# taz.de -- Deutsche Politik nach Brand in Moria: Wir wollen das nicht schaffen | |
> Deutschland nimmt 150 Minderjährige auf, 13.000 sind in Moria obdachlos. | |
> Dass sich Seehofer für diese „humanitäre Leistung“ feiert, macht | |
> fassungslos. | |
Bild: Geflüchtete aus dem abgebrannten Lager in Moria | |
Angela Merkel und Horst Seehofer waren [1][im Flüchtlingsherbst 2015] | |
Kontrahenten. Aber sie haben daraus die gleiche Schussfolgerung gezogen. | |
Deutsche Grenzen sollen nie mehr [2][offen für Flüchtlinge] sein, wenn sich | |
Europa nicht beteiligt. So lautet die neue Doktrin. Sie gilt – egal, wie | |
viele im Mittelmeer ertrinken, egal, ob das Lager Moria niederbrennt, egal | |
[3][ob deutsche Großstädte anbieten, Flüchtlinge aufzunehmen]. | |
Deutschland wird 150 Minderjährige aufnehmen[4][, in Moria] sind 13.000 | |
obdachlos. Dass sich Horst Seehofer für diese „humanitäre Leistung“ feier… | |
macht fassungslos und wirft mal wieder die Frage auf, in welcher Welt der | |
Innenminister lebt. Auch in der Union gibt es viele, die wissen, dass | |
Deutschland ohne Risiko mehr tun kann, ja muss. Doch die neue | |
Merkel-Seehofer-Doktrin heißt: Wir schaffen das nicht – und wollen es auch | |
nicht. | |
Taktisch war Merkels Ansage, zusammen mit Frankreich und ein paar anderen | |
Ländern 400 Minderjährige aus Moria aufzunehmen, sehr geschickt. Man zeigt, | |
dass man etwa tut, signalisiert flüchtige Aufmerksamkeit, simuliert eine | |
europäische Lösung und hält die Sache damit für erledigt. Moralisch ist das | |
ein Offenbarungseid. | |
Seehofers Argument, dass eine weniger engherzige Politik eine gemeinsame | |
europäische Asylpolitik verhindere – weil die anderen dann immer wüssten, | |
dass die deutschen Grenzen ja offen seien – ist fadenscheinig. Die | |
EU-Asylpolitik ist seit Jahren blockiert – und diese Blockade verhärtet | |
sich nicht, wenn ein paar Tausend aus Moria nach Freiburg, Erfurt oder | |
Berlin kämen. Und sie lockert sich nicht, wenn im Winter Tausende in Moria | |
vor sich hin vegetieren. | |
Und nun? SPD-Chefin Saskia Esken [5][fordert wegen Seehofers Moria-Politik | |
einen Koalitionsausschuss]. Das ist angemessen, hoffentlich bleibt Esken | |
damit in der SPD nicht alleine. Denn realpolitisch kann nur die SPD noch | |
zeitnah etwas erreichen. Ob das Engagement von Norbert Röttgen und anderen | |
Christdemokraten für eine größere Lösung mehr als ein One-Hit-Wonder ist, | |
wird man sehen. | |
Auf jeden Fall gilt es, [6][weiter öffentlichen Druck auszuüben] und – wie | |
es Bundesländer, Städte und Kommunen tun – zu zeigen, dass man Flüchtlinge | |
aufnehmen will. Denn die Republik ist, anders als Seehofer und Merkel, | |
fähig zu Solidarität. | |
11 Sep 2020 | |
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## AUTOREN | |
Stefan Reinecke | |
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