# taz.de -- Dub-Duo Space Afrika: Musik fürs Kopfkino | |
> „Honest Labour“ von Space Afrika sind Klänge zum Tagträumen. Bei endlos… | |
> Busfahrten durch triste urbane Gegenden oder an müden Sonntagen. | |
Bild: Joshua Inyang und Josh Reid lernten sich auf der Grundschule in Mancheste… | |
Was ist eigentlich der Unterschied zwischen dem Gefühl, in jemanden | |
verliebt zu sein, und dem, jemanden sehr gern zu mögen? Ist es vielleicht | |
nur eine andere Formulierung für dieselbe Emotion? Im Song „Indigo Grit“, | |
dem zweiten auf Space Afrikas neuem Album „Honest Labour“, stellt ein Mann | |
einer Frau diese Frage. Wie ein kleiner Auszug aus einer Radioumfrage | |
klingt das Sample, das sich vor die wabernden Klänge schiebt, die gerade | |
eben noch den dreampopartigen Gesang der Sängerin Guest untermalten. | |
Die Antwort der Frau fällt entschieden aus: Es gebe da einen großen | |
Unterschied, schließlich könne man eine Person sehr gerne mögen und nicht | |
in diese verliebt sein. Aber woher man denn wisse, wann man in jemanden | |
verliebt sei, will der Fragende genauer wissen. Ein „Hmm“ ist noch zu | |
hören, dann bricht die Aufnahme ab. Die Frage bleibt im Raum, während die | |
Musik von „Honest Labour“ weiterläuft. | |
Angenommen also, besagter Unterschied besteht –, ist „Honest Labour“ dann | |
ein Album, in das man verliebt sein, oder doch eher nur eines, das man sehr | |
gerne mögen kann? Sowohl als auch, definitiv. Was die Künstler von Space | |
Afrika aus Manchester evozieren, sind jedoch weniger die euphorischen, | |
ekstatischen, mehr die schwindelerregenden, die verwirrenden Gefühle. | |
## Gegen die Einsamkeit | |
„Honest Labour“ ist Musik fürs Kopfkino in endlosen Busfahrten durch triste | |
urbane Gegenden, Musik für Tagträume, für müde Sonntage, um den Staubflusen | |
beim Herumfliegen zuzusehen, Musik zum langsamen Ausnüchtern, sei es von | |
Substanzen oder Emotionen. Musik für und gegen die Covid- und | |
Post-Covid-Einsamkeit. | |
Space Afrika sind ein Duo: Joshua Inyang und Josh Reid lernten sich auf der | |
Grundschule in Manchester kennen, begannen in den frühen zehner Jahren | |
gemeinsam Musik aufzunehmen, anfangs beeinflusst vom [1][Dub-Techno aus | |
Detroit] und aus Berlin. „Above The Concrete/ Below The Concrete“ hieß ihr | |
Debüt, herausgebracht 2014 auf Kassette, auf dem sie diesen Sound in einer | |
auditiven Annäherung an die industrielle Landschaft ihrer Heimatstadt | |
verpackten. Um einiges treibender, clubbiger noch war das als das, was sie | |
später machten, auf dem ambientlastigen „Somewhere Decent To Live“ etwa, | |
Space Afrikas Debütalbum, veröffentlicht 2018. | |
2020 dann kam das Mixtape „hybtwibt?“, kurz für „have you been through w… | |
i’ve been through?“. Space Afrika veröffentlichten es unter dem Eindruck | |
des gewaltsamen Todes von [2][George Floyd], des Rassismus, nicht nur in | |
den USA, auch in Großbritannien. Die Einnahmen waren für die | |
Black-Lives-Matter-Bewegung bestimmt. Die beiden Joshuas verarbeiteten | |
Samples wie Sirenengeheul, Protestgesänge, Schnipsel aus einem Song von | |
Aretha Franklin zu ebenso dichten wie amorphen, hochpolitischen Collagen. | |
Als „overlapping moments“, also sich überlappende Momente, bezeichnen die | |
beiden Künstler treffend selbst, was sie tun, dieses elliptische Spiel mit | |
Samples, Sounds und gesprochenem Wort, mit Rhythmen, Klangfarben der meist | |
düsteren Sorte, mit Genres wie TripHop, Dream-Pop, Ambient, HipHop und Dub. | |
[3][Tricky ist einer,] der einem beim Anhören von „Honest Labour“ in den | |
Sinn kommen könnte, vor allem sein Debüt „Maxinquaye“, überhaupt die | |
vorwärtsgewandte Musik jener Zeit. Das Album klingt oft ein wenig so wie | |
die Mode, mit der sich Jugendliche heute wieder kleiden: Wie Mitte der | |
1990er Jahre, nur ein wenig besser als in der Erinnerung. | |
„B£E“ wiederum, die erste Singleauskopplung, ist rauer, ungemütlicher, | |
härter als der Rest. Blackhaine wurde für den Song ins Boot geholt, ein | |
Rapper, Choreograf, Performer und Tänzer, der schon für Mykki Blanco und | |
Kanye West gearbeitet hat, auch für Modelabels und im Kunstkontext. Mit | |
Reid und Inyang verbindet ihn nicht zuletzt Manchester (die Reid inzwischen | |
zugunsten Berlins verlassen hat), er ist wie sie Teil einer neuen Szene, | |
die geprägt ist vom Aufwachsen und Leben in der post-postindustriellen | |
Stadt. | |
„Honest Labour“ rauscht an einem vorbei. Viele der Songs klingen nur kurz | |
an, für ein, zwei Minuten. Man muss das Album aber ohnehin eher als ganzes | |
hören, all die „überlappenden Momente“ zusammen, die wie viele kleine Pix… | |
mit ausreichend Abstand ein flirrendes Bild ergeben. | |
13 Oct 2021 | |
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## AUTOREN | |
Beate Scheder | |
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