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# taz.de -- Coronaimpfungen in Deutschland: Boostern wie die Israelis
> Der Bundesgesundheitsminister möchte mit Auffrischungsimpfungen die
> vierte Welle brechen. Ganz so einfach ist die Sache aber nicht.
Bild: Schon im Spätsommer wurden viele Menschen in Israel zum dritten Mal geim…
Berlin taz | Manch eine:r in der Bundespolitik wird sich wohl jetzt schon
fragen, was man sich mit der Ankündigung, die „epidemische Lage von
nationaler Tragweite“ zu beenden, vergangene Woche bloß eingebrockt hat.
Die aktuellen Coronazahlen sprechen jedenfalls schon seit Tagen nicht mehr
für ein Ende der Pandemie; geschweige denn von einem Ende der nationalen
Tragweite, das neue, vom Bund veranlasste Maßnahmen überflüssig machen
würde. Es sieht gerade eher nach einer Neuauflage des vergangenen
Coronawinters aus – mit dem Unterschied, dass man sich jetzt impfen lassen
kann.
Doch nach wie vor ist ein Drittel der Deutschen ungeimpft und möchte es
Umfragen zufolge auch bleiben. [1][Unterdessen steigt und steigt die
Inzidenz], am Montag erreichte sie erstmals seit Ende April wieder einen
Wert von knapp 160. Pro Woche nimmt sie derzeit etwa um 50 Prozent zu. Und
weil es so viele Ungeimpfte gibt, füllen sich allmählich auch wieder die
Covid- und Intensivstationen der Kliniken. Die Zahl der Coronatoten steigt.
Zeit zu handeln, würde man meinen. Aber geht das denn, ohne
bundeseinheitliche Maßnahmen?
Nach Auffassung des Bundesgesundheitsministers gibt es einen solchen Ausweg
noch. Er heißt Boostern, also drittimpfen. „Aktuelle Daten aus Israel
zeigen, dass das Boostern einen ganz entscheidenden Unterschied macht, um
die vierte Welle zu brechen“, sagte der Bundesgesundheitsminister am
Wochenende der Bild am Sonntag. Und in der Tat, Israel hatte frühzeitig mit
Drittimpfungen begonnen: Über Sechzigjährige mit doppeltem Impfschutz
konnten sich schon Ende Juli eine weitere Dosis abholen.
Seit Ende August haben alle Israelis ab 12 Jahren Anspruch auf eine
[2][dreifache Impfun]g. Die Sieben-Tage-Inzidenz im Land ist von fast 900
im September auf inzwischen knapp 50 gesunken. Einen solchen Erfolg möchte
Spahn nun auch erreichen, nur eben früher. Aber waren es wirklich die
Booster, die Israel im Kampf gegen Corona den entscheidenden Durchbruch
brachten?
Die Daten, auf die sich Spahn bezieht, haben in den vergangenen Tagen
tatsächlich einige Aufmerksamkeit erregt. Sie gehören zu einer Studie, die
am Freitag im Fachblatt Lancet publiziert worden war. Rund 1,5 Millionen
Männer und Frauen hatten während der Hochphase der vierten Welle in Israel
teilgenommen, bei allen lag die zweite Impfung bereits fünf Monate oder
länger zurück. Die Hälfte der Teilnehmer:innen ließ sich im Zuge der
Untersuchung dann mit einer dritten Dosis boostern.
## Dritte Dosis überzeugte im Vergleich
Im Vergleich zeigte sich, dass zweifach Geimpfte ihr – ohnehin geringes –
Risiko für Krankenhauseinweisungen, Aufenthalte auf der Intensivstation und
für einen tödlichen Covid-Verlauf mit der dritten Dosis noch einmal massiv
senken konnten. Und zwar umso mehr, je älter der Impfling.
Mit anderen Worten: Dreifach geimpft schützt noch besser als nur zweifach
geimpft. Die Frage ist allerdings, welche Relevanz dieser Schutz nun für
den Verlauf der vierten Welle in Israel gehabt hat, und da ist die Antwort
schon nicht mehr so klar. Zwar sank die Zahl der Infektionen in Israel just
nach den Boostern, laut Studie zumindest für alle Altersgruppen ab 30
Jahren. Parallel zu den Drittimpfungen hatte die israelische Regierung im
August aber auch wieder strengere Maßnahmen implementiert, insbesondere für
Ungeimpfte.
Etwa eine 3G-Regel für Veranstaltungsräume und Restaurants, andere
Kontaktbeschränkungen, Maskenpflicht drinnen, aber zum Teil auch draußen;
Homeoffice für mindestens die Hälfte der Mitarbeiter in jedem Betrieb – und
saftige Geldstrafen für alle, die sich nicht an die Maßnahmen halten
wollten. Alle diese Maßnahmen haben in unterschiedlichsten Ländern
inzwischen gezeigt, dass sie unabhängig vom Impfstatus wirken. Es liegt
daher nahe, dass diese Maßnahmen zum Brechen der vierten Welle in Israel
zumindest stark beigetragen haben.
## Zwei Dosen scheinen bei über 70-Jährigen nicht zu reichen
Wobei das Impfen an sich zentral bleibt im Kampf gegen Corona. Bereits die
zweifache Impfung schützt Impflinge nach Angaben des RKI bis zu 90 Prozent
vor einem schweren Verlauf. Eine dritte Impfung erhöht diesen Schutz der
bereits Geimpften nach den neuen Daten noch, für ältere Menschen ab 70
Jahren wird sie empfohlen, weil zwei Dosen hier oft noch keinen
ausreichenden Schutz erreichen. Entscheidend für den weiteren Verlauf der
vierten Welle aber bleibt, wie viele Menschen sich in Deutschland mit dem
Virus anstecken und den Erreger auf die Ungeimpften übertragen, die
weiterhin ein hohes Risiko für schwere Verläufe haben.
Und hier liegt der allzu oft übersehene Knackpunkt der Covid-Impfungen: Sie
schützen nicht sicher vor einer Infektion, auch nach dreimaligem Piks
nicht. Infizierte Geimpfte können das Virus zudem weitergeben. Obwohl sie
selbst, das zeigen auch die aktuellen Zahlen in Deutschland, nur noch sehr
selten so krank werden, dass sie ins Krankenhaus müssen, bleiben sie Teil
des pandemischen Geschehens. So lange zumindest, bis entweder jeder geimpft
ist oder das Virus durch andere Maßnahmen wieder in die Schranken gewiesen
wird. Boostern ist deshalb nicht falsch.
Insbesondere für die Älteren und andere Immunschwache kann eine dritte und
sogar vierte Impfung Sinn ergeben. Die Ständige Impfkommission hat bereits
eine entsprechende Empfehlung ausgesprochen. Ein Wellenbrecher aber, wie
man ihn sich jetzt wünscht, kann die Boosterimpfung kaum sein. Sie schützt
schließlich nur die, die ohnehin schon einen Schutz genießen. Das Problem,
und darin sind sich die Fachleute weiterhin einig, bleibt die viel zu
niedrige Impfquote in Deutschland.
1 Nov 2021
## LINKS
[1] /Aktuelle-Nachrichten-in-der-Coronakrise/!5811948
[2] /Drittimpfung-in-Israel/!5794860
## AUTOREN
Kathrin Zinkant
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