# taz.de -- Doku „The Beatles: Eight Days a Week“: Die Helden des Pop | |
> Im Dokumentarfilm „The Beatles: Eight Days a Week“ folgt Regisseur Ron | |
> Howard der Mutter aller Popbands durch die Stadien. | |
Bild: Eine Art Jugendherbergsausflug: die Beatles 1963 in Schweden | |
Als der Fernsehjournalist Larry Kane im Jahr 1964 die Beatles auf ihrer | |
USA-Tour begleiten sollte, warnte ihn sein Vater: „Sie sind eine Bedrohung | |
für die Gesellschaft.“ Heute kann man sich eine solche Einschätzung kaum | |
noch vorstellen, schließlich gelten die Beatles als eher brave, | |
familienfreundliche Variante des Popmodells. | |
Doch die „Beatlemania“, die der Erfolg der vier jungen Musiker aus der | |
Hafenstadt Liverpool rund um die Welt auslöste, brachte so einiges an | |
Randale mit sich: zerlegte Konzertsäle, kollabierende Fans im Publikum, | |
Prügeleien auf der Straße – mit Musik hatte man derlei Störungen der | |
öffentlichen Ordnung bisher nicht in Verbindung gebracht. Larry Kane hörte | |
dennoch nicht auf den Rat des Vaters. | |
„The Beatles: Eight Days a Week – The Touring Years“ ist ein | |
Dokumentarfilm, der sich einer kurzen, aber heftigen Phase in der Karriere | |
der bis heute erfolgreichsten Popband aller Zeiten widmet. | |
Regisseur Ron Howard hat eine geschickte Perspektive gewählt, um das | |
Massenphänomen Beatles mit 50 Jahren Abstand in den Blick zu nehmen. Keine | |
biografische Erzählung wie in Martin Scorseses George-Harrison-Film „Living | |
in the Material World“, kein Zerpflücken der Banddynamik, die zum Ende | |
immer zäher wurde, dafür die Konzentration auf ein Geschäftsmodell: die | |
Band auf Tour, von Stadion zu Stadion. | |
Gerade einmal drei Jahre dauerte diese Phase, während der allein vier | |
USA-Tourneen zu absolvieren waren. Denn die Beatles hatten laut Ringo Starr | |
den „schlechtesten Plattenvertrag“ überhaupt. Ihr Geld verdienten sie | |
damals auf der Bühne. Erst als sie 1967 dem Livegeschäft den Rücken kehrten | |
und sich fortan als reine Studioband austobten, begannen sich die | |
Plattenverkäufe ernsthaft für sie zu lohnen. Heute, da der Niedergang der | |
Musikindustrie die Künstler zum Dauertouren zwingt, wäre eine solche | |
Bandgeschichte höchst unwahrscheinlich. | |
## Angemessen energisch | |
Ron Howard („A Beautiful Mind“, „Apollo 13“) hat sein Archivmaterial | |
sorgfältig ausgewählt, zeigt bisher unveröffentlichte Aufzeichnungen von | |
Auftritten der Band, bei denen das Quartett musikalisch in der Regel | |
überzeugen kann. Der Song „I Saw Her Standing There“ etwa klingt in einer | |
Washingtoner Darbietung angemessen energisch und gewinnt zusätzlich durch | |
den kurzen Kameraschwenk auf einen euphorisierten weiblichen Fan, dem die | |
Worte „Oh my God!“ entfahren. | |
Überhaupt die Fans: „Ringo hat eine sexy Nase“, „George hat sexy Wimpern… | |
diese Einschätzungen zur Band bieten kleine Einblicke in die Wahrnehmung | |
der Fab Four in den USA. | |
Schön auch ihr schlagfertiges Gebahren gegenüber der Presse: So stellt sich | |
John Lennon einem Fernsehreporter vor laufender Kamera als „Eric“ vor, um | |
kurz darauf, als ihn der Reporter tatsächlich Eric nennt, die Unkenntnis | |
des Journalisten zu enttarnen. Und als auf einer Pressekonferenz ein | |
anderer Journalist fragt: „Aren’t the Beatles just four Elvis Presleys from | |
Liverpool?“, zögert Ringo Starr keine Sekunde: „It’s not true! It’s not | |
true!“, schreit er und imitiert dazu die für Elvis the Pelvis typischen | |
Hüftbewegungen. | |
## Prominente Bewunderer | |
Unter den lebenden Interviewpartnern hat Ron Howard neben den zwei | |
verbliebenen Beatles Ringo Starr und Paul McCartney einige Weggefährten vor | |
die Kamera geholt. Und ein paar ihrer prominenten Bewunderer – Whoopi | |
Goldberg war ein früher Fan der Beatles. | |
Die US-amerikanische Schauspielerin verdankt den vier Popstars aus | |
Liverpool zudem einiges für ihr Selbstverständnis, wie sie bekennt: „Die | |
ganze Welt begann zu strahlen. Ich hatte das Gefühl, sie könnten meine | |
Freunde sein. Und ich bin schwarz! Ich habe sie nie als Weiße wahrgenommen | |
– sie waren die Beatles!“ Was für sie umgekehrt bedeutete: „Ich kann so | |
sein, wie ich bin, und das ist okay. Das habe ich von ihnen.“ | |
Auch der britische Popjournalist Jon Savage gibt sich im Film als Fan zu | |
erkennen. Nicht nur bedauert er, dass ihn seine Eltern nicht zu einem der | |
letzten Konzerte der Band gehen ließen. Auch waren die Beatles für seine | |
Entwicklung als Jugendlicher maßgeblich verantwortlich: „Die Beatles waren | |
die Art und Weise, wie ich die Welt zu verstehen begann.“ Von Album zu | |
Album offenbarte diese Welt für Savage stets neue Facetten. | |
## Verlorene Kulturtechnik | |
An Stellen wie diesen wird zugleich deutlich, dass das Pop-Erleben der | |
heroischen Ära des Pop womöglich eine längst verlorene Kulturtechnik ist. | |
Ob junge Hörer in gleichem Maße von aktuellen Bands geprägt werden, ist | |
zweifelhaft. | |
Ein Beatles-Film kann, wenn er in Zusammenarbeit mit ehemaligen | |
Bandmitgliedern entsteht, nur begrenzt Distanz zu seinem Gegenstand | |
aufbauen. Das muss der Film allerdings nicht zwangsläufig. Sicherlich kann | |
man sich darüber wundern, dass der frühe Tod ihres Managers Brian Epstein | |
im Jahr 1967 unerwähnt bleibt – die Studiophase der Beatles, in die | |
Epsteins Tod fällt, wird zumindest kurz erzählt. Dafür ist der Film dem im | |
März gestorbenen Produzenten George Martin gewidmet, der für die Beatles im | |
Studio eine Art Vaterfigur war. | |
Der Film will denn auch weniger einen Mythos demontieren als die | |
Begeisterung nachvollziehen, von der Millionen Fans in den 60er Jahren | |
ergriffen wurden, und nebenbei daran erinnern, dass ihre Melodien bis in | |
die Gegenwart Bestand haben. Das gelingt ganz vorzüglich. Nach dem Film | |
verspürt man den starken Wunsch, wieder einmal ausführlich die Beatles zu | |
hören. Acht Tage die Woche. | |
14 Sep 2016 | |
## AUTOREN | |
Tim Caspar Boehme | |
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