| # taz.de -- Doku über die „Lila Eule“: Wo Rudi Dutschke Zeug redete | |
| > In der kleinen, dunklen „Lila Eule“ wurden Tausende Bremer musikalisch | |
| > und politisch sozialisiert. Jetzt erzählt eine Dokumentation die | |
| > Geschichte des Clubs | |
| Bild: Alter Club in neuem Haus: 1964 öffnet die „Lila Eule“ wieder und wur… | |
| BREMEN taz | „Meine Mutter ist auch schon in die Eule gegangen“, sagt eine | |
| junge Besucherin der Lila Eule im Bremer Viertel sichtlich stolz in die | |
| Kamera. Wo sonst ist es cool in einen Club zu gehen, den schon die Eltern, | |
| ja inzwischen die Großeltern besucht haben? Die Lila Eule ist ein Phänomen. | |
| Seit 57 Jahren gibt es diese Kellerkneipe, die ein prägender Teil der | |
| Sozialisation Hunderter, ach was, Tausender Bremer gewesen ist. Und nun | |
| haben endlich ein paar Bremer einen Film darüber gemacht. | |
| Der Regisseur Hagen Kleile hat seinen eigenen Vater als einen der | |
| Stammgäste der ersten Jahre interviewt. Und weil es um nichts Geringeres | |
| als die Kulturgeschichte von Bremen geht, beginnt die rund 60-minütige | |
| Dokumentation mit Archivaufnahmen von Kriegstrümmern der Stadt in den | |
| frühen 50er-Jahren. Der Architekturstudent Olaf Dinné mochte damals | |
| Jatzmusik und spricht es auch heute noch so aus. In Berlin war er in | |
| Jazzclubs gewesen und so etwas wollte er auch in Bremen haben. In einem | |
| teils zertrümmerten Packhaus am Brill eröffnete er 1959 die erste Lila Eule | |
| Hier traf sich die junge Elite der Stadt, es gab Live-Musik und die Kneipe | |
| wurde „aus dem Stand der zweitgrößte Fassbierausschank der Stadt“. Dinné | |
| kommt im ersten Teil des Films am häufigsten zu Wort und hat sichtlich | |
| Übung im Erzählen. Er weiß, wie er die Pointen setzten muss, wo er den | |
| Mythos Eule ironisch untergraben und wo er ihn zementieren will. | |
| So erklärt er genau, wie er mit ein paar Freunden das neue Haus in der | |
| Bernhardstraße 10 gebaut und wie sie die Betonpfeiler in den sumpfigen | |
| Baugrund gegossen haben, deren obere Teile man heute noch in den Wänden des | |
| Clubs sehen kann. Denn die erste Eule gab es nur ein knappes Jahr lang. | |
| 1964 wurde sie in dem eigens für sie erbauten Haus wieder eröffnet, in dem | |
| es mit dem Cinema auch eines der ersten, ebenfalls immer noch betriebenen | |
| Programmkinos des Landes gibt. | |
| Viele Zeitzeugen erzählen, dass die Eule zuerst einfach ein Jazzclub war | |
| und sich dann immer mehr auch zu einem politischen Treffpunkt der jungen | |
| Linken der Stadt entwickelte. Der Besuch von Rudi Dutschke im Jahr 1967 | |
| steht im Mittelpunkt. Dinné erzählt sehr anschaulich davon, dass der | |
| Berliner Studentenführer bei seiner Reise in die Provinz zum ersten Mal in | |
| einem Flugzeug gesessen hatte und, endlich angekommen, dann | |
| „unverständliches Zeug redete“. | |
| Der Grünen-Politiker Robert Bücking erinnert sich an die Straßenbahnunruhen | |
| von 1968 die dadurch ausgelöst wurden, dass einige Schüler in der Eule auf | |
| die Idee kamen, sich einfach auf die Schienen zu setzten. Der Jazzer Harald | |
| Eckstein beschreibt, wie dankbar er und andere Musiker damals dafür waren, | |
| überhaupt irgendwo auftreten zu dürfen. Und der Schauspieler Bruno Ganz, | |
| der während seines Engagements im Bremer Theater in einem Zimmer über der | |
| Eule gewohnt hat, schildert, wie das Bremer Publikum damals das Theater von | |
| Kurt Hübner und Peter Zadek gehasst hat, auf das das Bildungsbürgertum der | |
| Stadt inzwischen so stolz ist. | |
| Nach etwa zwei Dritteln des Films gibt es einen markanten Schnitt zur Eule | |
| von heute, die vor allem als Disco betrieben wird. Ein paar Diskjockeys | |
| erzählen, wie speziell das Publikum und die Bedingungen in der Eule heute | |
| sind. Wenn junge Besucher nachts auf der Straße weiterfeiern, bekommt man | |
| auch eine Ahnung davon, warum Anwohner immer wieder wegen Lärmbelästigung | |
| gegen die Betreiber der Lila Eule vor Gericht ziehen. | |
| Eine Sache fehlt in der Dokumentation fast völlig: Denn dafür, dass sich | |
| hier alles um einen Club dreht, gibt es erstaunlich wenig Musik. Dies liegt | |
| daran, dass dort zwar Jazzgrößen wie Chick Corea, Jan Garbarek und Peter | |
| Brötzmann auftraten, es aber nur wenige Filmaufnahmen und Fotos von solchen | |
| Konzerten gibt, weil die Eule zu klein und zu dunkel ist. Außerdem wären | |
| die Rechte an der Originalmusik für die Bremer Filmemacher zu teuer | |
| gewesen. | |
| Die Produktionsgeschichte des Films ist lang und „voller Stolpersteine“, | |
| sagt die Produzentin Saskia Wegelein. Ursprünglich war ein kurzer Film für | |
| das Fernsehen geplant, der zum 50. Jubiläum des Clubs im Dezember 2009 | |
| ausgestrahlt werden sollte. Doch die Verhandlungen mit dem Sender Radio | |
| Bremen waren schwierig. Zuerst war von einer Förderung des Projekts die | |
| Rede, später gab es immerhin Geld von der Filmförderungsanstalt Nordmedia. | |
| Radio Bremen wollte dann aber einen anderen Film als die Filmemacher, und | |
| stieg aus dem Projekt aus. Weil es nun keine Fernsehproduktion mehr war, | |
| verteuerten sich die Rechte an der Musik um ein Vielfaches. Und Radio | |
| Bremen hatte zudem fast alle Konzert- und Filmaufnahmen aus der Eule in | |
| seinem Archiv. Schließlich mussten die Filmemacher die Rechte an zehn | |
| Minuten unverzichtbarem Archivmaterial vom Sender kaufen. | |
| Das Jubiläum 2009 verpassten die Filmemacher und das Projekt galt dann | |
| einige Jahre als gescheitert. Bis Wegelein bei der Durchsicht des Materials | |
| entschied, dass sich daraus doch noch ein schöner kleiner Film basteln | |
| ließe. Den Auftrag gab sie dem Filmemacher Radik Golovkov, der den Film | |
| gänzlich neu montierte und so nun mit der ungewöhnlichen Arbeitsbezeichnung | |
| „Schnittregie“ im Abspann aufgeführt wird. | |
| „Lila Eule – Der Film“ hatte Ende Dezember an zwei Abenden in der Lila Eu… | |
| Premiere, aber ganz fertig ist er eigentlich immer noch nicht. Produzentin | |
| Saskia Wegelein spricht davon, dass doch noch ein Kapitel über die Musik in | |
| der Eule dazukomme und dass dann irgendwann im Frühjahr die DVD zu kaufen | |
| sein werde. | |
| 5 Jan 2017 | |
| ## AUTOREN | |
| Wilfried Hippen | |
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