# taz.de -- Aufnahme von Flüchtlingen aus Moria: Merkels Chance | |
> Die 400 Jugendlichen sind ein Anfang. Doch wenn es nur bei ihrer Aufnahme | |
> bliebe, dann wären die EU-Staaten allenfalls eine Koalition der Billigen. | |
Bild: Nach dem Brand: Unbegleitete Minderjährige warten auf den Abflug auf das… | |
400 von 12.000. In Worten: Vierhundert von zwölftausend Menschen, die nach | |
dem Feuer im griechischen Flüchtlingslager Moria auf Lesbos obdachlos | |
geworden sind, werden jetzt [1][in anderen EU-Ländern aufgenommen]. Das ist | |
besser als nichts, und der Schutz für die 400 unbegleiteten Minderjährigen | |
ist natürlich besonders wichtig. Aber diese erste Hilfsaktion kann nur der | |
Anfang sein. | |
Die Zahl der Evakuierungsberechtigten, [2][die Kanzlerin Angela Merkel], | |
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und andere wenigstens ansatzweise | |
hilfsbereite EU-Regierungen am Donnerstag organisiert haben, ist lächerlich | |
niedrig angesichts der Notlage rund um das verwüstete Flüchtlingscamp. Es | |
ist offenkundig unmöglich, die vielen Geflüchteten noch länger auf der | |
[3][hoffnungslos überforderten kleinen Ägäisinsel menschenwürdig | |
unterzubringen] und zu versorgen. Wenn es jetzt bei 400 Jugendlichen | |
bliebe, dann wären die aufnahmebereiten EU-Staaten nicht die erwünschte | |
„Koalition der Willigen“, sondern allenfalls eine Koalition der Billigen. | |
Doch der gesamteuropäische Ansatz, den Merkel und Macron verfolgen, ist | |
grundsätzlich richtig: Möglichst viele Partnerländer einzubeziehen und | |
gemeinsam mit gutem Beispiel voranzugehen ist langfristig Erfolg | |
versprechender als nationale Alleingänge – auch wenn es in Deutschland zum | |
Glück viele Engagierte in Politik und Bevölkerung gibt, die dafür | |
plädieren, alle 12.000 aus Moria auf einen Schlag sofort direkt nach | |
Deutschland zu bringen. | |
Das aber wäre politisch höchst riskant. Erstens würde es die anderen | |
EU-Staaten aus ihrer Mitverantwortung entlassen. Zweitens gibt es auch in | |
Deutschland, wie jeder weiß, neben den humanitär Gesinnten viele, die eine | |
weitere Aufnahme von Geflüchteten ablehnen. Diese Menschen gilt es zu | |
überzeugen. Aber das wird nicht gelingen, wenn Deutschland jetzt als | |
einziger EU-Staat handelt. Das dürfte nur den rechten Populisten weiter | |
Auftrieb geben. | |
Ja, es ist frustrierend, dass alles so lange dauert und dass es derzeit, | |
wohl auch wegen Corona, so wenig Hilfsbereitschaft in der EU gibt. Aber | |
Deutschland ist dabei nicht das Hauptproblem. Im Gegenteil. In den | |
allermeisten anderen Ländern herrscht noch mehr Desinteresse und Ablehnung. | |
Doch es gibt eine Chance: die deutsche EU-Ratspräsidentschaft. In dieser | |
Funktion könnte Merkel weitere und dann wirklich nennenswerte Koalitionen | |
der Willigen schmieden. Und wer bei [4][der Aufnahme der Geflüchteten] aus | |
Moria nicht selber helfen will, sollte wenigstens zahlen. Das wird nicht | |
einfach, aber Merkel muss es versuchen. Mit ihrem bekanntesten | |
Charakterzug: Geduld. | |
11 Sep 2020 | |
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## AUTOREN | |
Lukas Wallraff | |
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