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# taz.de -- Die Coronalage Ende Oktober: Wie schlimm wird die vierte Welle?
> Die Infektionszahlen schießen erneut in die Höhe. Antworten auf ein paar
> notwendige Fragen.
Bild: Das Virus als Lampion. Schwerin dekoriert schon zeitgemäß für die stil…
## Wo [1][stehen wir derzeit] und womit müssen wir bis Weihnachten noch
rechnen?
Die Kurve ist gerade atemberaubend. SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach
stößt schnappatmend Warnungen aus, Krankenhäuser schlagen Alarm. Nichts ist
gewiss, aber wenn sich die Entwicklung der vergangenen Woche so fortsetzt,
wären wir in der ersten Dezemberwoche deutschlandweit bei über 100.000
Neuinfektionen am Tag. Möglich ist das, weil es noch genug Ungeimpfte gibt,
die sich sehr leicht anstecken, insbesondere mit der Deltavariante. Zudem
können Geimpfte den Erreger – ohne selbst schwer zu erkranken –
weitergeben. Man kann die Geimpften daher nicht einfach aus der Rechnung
herausnehmen. Insbesondere aber Ungeimpfte werden das Gesundheitssystem
wieder massiv auf die Probe stellen, denn sie sind vor schweren Verläufen
nicht geschützt. Bei einer hohen Durchseuchung wird überdies auch der
Anteil junger Patient:innen auf den Intensivstationen zunehmen.
## Zwei Drittel der Bevölkerung sind geimpft. Müssen sie sich überhaupt
noch Sorgen machen?
Wer geimpft ist, kann sich entspannen. Das Risiko, sich anzustecken, ist
deutlich vermindert. Wie deutlich, ist von einigen individuellen Faktoren
abhängig, wie etwa der Immunantwort des Impflings oder der Zeit, die seit
der letzten Spritze verstrichen ist. Doch auch wer sich infiziert, wird nur
selten schwer erkranken. Das ist der Nutzen der Impfstoffe: Sie machen aus
einer potenziell tödlichen Erkrankung eine Infektion, die man zwar bekommen
kann, durch die man jedoch keine Folgeschäden erleidet und an der man nur
in Extremfällen stirbt.
## Kann ich als Geimpfter unbesorgt auf die 2G-Weihnachtsfeier in meinem
Betrieb gehen?
Wenn es um die eigene Gesundheit geht, ist man als Geimpfter unter
Geimpften und Genesenen (also in 2G) gut aufgehoben. Zwar ist das Risiko
nicht gleich null. Auch Geimpfte und Genesene können sich anstecken und in
einer kurzen Phase danach ähnlich viele Menschen anstecken wie ein
infizierter Ungeimpfter. Aber insgesamt ist das Risiko deutlich reduziert.
Man kann das Virus aus der Feier heraus allerdings in Kreise tragen, die
nicht so gut geschützt sind. Das betrifft vor allem Kinder unter 12 Jahren,
Schwerkranke – und Ältere, bei denen ein Vakzin wegen einer altersbedingt
schwachen Immunabwehr manchmal auch nach zwei Impfungen keine volle Wirkung
entfaltet.
## In anderen Ländern ist die Inzidenz viel höher. Warum also die Aufregung
in Deutschland?
Die Inzidenz allein zeigt zwar immer noch frühzeitig an, in welche Richtung
sich die Pandemie gerade entwickelt. Als Kennzahl reicht sie allein jedoch
nicht mehr aus, die Situation in einem Land schon frühzeitig richtig
einzuschätzen. Man muss zugleich auf die Impfquote schauen. Gerade der
Blick in andere Länder zeigt, wie zentral die Impfungen sind, um hohe
Inzidenzen auszuhalten – oder sie sogar vermeiden zu können. Island und
Dänemark etwa haben zurzeit eine höhere Inzidenz als Deutschland, aber
europaweit auch zwei der höchsten Impfquoten. In Island beträgt die Quote
mehr als 80 Prozent, das sind 15 Prozent mehr als in der Bundesrepublik.
Das kleine Land beklagt seit Wochen keine Todesfälle mehr, in den
isländischen Krankenhäusern liegen in Proportion zur Bevölkerung nur halb
so viele Covid-Patient:innen wie in Deutschland. In Spanien und Portugal
haben Impfquoten von 80 und annähernd 90 Prozent die Inzidenzen bisher
sogar unten halten können.
## Sorge bereitet der Anstieg der Infektionen bei den Altersgruppen ab 60
Jahren. Wie schützen wir die Senior:innen?
Ein großes Problem in diesem Winter ist die nach wie vor viel zu hohe Zahl
ungeimpfter Menschen in den Risikogruppen, zu der auch alle über
60-Jährigen zählen. Das werde wieder zur substanziellen Belastung der
Krankenhäuser und Intensivstationen führen, befürchtet der Infektiologe und
Impfstoffforscher der Berliner Charité, Leif Erik Sander. Zugleich lasse
die Immunität der Geimpften etwa sechs Monate nach der zweiten Dosis nach.
„Das ist zwar per se zu erwarten“, twittert Sander, führe bei einem
hochansteckenden Virus wie Delta aber zu vermehrten Durchbrüchen. Das
würden neue Daten aus Israel zeigen. Sander rät daher zur dritten
Impfdosis. „Insbesondere für die Älteren ist das jetzt absolut dringlich.“
## Könnte eine höhere Impfquote denn überhaupt noch etwas ausrichten?
Es dauert je nach Impfstoff vier bis sechs Wochen, bis der Schutz aufgebaut
ist. Wer sich jetzt impfen lässt, muss also noch etwas aufpassen, um eine
Infektion und eine potenziell schwere Erkrankung zu vermeiden. Das
bedeutet: AHA-Regeln einhalten und Kontakte beschränken, vor allem in
geschlossenen, schlecht belüfteten Innenräumen und auch mit Geimpften.
Alle, die sich in den kommenden Tagen noch impfen lassen, wären dann aber
rechtzeitig vor Weihnachten so geschützt, dass sie weitgehend unbesorgt mit
der Familie und Freunden feiern könnten. Je mehr geimpft sind, desto
besser.
## Besonders steigen die [2][Infektionszahlen bei Kindern]. Wann ist
hierzulande mit einer Impfzulassung auch der 5- bis 12-Jährigen zu rechnen?
Bisher ist der Impfstoff von Biontech für alle ab 12 Jahren zugelassen. Das
Mainzer Unternehmen und sein US-Partner Pfizer haben vor zwei Wochen aber
einen Antrag bei der EU-Arzneimittelbehörde EMA eingereicht, um eine
Zulassung für ihren Impfstoff auch für die Gruppe der 5- bis 11-Jährigen zu
erhalten. Vom Vakzin für Erwachsene unterscheidet sich das Präparat
lediglich in der Dosierung. In den USA liegt eine Notfallzulassung bereits
vor. Der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte rechnet nach bisherigen
Angaben mit einer Zulassung ab Mitte November. Das entscheidende Wort hat
dann wie immer die Ständige Impfkommission (Stiko). Ihr Chef Thomas Mertens
hat bereits angedeutet, zunächst keine allgemeine gültige Empfehlung
auszusprechen. Das war bei der Zulassung des Vakzins für Teenager zunächst
auch so. Die Experten hielten die Datenlage für nicht ausreichend und
wollten erst abwarten, ob mögliche Nebeneffekte auftreten. Erst zweieinhalb
Monate nach der Zulassung in der EU sprach sich die Stiko uneingeschränkt
für den Einsatz des Impfstoffs aus.
## Die kommende Ampelkoalition will die „epidemische Lage nationaler
Tragweite“ auslaufen lassen. Das bedeutet?
Solange der Bundestag eine „epidemische Lage“ feststellt, können die
Bundesländer in ihren Coronaverordnungen drastische Einschränkungen der
Bürgerrechte verhängen, etwa öffentliche Veranstaltungen verbieten, die
Gastronomie schließen und den Einzelhandel beschränken. Wenn die
Feststellung der epidemischen Lage wie geplant am 25. November ausläuft,
sollen die Bundesländer nur noch einen Basisschutz anordnen können, etwa
Maskenpflicht und Abstandsgebote. Von Veranstaltern können Hygienekonzepte
verlangt werden. Auch können die Bundesländer 2G- und 3G-Konzepte als
Option oder als Pflicht vorsehen. Wie schon bisher entscheidet dies jedes
Land für sich.
## Was passiert, falls die Intensivstationen überfüllt sind?
Entweder der Bundestag stellt dann wieder eine „epidemische Notlage
nationaler Tragweite“ fest. Dann können die Länder per Verordnung wieder
Shutdown-Maßnahmen anordnen. Oder der Bundestag zieht ein zweites Mal die
Bundesnotbremse. Dann würde in besonders betroffenen Landkreisen der
Shutdown automatisch gelten, ohne dass die Länder ein Mitspracherecht
haben.
30 Oct 2021
## LINKS
[1] /Coronalage-in-Deutschland/!5811731
[2] /Kinder-und-Corona/!5794258
## AUTOREN
Felix Lee
Kathrin Zinkant
Christian Rath
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