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# taz.de -- Diskriminierung in Deutschland: Lückenhaftes Gleichbehandlungsgese…
> Der Antidiskriminierungsverband verzeichnete 2.600 Fälle für das Jahr
> 2023. Die Beratungsstellen sehen Reformbedarf beim
> Gleichbehandlungsgesetz.
Bild: Protest für mehr Barrierefreiheit in Berlin. Viele Menschen mit Behinder…
Berlin taz | Im Jahr 2023 haben Antidiskrimierungsstellen rund [1][2.605
Fälle von Diskriminierung gemeldet], das sind rund sieben pro Tag. Erstmals
hat der Antidiskriminierungsverband Deutschland (advd) die Beratungsdaten
seiner Mitgliedsorganisationen in einem überregionalen Lagebild
Antidiskriminierung ausgewertet. Die Dunkelziffer dürfte dabei deutlich
höher sein: Die Daten gehen bislang nur auf Meldungen von zwei Dritteln der
Antidiskriminierungsberatungsstellen des Advd in elf Bundesländern zurück.
Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes hatte zuletzt ebenfalls
[2][zunehmende Zahlen festgestellt].
Aus den im zivilgesellschaftlichen Antidiskriminierungsbericht 2023 am
Dienstag vorgelegten Zahlen leitet der Antidiskriminierungsverband
Deutschland einen dringenden Handlungsbedarf ab. Aus den Daten werde
deutlich, dass Diskriminierung kein Randphänomen ist, sondern viele
Menschen in allen Lebensbereichen treffe. Eva Maria Andrades,
Geschäftsführerin des Advd, betonte die Dringlichkeit besserer
Beratungsstrukturen und eines stärkeren Antidiskriminierungsrechts: „Die
Ampelregierung muss endlich ihre Versprechen umsetzen.“
Auch andere Stimmen aus der Antidiskriminierungsarbeit, wie Remzi Uyguner
vom Türkischen Bund Berlin-Brandenburg (TBB), kritisieren die Lücken im
AGG, insbesondere in Fällen rassistisch aufgeladener
Nachbarschaftskonflikte, und forderten eine Stärkung der Beratungsstellen
und Rechtshilfefonds. Insgesamt fordert der Bericht stärkere Maßnahmen
gegen Diskriminierung, verbesserte rechtliche Rahmenbedingungen und eine
bessere Unterstützung für Betroffene durch Beratungsstellen.
Die Erhebung zeigt, dass 50,4 Prozent der dokumentierten Fälle rassistische
Diskriminierung und Antisemitismus betreffen. Besonders hervorzuheben seien
[3][antimuslimischer und Anti-Schwarzer Rassismus], die einen erheblichen
Teil der Vorfälle ausmachen. Darüber hinaus seien in 19,2 Prozent der Fälle
Menschen mit Behinderungen oder chronischen Erkrankungen betroffen, während
17,1 Prozent der gemeldeten Fälle auf sexistische Diskriminierungen
zurückgingen. Ein Großteil der in den Beratungsstellen bekannt gewordenen
Diskriminierungen finde im Arbeitsumfeld (24,7 Prozent), im Bildungsbereich
(18,8 Prozent) sowie bei Gütern und Dienstleistungen (13,7 Prozent) statt.
## Große Lücken im AGG
Besonders auffällig sei, dass das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG)
in einem erheblichen Teil der Fälle nicht greift, da es nicht alle
Diskriminierungsmerkmale abdeckt. Der Advd fordert daher, dass die von der
rot-grün-gelben Bundesregierung versprochene Reform des
Gleichbehandlungsgesetzes endlich umgesetzt werde, um einen besseren Schutz
für Betroffene zu gewährleisten.
Laut Bericht fällt fast jede fünfte Diskriminierung nicht unter das
Gleichbehandlungsgesetz: 19,5 Prozent der Fälle Diskriminierungen, seien
nicht durch das AGG abgedeckt, weil der Diskriminierungsgrund
Staatsangehörigkeit, Aufenthaltsstatus oder sozialer Status waren. Zudem
fänden viele der dokumentierten Diskriminierungsfälle in Lebensbereichen
statt, die nicht durch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz geschützt
sind. Dazu gehörten zentrale gesellschaftliche Bereiche wie
Bildungseinrichtungen, Behörden oder auch das Justizsystem.
Im Bildungsbereich etwa erlebten Schülerinnen, Studierende oder Lehrkräfte
immer wieder Diskriminierung aufgrund von Hautfarbe, Herkunft oder
Geschlecht. Diese Diskriminierungen blieben jedoch häufig ohne rechtliche
Konsequenzen, weil der Schutz durch das AGG hier nicht greife. Das gleiche
Problem zeige sich in Ämtern oder Behörden, wo Bürgerinnen, die sich zum
Beispiel aufgrund ihres Migrationshintergrunds oder ihres sozialen Status
diskriminiert fühlen, keinen rechtlichen Rückhalt durch das AGG hätten.
## Zu wenig Lebensbereiche vom AGG geschützt
Besonders problematisch sei, dass auch im Justizbereich Diskriminierungen
gemeldet werden. [4][Fälle, in denen Menschen in Kontakt mit der Polizei
oder vor Gericht Diskriminierung erfahren], blieben oftmals ungesühnt, weil
es an einem umfassenden gesetzlichen Schutz fehlt. Dies zeige einen
dringenden Handlungsbedarf auf: Das AGG müsse ausgeweitet werden, um
Diskriminierung in diesen wichtigen Lebensbereichen zu bekämpfen, fordert
der Verband.
[5][Insgesamt zeige sich], dass rassistische, sexistische oder andere
diskriminierende Handlungen häufiger auftreten und zunehmend als „normal“
wahrgenommen würden. Die Advd-Mitgliedsorganisationen warnen, dass die
Diskriminierungsrealitäten für viele Menschen in Deutschland immer weiter
zunehmen werden. Besonders gefährdet seien dabei bereits marginalisierte
Gruppen, die unter einem zunehmenden Druck der Ausgrenzung leiden.
15 Oct 2024
## LINKS
[1] /Lagebericht-Rassismus-in-Deutschland/!5905123
[2] https://www.bundesregierung.de/breg-de/aktuelles/jahresbericht-2022-diskrim…
[3] /Lagebericht-zur-Diskriminierung/!6036183
[4] /Diskriminierung-in-Deutschland/!5871940
[5] https://www.bundesregierung.de/breg-de/aktuelles/jahresbericht-2022-diskrim…
## AUTOREN
Derya Türkmen
## TAGS
Gleichbehandlungsgesetz
Schwerpunkt Rassismus
Antidiskriminierung
AGG
Anti-Rassismus
Leben mit Behinderung
Ferda Ataman
Integrationsbeauftragte
Gleichstellungsgesetz
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