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# taz.de -- Dragqueen-Show mit Heidi Klum: Die Meisterin der Abwertung
> Heidi Klum wird eine Art deutsche Version von „RuPaul's Drag Race“
> moderieren. Das ist eine Beleidigung für alle Fans der schwulen US-Show.
Bild: Heidi Klum war zwar ein paar Mal auf CSDs, doch sorry, zur Fag Hag reicht…
Berlin taz | ProSieben hat am Mittwoch verkündet, dass Heidi Klum ab diesem
Winter eine deutsche Dragqueen-Show präsentieren wird. Gesucht wird die
talentierteste Dragqueen dieses Landes. Schon seit Wochen gab es Gerüchte,
dass in Deutschland eine Version der amerikanischen Kult-Show [1][„RuPaul's
Drag Race“ (RPDG)] geplant und diese möglicherweise mit Klum besetzt wird.
„Queen of Drags“ wird zwar kein offizieller Ableger, das Vorbild ist jedoch
eindeutig. Amerika hat RuPaul, Deutschland bekommt Heidi Klum. Wie kommt
ProSieben auf die absurde Idee, die Moderatorin der frauenfeindlichen
Sendung [2][„Germany's Next Topmodel“ (GNTM)] eine Drag-Show moderieren zu
lassen?
Sänger und Dragqueen RuPaul sucht seit 2008 nach „Charisma,
Einzigartigkeit, Mut und Talent“ und hat die queere Kulturpraxis des Drags
in den Mainstream gebracht. Das theatralische Spiel mit Geschlecht und
Sexualität, die Übertreibung in Gestik, Mimik, Make-up, Kleidung und
Bewegung, die Herausforderung von Geschlechterrollen, all das mit enger
Verbindung zu schwuler Subkultur.
Er ist die Mutter der Queens, die in seiner Show während der Gestaltung von
Runway Outfits oder der Vorbereitung auf Sketches und Performances auch mal
über Homophobie, Coming-out-Prozesse, [3][Konversionstherapien], HIV oder
Polizeigewalt sprechen. Oft ist eine grundsätzliche Solidarität unter den
Teilnehmern zu spüren, die vielfach ähnliche Erfahrungen als meist schwule
oder bisexuelle Männer gemacht haben. Auch Transfrauen haben bereits an der
Show teilgenommen.
Heidi Klums „Germany's Next Topmodel“ ist das Gegenteil davon. Konkurrenz
unter Frauen wird hier geradezu angestachelt. Junge Frauen, im Format
durchgehend als „Mädchen“ oder „Mädels“ bezeichnet, werden einer Jury
bewertet, die nicht davor zurückschreckt, die Kandidatinnen bloßzustellen.
Sie werden objektiviert, zur Ware gemacht und dazu angehalten, immer „sexy“
zu sein.
## Es geht nicht darum, dass sie keine Dragqueen ist
Die Sendung propagiert extrem limitierte Körper- und Schönheitsideale, die
junge Frauen stark unter Druck setzen können. Teilnehmerinnen, die von
diesen Idealen abweichen, haben keine Chance – im Gegensatz zu „RuPaul's
Drag Race“, wo Menschen mit allen möglichen Körperformen gefeiert und
geliebt werden. Bento hat besonders schäbige von Klum in der Show geäußerte
[4][Zitate gesammelt]: „Ich will nichts schwabbeln sehen“, „Ein kleines
bisschen sieht sie aus wie ein geprügelter Hund!“, „Mach ein bisschen mehr
sexy. Du siehst im Moment aus, als ob du ein bisschen besoffen wärst“,
oder: „Bist du schwanger geworden, seitdem wir uns das letzte Mal gesehen
haben?“
Bei GNTM geht es also um Abwertung, Beschämung und Konkurrenz. Bei RPDR
geht es um Empowerment, subversive Fabelhaftigkeit und Solidarität. Für die
deutschen Fans von RuPaul und seinen Queens ist die Wahl Klums als
Jury-Vorsitzende eine Beleidigung. Sie hat mit Drag-Kunst nichts zu tun. An
dieser Stelle möchte man sie allerdings schon fast gegen ihre KritikerInnen
verteidigen: Denn es geht nicht darum, dass sie eine heterosexuelle Frau
und keine Dragqueen ist.
Dieses Argument ähnelt der falschen Forderung, dass schwule Figuren im Film
ausschließlich von schwulen Darstellern gespielt werden sollen.
Selbstverständlich ist Repräsentation wichtig, doch wer dies behauptet, hat
nicht verstanden, was Schauspiel ist. Schauspiel ist Drag und Drag ist
Schauspiel. Doch während sich RuPaul seit Jahrzehnten für die Belange der
LGBT-Bewegung einsetzt, hört Heidi Klums Liste bei ein paar CSD-Besuchen
auf.
2011 verriet sie dem US-Magazin Lucky, dass „der beste Mensch, um shoppen
zu gehen“, ihr schwuler Freund Michael Ostrow sei. Als Kämpferin für die
Rechte von Schwulen, Lesben, Bisexuellen und Transpersonen hat sie sich
nicht gerade hervorgetan – auch wenn sie sich bei GNTM in den letzten
Jahren mit Dragqueens geschmückt hat. Sorry, aber zur Fag Hag reicht das
nicht. Dass sie Dragqueens mit dem gleichen Respekt behandelt wie RuPaul,
ist schwer vorstellbar. Da wären ihre Mit-Juroren Conchita Wurst und Bill
Kaulitz schon geeigneter gewesen.
## Sashay away!
Die Berliner Dragqueen Jurassica Parka will sogar herausgefunden haben,
dass das Konzept der deutschen Show „komplett entschwult“ werden soll.
„Szenerelevante Themen wie HIV oder Coming-out haben bei ProSieben so gar
nichts zu suchen. Dass das Leben als queerer Mensch ganz vielleicht auch
etwas mit der Drag-Kunst zu tun haben könnte … soviel Transferleistung
traut man in Unterföhring dem gemeinen Zuschauer nicht zu“, [5][schreibt
sie in der Siegessäule,] in der das Gerücht bereits Anfang Juni
thematisiert wurde.
„RuPaul's Drag Race“ funktioniert auch deshalb so gut, weil es die
großartigen Seiten schwuler Subkultur mit den großartigen Seiten
amerikanischer Popkultur verbindet. Eines von vielen Slangwörtern, das
RuPaul in seiner Show erfunden hat, wird genutzt, um sich von einer
Dragqueen zu verabschieden, die den Wettbewerb verlassen muss. Man möchte
es Heidi Klum jetzt zurufen: „Sashay away!“
27 Jun 2019
## LINKS
[1] /Zehnte-Staffel-der-US-Drag-Show/!5493810
[2] /Jail-Walk-bei-Germanys-Next-Topmodel/!5493606
[3] /Gesetz-zu-Konversionstherapien/!5599186
[4] https://www.bento.de/tv/gntm-2019-heidi-klum-oder-donald-trump-kannst-du-ih…
[5] https://www.siegessaeule.de/no_cache/newscomments/article/4330-deutsches-dr…
## AUTOREN
Frederik Schindler
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