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# taz.de -- Diversität bei der Polizei: „Herkunft darf keine Rolle spielen“
> Die deutsche Polizei ist überwiegend weiß. Wie lässt sich das ändern? Die
> Soziologin Sabrina Ellebrecht forscht dazu im Projekt „ZuRecht“.
Bild: Polizei NRW: KommissaranwärterInnen bei ihrer Vereidigung 2019 in Köln
taz: Frau Ellebrecht, muss die Polizei repräsentativ sein?
Sabrina Ellebrecht: Grundsätzlich, nein. Polizisten müssen ihrem
staatlichen Auftrag nachkommen, aber sie müssen die Bevölkerung in ihrer
Struktur nicht eins zu eins widerspiegeln. Trotzdem gibt es [1][gute Gründe
für eine repräsentative Polizei]. Einer ist, dass die Polizei in einer
pluralen Gesellschaft mehr Legitimität genießt, wenn sie diese Pluralität
auch selbst abbildet.
Davon ist die Polizei derzeit noch weit entfernt. Recherchen des
Mediendienstes Integration zeigen: In NRW hatten 2018 28 Prozent der
Bevölkerung einen Migrationshintergrund, aber nur 13 Prozent der neu
eingestellten Polizist*innen. Woran liegt das?
Genau dieser Frage gehen wir nach. Ein Faktor in NRW sind die
Bewerberzahlen. Nur 22 Prozent der Bewerber haben einen
Migrationshintergrund. Das ist bereits weniger als in der Bevölkerung.
Eingestellt werden aber noch einmal signifikant weniger Menschen mit
Migrationshintergrund. Warum?
Menschen mit Migrationshintergrund sind im Auswahlverfahren weniger
erfolgreich. Um zu verstehen, warum das so ist, schauen wir uns die
einzelnen Komponenten des Verfahrens genau an. In NRW besteht es
beispielsweise aus einem Logik- und Sprachtest, der am PC durchgeführt
wird. Dann folgt ein anspruchsvolles Assessmentcenter, in dem sowohl ein
Vortrag gehalten werden muss als auch Rollenspiele und Einzelgespräche
absolviert werden. Hinzu kommt ein Sporttest.
Schneiden Menschen mit Migrationshintergrund in einzelnen Teilbereichen
schlechter ab?
Das wissen wir derzeit nicht, da wir noch Daten aus allen Bundesländern
sammeln. Was wir jedoch jetzt schon sagen können: Es bestehen große
Unterschiede zwischen den Ländern. In Berlin beispielsweise lag 2018 der
Anteil der neu eingestellten Polizeibeamten mit Migrationshintergrund bei
32 Prozent. Damit lag er sogar über dem Anteil in der Berliner Bevölkerung.
Könnten Unterschiede im Testverfahren diese Diskrepanz erklären?
NRW und Berlin unterscheidet, dass in NRW bereits vor Jahrzehnten der
mittlere Dienst abgeschafft wurde. Die Einstiegsschwelle ist dort also
womöglich höher. Zudem hat die Polizei Berlin einen Fremdsprachentest in
ihr Auswahlverfahren integriert. Die Bewerber können zwischen Sprachen wie
Englisch, Türkisch und Polnisch auswählen und ihre Kenntnisse beweisen.
Mehrsprachig aufgewachsen zu sein, ist hier von Vorteil.
Trotzdem werden auch in Berlin anteilig weniger Menschen mit
Migrationshintergrund eingestellt, als sich bewerben. Haben sie eine
Vermutung, warum Menschen mit Migrationshintergrund in vielen
Auswahlverfahren schlechter abschneiden?
Da ist vieles denkbar. Sprachliche Hürden könnten ein Grund sein. Möglich
wäre auch, dass Aussehen, Habitus, Passung ins Team, Ähnlichkeiten mit
polizeilichen Idealtypen, oder der erreichte Bildungsabschluss ins Gewicht
fallen. Hier werden unsere Daten aufschlussreich sein. Sollten Menschen mit
Migrationshintergrund in spezifischen Bereichen wie dem Sprachtest oder den
interaktiven Tests schlechter abschneiden, werden wir hier nochmal ins
Detail gehen. Denn das Label „Migrationshintergrund“ fasst sehr
verschiedene Gruppen zusammen, die durchaus nochmal Unterschiede aufweisen.
Welche Änderungen im Rekrutierungsprozess könnten denn zu einer
repräsentativeren Polizei führen?
Zum einen natürlich die gezielte Anwerbung von Menschen mit
Migrationshintergrund. Hier wurde in den letzten Jahren schon viel
erreicht. Die Einstellungszahlen in Baden-Württemberg zum Beispiel stiegen
nach einer prominenten Kampagne 2013 signifikant. Änderungen im
Auswahlverfahren können auch einen Effekt haben. Der Berliner Weg,
Bewerbern die Möglichkeit zu geben, sich in verschiedenen Fremdsprachen
testen zu lassen, könnte hier wegweisend sein. Weitergehend kann
grundsätzlich über eine Modifizierung des Zugangs zum Polizeidienst
nachgedacht werden.
Wäre das denn ohne weiteres möglich?
Nein. Es gibt strenge Regeln für die Einstellung von Beamten. Artikel 33
des Grundgesetzes schreibt fest, dass öffentliche Ämter nach „Eignung,
Befähigung und fachlicher Leistung“ vergeben werden müssen. Es geht also um
Bestenauslese und das Leistungsprinzip. Soziale Merkmale, wie Herkunft oder
Geschlecht, dürfen keine Rolle spielen. Alle Bewerber müssen gleich
bewertet werden. Inwiefern aber aus verfassungsrechtlicher Sicht „Eignung“
vor dem Hintergrund einer pluralen Gesellschaft auszulegen ist, klären wir
derzeit im Projekt mit einer juristischen Studie.
Verbessert Diversität tatsächlich die Arbeit der Polizei?
Die Behörden erhoffen sich das zumindest. Eine diverse Polizei könnte zum
Beispiel einfacher über sprachliche und kulturelle Barrieren hinweg
kommunizieren. Ob dies in der Praxis tatsächlich funktioniert, ist
strittig. Denn es gibt auch Hinweise darauf, dass Polizisten mit
Migrationshintergrund in Loyalitätskonflikte geraten. Von den Kollegen als
Teil der Community und von der Community als Teil der Polizei gesehen zu
werden, kann anstrengend sein.
Sind die Hoffnungen, die in mehr Diversität gesetzt werden, also überzogen?
Mehr Diversität kann die Polizei durchaus [2][sensibler im Umgang mit
Minderheiten] machen. Aber Studien haben auch gezeigt, dass
Nachwuchspolizisten einem hohen Anpassungsdruck ausgesetzt sind. Häufig
landen erstmal jene bei der Polizei, die bereits zur Organisationskultur
passen. Diversität allein wird die Kultur der Polizei also nicht verändern.
13 Jul 2020
## LINKS
[1] /Persoenliche-Erfahrungen-mit-der-Polizei/!5697147
[2] /Rassismus-bei-der-deutschen-Polizei/!5688071
## AUTOREN
Mitsuo Iwamoto
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