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# taz.de -- Bundesland in Coronakrise: Hohe Inzidenzen in Thüringen
> Thüringen ist aktuell das mit Abstand am stärksten von Corona betroffene
> Bundesland. Woran das liegt und wie ernst die Lage wirklich ist.
Bild: Thüringen hat die meisten Corona-Infektionen, deshalb ist Abstand angesa…
Berlin taz | Kein Bundesland ist derzeit so stark von der Corona-Pandemie
betroffen wie Thüringen. Die 7-Tage-Inzidenz liegt hier nach Angaben des
Robert-Koch-Instituts (RKI) bei 241,8. Dieser Wert ist im Vergleich zur
Vorwoche um 78,25 gestiegen. Bundesweit beträgt die 7-Tage-Inzidenz 118.
Auch die [1][Hospitalisierungsrate] – der Wert, der die 7-Tage-Inzidenz als
Maßstab für die Corona-Politik Mitte September abgelöst hat und angibt,
wieviele Corona-Patient*innen pro 100.000 Einwohner*innen und Woche in
Kliniken aufgenommen wurden – ist in Thüringen überdurchschnittlich hoch.
Die Rate stieg am Mittwoch auf 8,54 und hat sich damit binnen einer Woche
fast verdoppelt. Zum Vergleich: In ganz Deutschland liegt dieser Wert am
Dienstag bei 3,07.
Besonders stark von der Pandemie betroffen ist der Kyffhäuserkreis im
Norden Thüringens. Die 7-Tage-Inzidenz beträgt hier am Mittwoch 374. Seit
zwölf Tagen gilt in diesem Landkreis die höchste Corona-Warnstufe:
Warnstufe drei. Um die Corona-Pandemie einzudämmen, hat Thüringen Ende
August ein [2][Frühwarnsystem] eingeführt. Dieses Frühwarnsystem teilt alle
22 Landkreise und kreisfreien Städte in vier Stufen ein: die Basisstufe
sowie drei Warnstufen. Je höher die Stufe, desto strenger die
Corona-Regeln.
In zwei Kreisen gilt die höchste Corona-Warnstufe
In welche Stufe ein Kreis oder eine Stadt eingeteilt wird, hängt in erster
Linie von der jeweiligen 7-Tage-Inzidenz ab, aber auch von der
Hospitalisierungsrate sowie der landesweiten Auslastung der
Intensivstationen mit Covid-Patient*innen. Die höchste Warnstufe zum
Beispiel tritt dann ein, wenn die 7-Tage-Inzidenz an drei
aufeinanderfolgenden Tagen bei mindestens 200 liegt und zusätzlich dazu die
Hospitalisierungsrate den Wert 12 erreicht oder die Intensivbetten zu
mindestens zwölf Prozent mit Covid-19-Patient*innen ausgelastet sind.
Neben dem Kyffhäuserkreis gilt seit Dienstag auch im Ilm-Kreis die dritte
Corona-Warnstufe. Damit befinden sich nun zwei der 22 Landkreise und Städte
auf der höchsten Warnstufe, 18 auf der mittleren und zwei auf der unteren
Stufe.
Das klingt erstmal ziemlich dramatisch. Doch wie ernst ist die Lage in den
thüringer Krankenhäusern? Und woran liegt es, dass die Corona-Zahlen in
Thüringen so viel höher sind als anderswo in Deutschland?
Wie aus dem Divi-Intensivregister hervorgeht, befinden sich in Thüringen am
Mittwoch 54 Corona-Patient*innen auf Intensivstationen, 20 davon werden
beatmet. 7,8 Prozent der verfügbaren Intensivbetten sind derzeit mit
Covid-19-Patient*innen belegt – damit rangiert Thüringen im Mittelfeld
aller Bundesländer.
Mit Abstand am höchsten ist die Hospitalisierungsrate mit einem Wert von 22
in der Stadt Suhl im Süden Thüringens. Zum Vergleich: Auf Platz zwei und
drei liegen die Landkreise Schmalkalden-Meiningen und Hildburghausen mit
16,1 und 14,4.
Das SRH Zentralklinikum Suhl teilt auf Anfrage mit, dass die Zahl der
Corona-Patient*innen in den vergangenen Wochen zwar zugenommen habe, das
Krankenhaus aber weit von seiner Kapazitätsgrenze entfernt sei. „Zurzeit
sind mehr als 15 Betten auf der Covid-Station frei. Unsere Corona-Strategie
ist adaptiv, wir können jederzeit so viele Betten zur Verfügung stellen,
wie benötigt werden“, sagt der Pressesprecher. Von den aktuell 19
Covid-Patient*innen seien elf nicht gegen das Virus geimpft, zwei davon
lägen auf der Intensivstation. Wichtig sei, sagt der Sprecher, die
aktuellen Zahlen im Verhältnis zu sehen. Während der Hochphase der zweiten
Corona-Welle habe die Klinik „zeitgleich fast 80 Corona-Patient*innen“
versorgt – also viermal so viele wie aktuell.
Auch in den Ilm-Kreis-Kliniken ist die Lage derzeit entspannt. Obwohl in
dem Landkreis die höchste Corona-Warnstufe gilt, versorgten beide
Krankenhäuser zusammen nur elf Corona-Patient*innen, wie eine Sprecherin
mitteilt. Davon müsse nur eine Person intensivmedizinisch behandelt werden.
„Wir haben noch ausreichend Kapazitäten“, sagt die Sprecherin. „Sollten …
Betten auf der Corona-Station nicht mehr ausreichen, besteht die
Möglichkeit, eine weitere Station zur Infektstation umzurüsten.“ Dieses
Konzept sei in der Hochphase im Winter 2020/2021 aber „nur vereinzelt zum
Tragen“ gekommen.
Die beiden KMG-Krankenhäuser im Kyffhäuserkreis beantworteten die Anfrage
der taz bis Mittwochmorgen nicht. Dem Divi-Intensivregister zufolge liegen
in dem Landkreis derzeit aber keine Corona-Patient*innen auf der
Intensivstation.
Hohe Hospitalisierungsraten haben mehrere Ursachen
Wieso sind die Hospitalisierungsraten in manchen Gegenden Thüringens hoch,
obwohl die Lage in den Krankenhäusern im Vergleich zu bisherigen
Corona-Wellen recht entspannt ist?
„Das liegt unter anderem an den niedrigen Bevölkerungszahlen in den
jeweiligen Landkreisen und Städten“, sagt Frank Schenker vom thüringer
Gesundheitsministerium. Die Stadt Suhl zum Beispiel habe nur etwas mehr als
36.000 Einwohner*innen. „Bei einer kleinen Bevölkerungszahl wirken sich
relativ geringe absolute Zahlen sehr stark auf die
Hospitalisierungsinzidenz aus“, erklärt Schenker. Je kleiner die
Grundgesamtheit, desto größer die Wirkung von absoluten Zahlen.
Das sei aber nur eine von vielen Erklärungen. Dass die
Hospitalisierungsraten mancherorts so hoch seien, habe auch mit dem hohen
Altersdurchschnitt in Thüringen zu tun. Der Anteil der Menschen über 65
Jahre liegt in dem Bundesland [3][bei knapp 27 Prozent]. Das Risiko, wegen
einer Covid-19-Erkrankung im Krankenhaus behandelt werden zu müssen, sei
bei älteren Menschen höher als bei jüngeren, sagt Schenker.
Als einen weiteren möglichen Erklärungsgrund nennt Schenker die niedrige
Impfquote in Thüringen, die aktuell bei 60,4 Prozent liegt. Damit nimmt
Thüringen den drittletzten Platz der Bundesländer ein, nur in Brandenburg
und Sachsen ist die Impfquote noch niedriger. In Deutschland liegt sie bei
66,4 Prozent.
Die Daten zeigen jedoch, dass die Impfquote nicht ausschlaggebend für die
Anzahl der Menschen sein kann, die wegen einer Covid-Infektion im
Krankenhaus behandelt werden müssen. So sind in Suhl – dem Ort mit der
höchsten Hospitalisierungsrate Thüringens – 60,3 Prozent der
Einwohner*innen vollständig geimpft; im Kreis Sonneberg – wo die
Hospitalisierungsrate 0 beträgt – sind es hingegen nur 53,6 Prozent.
Nicht zuletzt, sagt Schenker, habe der späte Beginn der Herbstferien das
Infektionsgeschehen und damit die Hospitalisierungsinzidenz in Thüringen
beeinflusst. „Das Infektionsgeschehen hat im Oktober deutschlandweit stark
zugenommen. Während die Herbstferien in vielen Bundesländern bereits Anfang
oder Mitte Oktober begonnen haben, hatten die Schulen in Thüringen noch bis
zum 22. Oktober geöffnet. Das Virus konnte sich wegen des Schulbetriebes in
Thüringen also viel besser verbreiten.“
27 Oct 2021
## LINKS
[1] /Debatte-um-Coronamesswerte/!5806454
[2] https://www.tmasgff.de/fruehwarnsystem
[3] https://statistik.thueringen.de/datenbank/TabAnzeige.asp?tabelle=kr000103%7…
## AUTOREN
Rieke Wiemann
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