# taz.de -- Einfach so in den Bundestag?: Widerstand gegen Michael Müller | |
> Landesvorsitz und Spitzenkandidatur gegen Listenplatz eins. Das ist der | |
> Deal der Berliner SPD zwischen Franziska Giffey und Michael Müller. Hält | |
> er? | |
Bild: Blicke und Wege gehen auseinander. Michael Müller und Franziska Giffey | |
„Wir sind eine demokratische Partei und keine Monarchie.“ Das sagt ein | |
einflussreicher Mandatsträger der Berliner SPD. Namentlich will er nicht | |
genannt werden, aber sein Argument ist auch so verständlich. Denn Michael | |
Müller, der Noch-Regierende Bürgermeister und Landeschef der Berliner SPD, | |
hat sich vor der Beratung der zuständigen Gremien von einer kleinen | |
Parteirunde den Listenplatz 1 für die Bundestagswahl im Herbst 2021 | |
zusichern lassen. Dagegen wird nun Widerstand laut. | |
Vergangenen Mittwoch hatte Müller bekannt gegeben, dass er beim | |
Landesparteitag am 16. Mai nicht mehr als SPD-Landesvorsitzender antreten | |
wird. Stattdessen sollen Bundesfamilienministerin Franziska Giffey und | |
Fraktionschef Raed Saleh die Berliner SPD führen. Das hatte am Abend zuvor | |
ein kleiner Zirkel von neun Sozialdemokraten und einer Sozialdemokratin | |
ausgehandelt. Für den Verzicht auf den Landesvorsitz soll Müller allerdings | |
eine Bedingung gestellt haben. Er muss auf Platz eins der Landesliste für | |
den Bundestag nominiert werden. | |
Um abzusichern, dass das auch klappt, soll Müller verlangt haben, dass die | |
Landesliste gewählt wird, bevor ein Parteitag im nächsten Jahr Franziska | |
Giffey als Spitzenkandidatin für die Wahl zum Abgeordnetenhaus kürt, die | |
ebenfalls im Herbst 2021 stattfinden soll. Erst Müller, dann Giffey: Das | |
ist der Fahrplan des Noch-Regierungschefs in Berlin. | |
Seitdem reißt die Kritik nicht ab. Von einer „Hinterzimmerrunde“ ist die | |
Rede und einem fast reinen „Männerklüngel“. Vorwürfe, die der Neuköllner | |
SPD-Bundestagsabgeordnete Fritz Felgentreu nicht nachvollziehen kann. „Es | |
ist angemessen, wenn die SPD ihren Regierenden Bürgermeister an die Spitze | |
der Landesliste stellt“, sagt Felgentreu der taz. | |
Unabhängig von der Diskussion um die Landesliste stellt der von Müller | |
gewünschte Fahrplan die Partei vor einige Probleme. Denn die Landesliste | |
wird nicht von einem Parteitag verabschiedet, sondern einer | |
Landesvertreterversammlung. Deren Delegierte werden von den Ortsvereinen | |
und Kreisen bestimmt. Die Landesliste zur Bundestagswahl 2017 wurde erst im | |
Mai des Wahljahres verabschiedet. Laut Müllers Fahrplan hieße das, dass | |
Giffey erst nach einer Landesvertreterversammlung im Mai 2021 zur Frontfrau | |
der Berliner SPD gekürt werden könnte. Reichlich spät für die 41-Jährige, | |
die die SPD, die derzeit bei 15 Prozent vor sich hindümpelt, wieder zur | |
stärksten Partei machen soll. | |
Umstritten ist auch die Abkehr vom bisherigen Grundsatz, dass Platz eins | |
auf der Landesliste einer Frau gehört. Bei der vergangenen Bundestagswahl | |
hat Eva Högl aus Mitte auf dem Spitzenplatz kandidiert. Auf Platz zwei | |
folgten Swen Schulze aus Spandau, der nicht mehr antritt, Cansel Kiziltepe | |
aus Friedrichshain-Kreuzberg, der Pankower Klaus Mindrup sowie Mechthild | |
Rawert aus Tempelhof-Schöneberg, die aber nicht zum Zuge kam, weil der | |
Neuköllner Fritz Felgentreu ein Direktmandat erreichte. | |
17,9 Prozent hatte die SPD in Berlin bei der Bundestagswahl 2017 bekommen. | |
Das waren fünf Bundestagsmandate für die Berliner SPD. Sollten die | |
Sozialdemokraten 2021 bundesweit schlechter abschneiden, wird damit | |
gerechnet, dass es nur noch für drei oder vier Mandate für die Berliner | |
Genossinnen und Genossen reicht. | |
Damit dürfte der Konkurrenzkampf noch größer werden. Neben Michael Müller | |
will auch Juso-Chef Kevin Kühnert in den Bundestag. Der aber kommt wie | |
Müller aus dem gleichen Kreisverband, Tempelhof-Schönefeld. Die Delegierten | |
dort müssten sich bei der Vertreterkonferenz demnach entscheiden, ob sie | |
Müller zum Abschluss seiner Karriere ein Bundestagsmandat gönnen oder sich | |
für die Zukunft der Partei und Kevin Kühnert entscheiden. Eine weitere | |
Kandidatin, die gerne in den Bundestag möchte, ist die Staatssekretärin für | |
Bürgerschaftliches Engagement, Sawsan Chebli. | |
Ist die Absprache der kleinen Runde, die die SPD neu aufstellen wollte, | |
also bald schon wieder hinfällig? „Müllers System bestand aus | |
Gegenseitigkeiten“, sagt ein Sozialdemokrat der taz. „Aber was hat er jetzt | |
noch zu bieten, und mit was kann er drohen?“ Ob die Absprachen halten, sei | |
deshalb sehr unwahrscheinlich. „Auch Diepgen wurde einst von der CDU ein | |
sicherer Listenplatz versprochen, und am Ende kam er nicht durch. Warum | |
sollte es jetzt bei Müller anders sein?“ | |
Vielleicht geht es ja aber auch viel schneller mit der Entscheidung. Auf | |
Twitter sprach sich SPD-Mann Felgentreu bereits dafür aus, den Staffelstab | |
von Müller an Giffey früher zu übergeben als geplant: „Bitte keine | |
Hängepartie mit scheidendem Bürgermeister!“, twitterte er. | |
Sollte Giffey eine vorzeitige Wachablösung im Roten Rathaus anstreben, | |
müssen dabei aber Grüne und Linke mitziehen. Die verspüren derzeit | |
allerdings wenig Lust, die Hoffnungsträgerin der SPD mit einem Amtsbonus | |
auszustatten. „Ich habe das Gefühl, dass Müller seinen Job gern | |
weitermachen würde“, sagt etwa Grünen-Fraktionschefin Antje Kapek. Und | |
Kultursenator und Vize-Regierungschef Klaus Lederer meint: „Wir haben eine | |
stabile Koalition und einen Regierenden Bürgermeister. Und es gibt keinen | |
Grund, etwas daran zu ändern.“ | |
Würden Linke und Grüne Giffey bei einer vorzeitigen Wahl zur Regierenden | |
Bürgermeisterin durchfallen lassen, wären Neuwahlen wahrscheinlich. Grüne | |
und Linke dürften angesichts ihrer Umfragewerte davor nicht | |
zurückschrecken. Die SPD müsste aber mit Giffey zeigen, dass sie aus dem | |
Stand gewinnen kann. Doch dazu dürfte es nicht kommen. Denn Müller müsste | |
für einen vorzeitigen Wechsel den Weg freimachen. Wie es heißt, würde er am | |
31. Oktober aber gerne noch den BER eröffnen. Und im März nächsten Jahres | |
entscheidet sich, ob die Automobilmesse IAA nach Berlin kommt. Auch noch so | |
ein glamourträchtiger Termin. Bis zur Wahl im Herbst sind es dann nur noch | |
ein paar Monate. | |
2 Feb 2020 | |
## AUTOREN | |
Uwe Rada | |
## TAGS | |
SPD Berlin | |
Michael Müller | |
Franziska Giffey | |
SPD Berlin | |
Schwerpunkt Rot-Rot-Grün in Berlin | |
Franziska Giffey | |
Franziska Giffey | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Kandidatur für SPD-Landesvorsitz: „Wollen gewählt werden“ | |
Zwei SPDler kandidieren gegen Franziska Giffey und Raed Saleh für den | |
Landesvorsitz. Ein Signal gegen „Klüngelei“, sagt Angelika Syring. | |
Machtwechsel in Berlins SPD: Müller eint die Koalition | |
Soll Franziska Giffey Michael Müller auch als Regierende Bürgermeisterin | |
folgen? Nein, sagen Grüne und Linke. Müller strotze doch vor Kraft und | |
Elan. | |
Neues Amt für Franziska Giffey: Der graut vor nix | |
Familienministerin Franziska Giffey will Landeschefin der Berliner SPD | |
werden. Aber passt sie überhaupt zur Hauptstadt? | |
Nachfolge in der Berliner SPD: Müller geht, Giffey kommt | |
Die Familienministerin soll zukünftig die Berliner SPD führen. Damit könnte | |
sie auch im Bürgermeisteramt nachfolgen. |