# taz.de -- Diskriminierung in Deutschland: Besonders oft Rassismus | |
> Der Bericht der Antidiskriminierungsbeauftragten zeigt, dass | |
> Diskriminierung in Deutschland weiter häufig ist. Sie plant Reformen bei | |
> der Erfassung. | |
Bild: Ferda Atamans erste Pressekonferenz in ihrer neuen Funktion | |
BERLIN taz | Die meisten Fälle von Diskriminierung, die dem Bund gemeldet | |
werden, gehen auf Rassismus zurück. Die kürzlich nominierte | |
Antidiskriminierungsbeauftragte [1][Ferda Ataman] hat am Dienstag den | |
Bericht der Antidiskriminierungsstelle für das Jahr 2021 vorgestellt. Es | |
war Atamans erste Pressekonferenz in dem neuen Amt. Auf Presseanfrage | |
antwortet sie, sie sei trotz vorheriger starker Diskussion um ihre Person, | |
die geeignete Besetzung für ihre Stelle. | |
Die Zahlen im Bericht, der noch unter Atamans Vorgänger [2][Bernhard | |
Franke] als kommissarischer Leiter der Antidiskriminierungsstelle | |
entstanden ist, weisen auf einen leichten Rückgang der Beratungsanfragen an | |
die Antidiskriminierungsstelle im Vergleich zu 2020 hin. Im Jahr 2021 gab | |
es 5617 Anfragen, die sich auf mindestens eins der vom [3][Allgemeinen | |
Gleichbehandlungsgesetz (AGG)] geschützten Merkmale bezogen, also unter | |
anderem ethnische Herkunft, Behinderung, Alter und Geschlecht. Die | |
Meldezahl ist der zweithöchste Wert seit Gründung der | |
Antidiskriminierungsstelle 2006. Lediglich 2020 waren es mehr Anfragen mit | |
einem Höchststand von 6383. „Die Zahl der uns geschilderten | |
Diskriminierungsfälle ist alarmierend. Sie zeigt aber auch, dass sich immer | |
mehr Menschen nicht mit Diskriminierung abfinden und Hilfe suchen“, sagte | |
Ataman. | |
Das deckt sich in etwa mit denen von Ataman angekündigten Schwerpunkten für | |
ihre Amtszeit: Den Schutz vor Diskriminierung stärken und vor allem das AGG | |
bekannter machen, aber auch das Beratungsangebot flächendeckend ausbauen. | |
## Rassismus ist meist verbreitete Diskriminierungsform | |
Mit 37 Prozent der gemeldeten Fälle ist 2021 Diskriminierung aufgrund von | |
ethnischer Herkunft am meisten vertreten. Mit 32 Prozent folgen schon die | |
Fälle, in denen Diskriminierung aufgrund von Behinderung beschrieben wurde. | |
Ein großer Teil der Zahl, nämlich 1022 Fälle, ist vor allem auf die | |
Corona-Pandemie zurückzuführen. Bei denen ging es unter anderem um | |
Maskenpflicht für Menschen mit Atemwegserkrankungen. Im Jahr 2020 war wegen | |
der Corona-Pandemie der häufigste Meldegrund Diskriminierung aufgrund von | |
Behinderung oder chronischer Krankheiten. | |
Die Zahl ist etwas rückläufig, Ataman betont aber, dass die Zahl der Fälle, | |
die auf andere Diskriminierungsmerkmale hinweisen, stetig zunimmt. So | |
steigen die Daten im Zusammenhang mit Geschlecht und Alter 2021 leicht an, | |
auf 20 bzw. 10 Prozent. Diskriminierung sei sogar eine ernstzunehmende | |
Gefahr, die im öffentlichen Diskurs wenig beachtet wird. So sollen nach | |
repräsentativen Umfragen Rassismus und Alter von den Befragten ähnlich | |
häufig als Diskriminierungsgrund angegeben werden; in den Beratungsanfragen | |
spiegelt sich das jedoch nicht wider. Im Bericht werden 28 Prozent der | |
Diskriminierungsfälle aus dem Arbeitsleben gemeldet, 33 Prozent beim Zugang | |
zu privaten Dienstleistern, zum Beispiel beim Einkaufen oder bei | |
Bankgeschäften. | |
Die meisten gemeldeten Fälle von Diskriminierung werden allerdings mit 37 | |
Prozent aus Bereichen gemeldet, die das AGG nicht behandelt. Hier geht es | |
vor allem um staatliches Handeln, zum Beispiel von der Polizei, auf Ämtern | |
oder von der Justiz. Aber ebenso wird von Benachteiligungen in der Schule | |
und im öffentlichen Raum berichtet. | |
## Antiziganismus als Schwerpunkt | |
Dies bestätigt auch Violeta Balog, die als Mitglied des Vereins Amaro Foro | |
die Belange der Romn:ja vertritt. Sie berichtet zum Beispiel von | |
schlechterer Benotung für Romn:ja und Sinti:zze und rassistischen | |
Beleidigungen auf der Straße. Antiziganismus ist einer der Schwerpunkte im | |
Antidiskrimiminierungsbericht 2021. Balog betont und bekräftigt Atamans | |
Aussagen: Auch wenn nicht alle Diskriminierungsformen vom AGG abgedeckt | |
werden, müssen alle Fälle erfasst werden. | |
Das ist auch mit Blick auf die angekündigte Reform des AGG, der sich Ataman | |
in ihrer Amtszeit widmen will, wichtig. Das AGG soll ausgebaut werden und | |
vor allem sollen Schutzlücken ausgebessert werden. Ataman fordert vor allem | |
den Ausbau der Beratungsstellen für Betroffene von Diskriminierung. Die | |
stetige Zunahme der Anfragen, die die Antidiskriminierungsstelle seit | |
Jahren verzeichnet, bestätigt den Bedarf an diesen Beratungstellen. | |
Außerdem will Ataman die momentan achtwöchige Meldefrist für Beschwerden | |
auf mindestens ein Jahr verlängern und ein Verbandsklagerecht für | |
Betroffene durchsetzen. Die Reformvorschläge sollen in einem Eckpapier bis | |
Ende des Jahres vorliegen. | |
16 Aug 2022 | |
## LINKS | |
[1] /Ferda-Ataman-ueber-Kritik-an-Nominierung/!5869271 | |
[2] /Neue-Chefin-der-Bundes-Beratungsstelle/!5861473 | |
[3] https://www.antidiskriminierungsstelle.de/DE/ueber-diskriminierung/recht-un… | |
## AUTOREN | |
Anne Frieda Müller | |
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