Hilfskredite nicht der
deutschen Schuldenbremse widersprechen, die gerade frisch ins Grundgesetz
geschrieben wurde.
Drittens: Starbatty sieht die Haushaltshoheit des Parlaments verletzt, wenn
es nur einen allgemeinen Rahmen für die Hilfskredite absegnen darf. "Jede
einzelne Tranche muss durch den Bundestag!" Selbst übers Telefon ist das
Ausrufezeichen zu hören.
Viertens: Starbatty sieht den "Schutz des Eigentums" verletzt, der im
Grundgesetz verankert ist, weil die Europäische Zentralbank griechische und
irische Staatsanleihen aufgekauft hat. "Damit wird die Staatsschuld
monetarisiert!" Und wieder hört man das energische Ausrufezeichen. "Das ist
der Beginn einer jeden Inflation!!" Jetzt sind es sogar zwei
Ausrufezeichen.
## Urteil frühestens im Herbst
Viele Ökonomen würden einwenden, dass bisher von einer Inflation nichts zu
sehen ist. Aber Widerspruch ist Starbatty gewöhnt. "Die meisten Politiker
klappen ihre Ohren zu, wenn ich mit ihnen diskutiere." Es lässt ihn
unbeeindruckt, dass DAX-Manager in ganzseitigen Zeitungsanzeigen gefordert
haben, dass die Bundesregierung den Euro retten soll. "Wenn diese
Unternehmensführer ihre Firmen genauso führen würden, dann wären die
Betriebe längst pleite."
Das Urteil wird für Herbst erwartet; vielleicht fällt es auch erst im
nächsten Jahr. Mit einem Sieg rechnet Starbatty nicht, da ist er Realist
und vermutet, dass der Euro-Rettungsschirm bleiben wird. Trotzdem findet
er, dass die Klage notwendig ist. Vielleicht bekommt das Parlament ja mehr
Rechte. Vielleicht werden neue Regeln für die Rettungspakete formuliert.
Zudem geht es ihm auch um die öffentliche Debatte, um die "Anstoßwirkungen"
seiner Beschwerde. Die Eröffnung des Verfahrens selbst sei bereits ein
Erfolg: "Es werden auch internationale Medien kommen."
1 Jul 2011
## AUTOREN
Ulrike Herrmann
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