# taz.de -- Die Wahrheit: Rechte Socke, linke Hocke | |
> Der exklusive Wahrheit-Hausbesuch im sächsischen Wurstwasser: Bei Tino | |
> Chrupalla, der am allerliebsten Barfußschuhe trägt. | |
Bild: Chrupalla! Ein Name wie ein Abschiebebefehl, „aber normal“ | |
Chrupalla! Ein Name wie ein Abschiebebefehl. Tatsächlich sind’s vom | |
sächsischen Wurstwasser nur knappe zehn Kilometer bis zur polnischen | |
Grenze. Doch bevor wieder alles Undeutsche dorthin deportiert wird, müssen | |
Deutschlands Faschisten erstmal regierungsreif gewählt sein. Bis dahin | |
werden die Rechtsextremen hierzulande damit leben müssen, dass ausgerechnet | |
die deutschtümelndste aller im Bundestag vertretenen Parteien | |
(„Deutschland. Aber normal“) einen quasi polnischen Parteivorsitzenden hat. | |
„Chrupalla. Aber normal“ steht auf dem Klingelschild in Wurstwasser, und | |
wenn man den Knopf drückt, ertönt die erste Strophe des Deutschlandlieds – | |
hatten wir jedenfalls erwartet. Tatsächlich steht da einfach nur „Tino | |
Chrupalla“ und der Klingelton ist eine ziemlich abgefahrene Version von | |
Boots Randolphs „Yakety Sax“. Der Hausherr öffnet persönlich. | |
„Überraschung!“, rufen wir, und noch ehe er „Wir nehmen nichts – außer | |
natürlich ein paar Spendenmillionen!“ sagen und die Tür zuknallen kann, | |
haben wir den Fuß dazwischen. „Wir wollten nur mal die Einstichstelle bei | |
Ihnen sehen …“ Der Trick zieht. Eilfertig krempelt „Pinsel“, wie der | |
gelernte Malermeister parteiintern genannt wird, den Impfärmel hoch und … | |
nanu, war das nicht die Wagenknecht, die da eben heimlich hinter dem | |
AfD-Vorsitzenden erst in die Hocke ging und dann ins Bad geflitzt ist? | |
„Ist Sahra Wagenknecht gerade bei Ihnen auf Klo?“, fragen wir irgendwie | |
investigativ, worauf uns Chrupalla endlich, wenn auch nur widerwillig, | |
eintreten lässt – durch die AfD-blaue Haustür mit dem roten Aufwärtshaken | |
als Türgriff, nachdem er es doch zuvor irgendwie geschafft hatte, sie vor | |
unserer Nase wieder zu schließen. | |
Chrupalla flieht ins Wohnzimmer. Deutlich zu sehen: Der AfD-Heini trägt | |
lindgrüne Barfußschuhe, aber wir lassen uns nichts anmerken. Obwohl: | |
Barfußschuhe und Socken an? Trägt man das jetzt in Sachsen so? Normal ist | |
das jedenfalls nicht. | |
## „Aufstehen, Frau Wagenknecht!“ | |
Während wir ihm nacheilen, bollern wir kurz mal gegen die Toilettentür: | |
„Aufstehen, Frau Wagenknecht!“ – „Moment bitte!“, hören wir von drin… | |
jemanden schallmeien, doch jetzt gilt es, erst mal Chrupalla zu verarzten. | |
Er hat sich hinter seiner saarlandgroßen Sitzgarnitur verschanzt, wirft mit | |
Sofakissen nach uns: „Nimm das, Lügenpresse!“ Wir tun so, als seien wir | |
getroffen worden, stürzen schreiend zu Boden, stellen uns tot. Irgendwo | |
orgelt eine Klosettspülung. | |
Es dauert ein halbe Ewigkeit, bis sich Chrupalla aus der Deckung traut. Als | |
er über uns rüber will, packen wir sein rechtes Bein, reißen ihm den | |
albernen Gummischuh vom bestrumpften Barfuß – und müssen was erblicken? Ein | |
eingesticktes „Li“ vorne an der Socke. Heißt das etwa …? Schon sehen wir | |
die Schlagzeile vor unserem inneren Schweinehund aufblitzen: „Von wegen | |
normal: AfD-Vorsitzender trägt linke Socke rechts.“ | |
Derweil kann sich Chrupalla aus unserem eisernen Griff befreien, indem er | |
sich geschickt aus seinem Strumpf windet, rennt dann aber – zack!, – voll | |
gegen die Badezimmertür, die sich just in diesem Augenblick öffnet. | |
Irgendwie lustig zu sehen, wie Chrupalla mit dem Gesicht an der Tür langsam | |
zu Boden rutscht und dort liegen bleibt | |
Es ist tatsächlich die Wagenknecht, die nun aus der Nasszelle stolziert | |
kommt. Okay, sie hatte ja angekündigt, die AfD zu erledigen. Aber so? Wir | |
halten ihr stumm erst die linke Socke hin, die der AfD-Vorsitzende rechts | |
trug, und als sie diese ausschlägt, auch noch die rechte. „Sagen Sie jetzt | |
nicht, dass er die links trug?“, fragt Wagenknecht und wirkt einigermaßen | |
fassungslos, als wir das bejahen. Dann schiebt sie ab – hat da etwa gerade | |
jemand „endlich“ gedacht? | |
## Wie seine eigene Haustür aussehen | |
Chrupalla, das Gesicht ziemlich AfD-blau, sickert ein dünner Faden Blut aus | |
dem Mundwinkel. Er sieht jetzt genauso aus wie seine Haustür. Wir schießen | |
ein Foto, um der AfD-Zentrale vorzuschlagen, damit das nächste | |
Straßenplakat für ihren Vorsitzenden zu gestalten. Der kommt langsam wieder | |
zu sich. | |
„Wer bin ich?“, hören wir ihn scheinheilig fragen, weswegen wir, um es | |
nicht voreilig zu erfahren, beim ersten Gong die Augen schließen und sie | |
erst beim zweiten wieder öffnen – wie in den Westfernsehratezeiten mit | |
Robert Lembke, an die sich selbst Zoni Chrupalla, obwohl schon damals im | |
Tal der Ahnungslosen stationiert, noch bestens zu erinnern scheint. Wie | |
sonst schafft er es, uns mit ausgerechnet den Lembke-Dongs zu foppen, indem | |
er nämlich unsere Augenauszeit dazwischen listig nutzt, um sich im Klo | |
einzuschließen? Wir sehen gerade noch, wie sich in dem Sichtfenster unterm | |
Türgriff das „Arbeit macht“ vor das „frei“ schiebt. | |
Aber so leicht kann uns ein AfDler nicht abschütteln. Wir heben die Tür | |
kurzerhand aus den Angeln. Doch außer einer Bremsspur gibt’s hier nichts | |
mehr zu entdecken vom Vorsitzenden. Kein Wunder: Das Fenster steht auf | |
Kipp. Trotzdem müffelt es noch stark nach Fliegenschiss und jenem deutschen | |
Lieblingsgedicht, das Chrupalla neulich nicht einfiel. Das Hakenkreuz auf | |
dem Waschbecken ist aus Seife, die SS-Rune im Pissoir ein WC-Stein, das | |
Merkelgesicht eine Klobürste. | |
Auch wir müssen jetzt. Und zwar ganz dringend. Nämlich weg von hier. | |
13 Nov 2023 | |
## AUTOREN | |
Fritz Tietz | |
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