| # taz.de -- Duma-Wahlen in Russland: Im Betrug geeintes Russland | |
| > Nach ersten Ergebnissen gewinnt Russlands Regierungspartei die | |
| > Duma-Wahlen. Sie sind überschattet von massiven Vorwürfen von Wahlbetrug, | |
| Bild: Eine Frau gibt ihren Stimmzettel in einem Wahllokal in Moskau ab | |
| Moskau taz | Die Kremlpartei „Einiges Russland“ (ER) hatte am Montag morgen | |
| um 9 Uhr Moskauer Zeit ihr Ziel erreicht: Eine absolute Mehrheit und freie | |
| Fahrt für alle Gesetzesvorhaben der Kremlpartei. Bei den Wahlen zur Duma | |
| erzielte sie fast 50 Prozent und konnte 87 Prozent aller Direktmandate | |
| gewinnen. Zunächst hatte es so ausgesehen, als würde die Partei das Ziel | |
| verpassen. Zum Bild gehörte auch, dass die Kommunistische Partei KPRF mit | |
| knapp 20 Prozent ein respektables Ergebnis als zweite Kraft erzielte. | |
| Auch die anderen Parteien, die Liberaldemokratische Partei von Wladimir | |
| Schirinowski und „Gerechtes Russland“, das ein neues Image erhalten hatte, | |
| erreichte mit mehr als sieben Prozent der Stimmen frühere Ergebnisse. Die | |
| fünfte Partei, die nun in die Duma einziehen darf, ist „Nowye Liudi“ (NL) … | |
| zu Deutsch „Neue Menschen“. Sie behauptet, neue bislang nicht ausreichend | |
| beachtete Wähler zu vertreten. | |
| Die Parteien KPRF, LDPR und Gerechtes Russland gelten als Systemparteien, | |
| die die Entscheidungen der ER mittragen. Insgesamt dürfte dieser Block auf | |
| eine komfortable Mehrheit von mindestens 85 Prozent kommen. | |
| ## Nawalnys Anhänger entschieden sich für „schlaues Wählen“ | |
| An der Wahl hatten mehr als 40 Prozent der Wähler teilgenommen. Der genaue | |
| Wert der Wahlbeteiligung wird jedoch erst im Laufe des Montags erwartet. | |
| Mit einer Tombola und einer „Million Preise“ hatte die Stadt Moskau die | |
| Wähler an die Wahlurnen gelockt. Geldpreise können in ausgewählten Moskauer | |
| Supermärkten eingelöst werden. Auch Wladimir Putins Pressesprecher Dmitri | |
| Peskow gehörte zu den Gewinnern eines Gutscheins im Wert von umgerechnet | |
| rund Euro 100. | |
| Dieses Programm richtete sich jedoch in erster Linie an einkommensschwache | |
| Wähler, die von staatlichen Jobs abhängig sind. Diese Klientel zählt zu den | |
| treuesten Wählern Präsident Wladimir Putins. Der Präsident nutzt die | |
| Dumawahlen auch, um nach 2018 und der Abstimmung über eine | |
| Verfassungsänderung 2020, sich erneut Legitimation zu verschaffen. Die neue | |
| Duma soll ihn auch bei der nächsten Präsidentschaftswahl 2024 unterstützen. | |
| Wiedergewählt, könnte er dann bis 2036 regieren. | |
| Die Stimmung in der Bevölkerung ist zurzeit eher gedrückt. Mit einem | |
| ökonomischen Aufschwung ist nach acht Jahren Stagnation nicht zu rechnen. | |
| Der Oppositionspolitiker [1][Alexej Nawalny] sitzt seit dem vergangenem | |
| Januar im Gefängnis. Viele seiner Mitstreiter haben das Land verlassen oder | |
| [2][wurden daran gehindert], für die Duma zu kandidieren. Der | |
| Antikorruptionsfonds Nawalnys „FBK“ wurde für extremistisch erklärt. | |
| Seine Mitstreiter entschieden sich für das „schlaue Wählen“. Die Wähler | |
| sollten für aussichtsreichste Oppositionskandidaten stimmen, um die | |
| Kremlpartei zu schwächen. Tatsächlich hatte dieses Vorgehen auch bei | |
| einigen Abstimmungen Erfolg, vermochte aber nichts gegen die Überlegenheit | |
| der „ER“ auszurichten. | |
| ## Keine Beobachtermission der OSZE | |
| Wahlbeobachter von der russischen Organisation „Golos“ berichteten von mehr | |
| als 3.000 Fällen von Wahlfälschung. Zum ersten Mal fanden die Wahlen an | |
| drei Tagen statt. Bereits am Freitag öffneten die Wahllokale und schlossen | |
| erst am Sonntag um 20 Uhr Moskauer Ortszeit. Schon im Vorfeld hatten | |
| Beobachter die Befürchtung geäussert, die beiden Nächte, in denen die | |
| Wahlurnen unbeobachtet waren, könnten für [3][Manipulationen] genutzt | |
| werden. Ohnehin war das „Stopfen“ von Urnen mit fertigen Wahlzetteln ein | |
| häufiges Phänomen. Im sibirischen Kemerowo versuchte eine Mitarbeiterin | |
| entsprechende Aufnahme zu vertuschen, indem sie sich ungeschickt vor die | |
| Kamera stellte. | |
| Beobachter von der OSZE, der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit | |
| in Europa, nahmen an der Beobachtermission nicht teil. Moskau hatte | |
| entschieden, den Personaleinsatz deutlich zu verringern. Nur sechzig | |
| Beobachter wurden zugelassen. Die OSZE lehnte dies ab. Moskau begründete | |
| die Beschränkung mit Bedenken wegen der Corona-Pandemie – ein Argument, das | |
| oft herhalten muss, um restriktive Maßnahmen zu ergreifen. | |
| Die Leiterin der Zentralen Wahlkommission (ZIK), Ella Pamfilowa, nahm | |
| Unregelmäßigkeiten bei der Wahl zur Kenntnis. Grundsätzlich sei die Wahl | |
| transparenter als früher gewesen, sagte Pamfilowa. „Man kann auf uns | |
| schimpfen wie man will, aber die Bemühungen meiner Kollegen der vergangenen | |
| sechs Jahre haben dazu geführt, dass alle heimlichen Tricks bekannt | |
| wurden.“ | |
| „Der schwerwiegendste Eingriff in das Prozedere der Wahl bestand vorab in | |
| der Nichtzulassung unabhängiger und oppositioneller Kandidaten“, meint die | |
| Organisation „Golos“. Auch bei der elektronischen Abstimmung soll es zu | |
| erheblichen Unregelmäßigkeiten gekommen sein. Diese Ergebnisse dürften erst | |
| später vorliegen. | |
| 20 Sep 2021 | |
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| ## AUTOREN | |
| Klaus-Helge Donath | |
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