# taz.de -- „Ein Schlag ins Gesicht“ von Franz Dobler: Psychogramm im Schmu… | |
> Der neue Roman von Franz Dobler ist gespickt mit popkulturellen | |
> Referenzen. Seine Stärke sind komische Dialoge und der Nachhall der | |
> Sätze. | |
Bild: Dobler geht es um den Beat, den Flow einer Story, um den Nachhall der Sä… | |
Robert Fallner ist ein Mann mit Problemen. Fragt er seine Psychotherapeutin | |
etwas Persönliches, wo sie ihn doch auch ständig Persönliches fragt, so | |
schaut sie nur aus dem Fenster und verweigert die Antwort. Trifft er seinen | |
Kumpel Punkarmin an Silvester in Bertls Eck, führen sie Männergespräche und | |
spülen den Ärger, den sie an den Hacken haben, herunter. Und was sexuelle | |
Experimente betrifft, denen andere frönen, ist Fallner ein schüchterner | |
„Ex-Beamter mit Provinzvergangenheit, der keine Ahnung hatte“, wie er | |
selbst feststellt. | |
Wäre das bloß alles! 20 Jahre war Fallner Polizist, dann hat er | |
hingeschmissen, nachdem er im Dienst einen kriminellen Jugendlichen | |
erschoss, der die Waffe auf ihn gerichtet hatte. | |
Damit er beruflich wieder Fuß fassen kann, bietet ihm sein Bruder Hansen | |
einen Job in dessen Sicherheitsfirma an. Sein erster Auftrag: den Stalker | |
von Ex-Softporno-Filmstar Simone Thomas zu finden, von dem nicht mal klar | |
ist, ob es ihn wirklich gibt. | |
Fans des Augsburger Schriftstellers Franz Dobler kennen den | |
Ex-Kriminaloberkommissar mit dem sprechenden Namen Fallner schon. Mit „Ein | |
Bulle im Zug“ (2015) hatte Dobler die Vorgeschichte erzählt – und bekam | |
dafür den Deutschen Krimipreis. Jetzt findet die Story des grantlerischen | |
Eigenbrötlers mit „Ein Schlag ins Gesicht“ seine Fortsetzung. | |
„Kriminalroman“ steht auch diesmal als Genrebezeichnung auf dem Umschlag, | |
was irgendwie auch stimmt – genauso ist es aber ein psychologischer Roman | |
und ein Milieuroman. | |
Dobler, Jahrgang 1959, ist von seinem Sprachsound her einzigartig in | |
Deutschland. Bei seinen Auftritten kann man das sehen und hören. Wenn er | |
seine Texte liest, klopft er auch mal im Rhythmus auf das Pult, seine | |
rauchig-heisere Stimme schwebt durch den Raum wie bei einer Séance, und man | |
merkt: Dobler geht es um den Beat, den Flow einer Story, um den Nachhall | |
der Sätze. Der Augsburger Schriftsteller bringt Popmusik und Literatur in | |
Stil und Inhalt zusammen. Sein bekanntestes Werk ist eine | |
Johnny-Cash-Biografie, erschienen 2002. An Dobler ist nichts brav, | |
akademisch oder didaktisch. | |
## Ähnlichkeit zwischen Autor und Protagonisten | |
Sehnsucht nach der glamourösen Ära von Pop findet sich beim Autor, und sie | |
eint auch die Protagonisten Fallner und Simone Thomas. Beide sind einsam, | |
beide sind unstete Charaktere – und beide finden Trost in | |
Rock-’n’-Roll-Songs, den großen alten Kinofilmen und den ihnen | |
eingeschriebenen Verheißungen. Fellini, Godard, Fassbinder, Debbie Harry, | |
The Clash, The Cramps: „Ein Schlag ins Gesicht“ ist gespickt mit | |
popkulturellen Referenzen. | |
Simone Thomas verkörpert dabei selbst eine Ära, in der die BRD die Prüderie | |
langsam hinter sich ließ. Sie war einst Hauptdarstellerin in dem Film „Die | |
Satansmädels von Titting“ – seither haftet ihr das Schmuddeletikett an. Als | |
Fallner nach der Herkunft des Wortes „Schmuddel“ sucht („vom | |
mittelniederdeutschen Verb smudden“, heißt es im Buch), steht das für den | |
gesamten Roman. Denn genau dieser Schmuddel interessiert und fasziniert | |
Dobler. | |
Und ihm gelingt es, davon zu erzählen. Manchmal hat man den vergilbten | |
Hemdkragen, die abgewetzten Lederschuhe mit der Hundescheiße unter den | |
Sohlen vor Augen oder den von Fallner ausgehenden Körpergeruch in der Nase, | |
so sehr ist man in dieser Szenerie drin. Passend dazu ist das Münchener | |
Bahnhofsviertel überwiegend der Handlungsort. | |
## Tarantinohafte Dialoge | |
Die Dialoge, die an einen altersmilden Tarantino (den es nach Bayern | |
verschlagen hat) erinnern, sind die große Stärke Doblers. Beim Lesen horcht | |
man zwischenzeitlich auf und denkt: einfach gut gemacht, witzig und nicht | |
platt. | |
Einmal schaut Fallner sich zum Beispiel ein Siebziger-Filmplakat mit Simone | |
Thomas darauf an („Heiße Girls, coole Drinks, echte Männer“), da taucht | |
plötzlich Frau Hallinger auf, die er bislang nur im Bahnhofscafé sitzend | |
wahrgenommen hat: „,Solche Frauen werden heute überhaupt nicht mehr gebaut, | |
Herr Fallner', sagte eine Stimme neben ihm. ,Oder san Sie anderer | |
Meinung?‘“ – Ist er nicht. | |
Genauso gelungen ist so manches aphoristisches Einsprengsel, meist aus dem | |
Munde Fallners: „Die Menschen sind nicht immer, was sie scheinen, aber | |
selten etwas Besseres“, sagt er einmal – und wer würde Fallner mit den | |
Erfahrungen seiner Biografie widersprechen? Die wiederum muss man einfach | |
lesen. | |
Mag die Krimihandlung in „Ein Schlag ins Gesicht“ (im Übrigen ein | |
langweiliger Titel) auch nur mittelspannend sein – von der Figurenzeichnung | |
her, als stets überhöhte Milieuerzählung, als Psychogramm Robert Fallners | |
ist das großes altes Kino, was Dobler hier abgedreht hat. | |
18 Nov 2016 | |
## AUTOREN | |
Jens Uthoff | |
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