| # taz.de -- Deutschlandtag der Jungen Union: Alter Mann gewinnt Streit um die R… | |
| > Bei ihrem jährlichen Treffen bejubelt die Junge Union Friedrich Merz, als | |
| > habe der die Wahl schon gewonnen. Jenseits der Show gibt es etwas Zwist | |
| Bild: Friedrich Merz, Held der JU | |
| Halle taz | Viele Dinge sind wie immer bei diesem Deutschlandtag der Jungen | |
| Union (JU), der am Wochenende in Halle an der Saale in Sachsen-Anhalt | |
| zusammengekommen ist. Es sind vor allem Männer als Gastredner geladen, die | |
| poltern und zuspitzen können und konservativ-wirtschaftsliberale Positionen | |
| vertreten: Friedrich Merz, Carsten Linnemann, Jens Spahn. Es fließt viel | |
| Bier, auch schon bevor das alljährliche Treffen der Jugendorganisation von | |
| CDU und CSU am Freitagabend offiziell eröffnet ist. Und es sind deutlich | |
| mehr Männer als Frauen gekommen. | |
| Aber es gibt auch einige Dinge, die anders sind. Eines fällt beim Besuch | |
| der Frauentoilette auf. Aushänge weisen auf Menschen mit leuchtend blauen | |
| Armbinden hin, die ansprechbar seien. Sie gehören zum Awareness-Team und | |
| bieten im Fall von Belästigungen Hilfe an. Das wäre vor Jahren bei der | |
| Jungen Union noch undenkbar gewesen. | |
| Ein gänzlich anderes Bild zeigt sich, als am Samstagnachmittag der | |
| Hauptredner in die Halle einzieht: Friedrich Merz, CDU-Parteichef und | |
| Kanzlerkandidat der Union. [1][Da macht sich bei der JU eine bemerkenswerte | |
| Siegessicherheit breit, ganze elf Monate vor der Bundestagswahl.] | |
| Auf der riesigen Leinwand oberhalb der Bühne steht auf schwarz-rot-goldenem | |
| Grund in Großbuchstaben „Kanzler“. Merz wird als „nächster Kanzler der | |
| Bundesrepublik Deutschland“ angekündigt. „Kanzler, Kanzler“-Rufe schallen | |
| durch die Halle. Dazu Bässe, Nebelmaschine und JUler*innen, die jubelnd die | |
| schwarz-rot-goldenen Kanzler-Plakate in klein hochhalten. Ganz so, als | |
| hätte Merz die Wahl schon gewonnen. Das alles ist Inszenierung, klar. Aber | |
| die Nachwuchspolitiker*innen der Union scheinen sich bereits | |
| lustvoll dem Siegesrausch hinzugeben. | |
| ## Merz will staatstragend klingen | |
| Dabei hatte Jens Spahn, Dauergast beim Deutschlandtag, am Morgen noch davor | |
| gewarnt, sich trotz der guten Umfragewerte zu früh in Sicherheit zu wiegen. | |
| Die Union müsse im Wahlkampf vorsichtig bleiben, so Spahn, eine Wahl könne | |
| sich auch wenige Wochen vor dem Termin noch drehen. Manch einer aber habe | |
| bereits „das Gefühl, das wäre alles schon gelaufen“. Es ist genau dieses | |
| Gefühl, dass am Samstagnachmittag durch die Messehalle zieht. Als Merz | |
| sagt: „Wir sind fest entschlossen, wieder Regierungsverantwortung in | |
| Deutschland zu übernehmen“, gibt es tosenden Applaus. | |
| Dann spricht der Kanzlerkandidat über die soziale Marktwirtschaft, über | |
| Industriearbeitsplätze und eine Leistungsgesellschaft, die „Freude macht“. | |
| Er kündigt an, dass er das Wirtschafts- und das Arbeitsministerium | |
| zusammenlegen will, nennt als Vorbild den Sozialdemokraten Wolfgang | |
| Clement, der ein solches „Superministerium“ einst innehatte, und lässt | |
| keinen Zweifel daran, was dabei seine Prioritäten sind: | |
| „Arbeitsmarktpolitik ist Wirtschaftspolitik, nicht Sozialpolitik.“ | |
| Merz fordert, dass die Anzahl der Menschen, die Sozialleistungen in | |
| Anspruch nehmen, reduziert werden muss und – ein weiteres Mal – | |
| Zurückweisungen an den Grenzen. Er kündigt einen Einstellungsstopp in den | |
| Bundesministerien an, die unter der Ampel viel zu viel Personal hinzugefügt | |
| hätten, schießt gegen Olaf Scholz und Robert Habeck und schließt eine | |
| Zusammenarbeit mit der AfD erneut aus. Es ist aber keine polternde Rede, | |
| die Merz da hält. Er will staatstragend klingen. Das BSW und die schwierige | |
| Regierungsbildung in Sachsen und Thüringen erwähnt Merz nicht. | |
| Für den CDU-Chef ist der Deutschlandtag der JU ein Heimspiel, nicht nur | |
| weil viele in ihm schon den nächsten Kanzler sehen. Hier dominieren seit | |
| Jahren die Merz-Ultras. Der Unionsnachwuchs hatte die Mitgliederbefragung | |
| vorangetrieben, mit deren Hilfe Merz es im dritten Anlauf endlich zum | |
| Parteichef brachte, die Mehrheit der JU hat ihn bei allen drei Versuchen | |
| unterstützt, das gilt auch für den JU-Chef und dessen Vorgänger. Doch es | |
| gibt ein Thema, dass die JU anders sieht als der CDU-Vorsitzende: die | |
| Rente. | |
| ## Merz will bei der Rente nichts anbrennen lassen | |
| JU-Chef Johannes Winkel, ein 32-jähriger Wirtschaftsjurist aus Düsseldorf, | |
| will die Partei im Wahlkampf zu einem klareren Kurs in der Rentenpolitik | |
| zwingen, daran hat er in seiner Rede am Freitagabend keinen Zweifel | |
| gelassen. Winkel bewirbt sich damit für seine Wiederwahl als | |
| JU-Vorsitzender. [2][Das von der Ampel geplante Rentenpaket II nennt er | |
| einen „Anschlag auf die junge Generation“, die JU will notfalls dagegen vor | |
| dem Bundesverfassungsgericht klagen.] | |
| Das Renteneintrittsalter, sagt Winkel, müsse an die steigende | |
| Lebenserwartung gekoppelt werden. „Ja, dann müssen wir auch länger | |
| arbeiten“, ruft er in den Saal. In harten Zeiten brauche man auch eine | |
| harte Politik. Da klatschen die Delegierten. | |
| Diese Passage steht so auch im neuen Grundsatzprogramm der CDU, dafür hatte | |
| Winkel sich stark gemacht. Jetzt will er sie ins Wahlprogramm der Union | |
| bugsieren. Merz aber hat bereits vor Wochen versucht, das Thema in einem | |
| Interview abzuräumen und ein Renteneintrittsalter mit 70 ausgeschlossen. | |
| Winkel hält bereits vor Beginn des Deutschlandtags dagegen. Merz habe sich | |
| in der Vergangenheit auf die JU verlassen können, sagte er in einer | |
| Pressekonferenz. „Wir müssen uns natürlich auch im Gegenzug auf ihn | |
| verlassen können.“ | |
| Merz spricht in Halle schon eine knappe halbe Stunde, als er zum Thema | |
| Rente kommt. Und er sagt ganz klar: „Das Renteneintrittsalter sollte bei 67 | |
| bleiben.“ Die Anreize für Beschäftigte, die länger arbeiten wollen, will er | |
| verstärken. Und früher in Rente zu gehen, soll teurer werden. „Wer früher | |
| geht, muss akzeptieren, dass es größere Abschläge gibt“, sagt Merz. Das ist | |
| weniger als das, was Winkel und seine JU wollen. Kurz vor Merz Auftritt | |
| hatten die Delegierten in ihrem Leitantrag dazu einstimmig zwei Forderungen | |
| beschlossen: Die Koppelung des Renteneintrittsalters an die Entwicklung der | |
| Lebenserwartung sowie langfristig eine Absenkung des Rentenniveaus. | |
| Doch Merz macht auch klar, dass er hier keine Angriffsfläche im Wahlkampf | |
| bieten will. Die Vorstellung, dank Union länger arbeiten zu müssen, könnte | |
| Wähler*innen abschrecken – und der SPD in die Hände spielen.„Wenn wir | |
| uns auf diesem Weg gemeinsam verständigen, dann nehmen wir den | |
| Sozialdemokraten jedes Potenzial, gegen uns eine infame Kampagne zu führen, | |
| die da lautet: mit der CDU und mit Merz wird es in Deutschland | |
| Rentenkürzungen geben“, sagt Merz. Und: „Nein, es wird keine | |
| Rentenkürzungen in Deutschland geben.“ Trotzdem bekommt er auch hier | |
| Applaus. Und als der CDU-Chef seine Rede beendet, singen die JUler*innen | |
| minutenlang „Oh, wie ist das schön“. In der folgenden Fragerunde spricht | |
| niemand das Thema Rente an. | |
| JU-Chef Winkel will im kommenden Jahr selbst für den Bundestag kandidieren. | |
| Die JU hat ihn bereits am Freitagabend für zwei weitere Jahre zu ihrem | |
| Vorsitzenden gewählt. 90,5 Prozent der Stimmen hat er bekommen, noch einmal | |
| mehr als bei seiner ersten Wahl im November 2022. Einen Gegenkandidaten gab | |
| es damals wie heute nicht. Der Zuwachs könnte Winkel Rückendeckung geben, | |
| bei der Erstellung des Wahlprogramms in den kommenden Monaten um seine | |
| Position bei der Rente zu kämpfen. Viel Spielraum hat Merz ihm in Halle | |
| nicht gelassen. | |
| 26 Oct 2024 | |
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| ## AUTOREN | |
| Sabine am Orde | |
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