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# taz.de -- Aufnahme von Geflüchteten aus Moria: Ein bisschen Hilfe
> Merkel und Macron wollen 400 Geflüchtete aus Moria aufnehmen. SPD-Chefin
> Saskia Esken ist „bitter enttäuscht“ und will einen Koalitionsausschuss.
Bild: Ein weiteres Feuer im Lager Moria. Ein Paar flüchtet mit den letzten Hab…
Auf [1][eine große Hilfsaktion] konnten sie sich nicht einigen. 400
minderjährige Geflüchtete will die Bundesregierung gemeinsam mit Frankreich
und anderen EU-Ländern aus Moria aufnehmen. Dies sieht eine Vereinbarung
von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Frankreichs Präsident Emmanuel
Macron vor.
Der SPD-Chefin Saskia Esken reicht das nicht. Sie bezeichnet die
Merkel-Macron-Initiative als „bittere Enttäuschung und Tropfen auf den
heißen Stein“. Der Grund: „[2][Über 12.000 verzweifelte Menschen warten in
Moria] auf humanitäre Hilfe und die Chance auf eine Zukunft.“ Die
SPD-Chefin sieht den Koalitionspartner in der Verantwortung. „Das Schweigen
von Horst Seehofer ist unerträglich. Er muss seine Blockade der
aufnahmebereiten Kommunen der Seebrücke umgehend beenden.“
Falls [3][Seehofer] sich nicht bewegt, „werden wir zu diesem Thema einen
Koalitionsausschuss einberufen“, so Esken. Das ist, unter
Regierungspartnern, ein ziemlich scharfer Ton und die Ankündigung,
keinesfalls zur Tagesordnung überzugehen.
Esken hatte sich bereits im Frühjahr im Koalitionsausschuss erfolgreich und
gegen den Widerwillen der Union dafür eingesetzt, dass Deutschland
sukzessive 1.000 Flüchtlinge aus überfüllten Lagern in Griechenland
aufnimmt.
## Niedersachsen könnte sofort 500 Menschen aufnehmen
Zuvor war der Druck, Soforthilfe zu leisten, vonseiten der SPD, aber auch
innerhalb der CDU immer größer geworden. Die SPD-Familienministerin
Franziska Giffey sagte: „Wir können nicht warten, bis sich alle
europäischen Partnerländer geeinigt haben. Das wird Wochen und Monate
dauern“, so die Familienministerin. Bemerkenswert ist, dass der
niedersächsische SPD-Innenminister Boris Pistorius ebenfalls ankündigte,
das Land könne 500 Geflüchtete aufnehmen. Pistorius gilt als
Law-and-Order-Mann in der SPD, der allergisch auf polizeikritische
Äußerungen von Esken reagiert hatte.
Die SPD agiert in der Moria-Frage bis jetzt offenbar geschlossen. Das ist
nicht selbstverständlich. Ob Deutschland prinzipiell mehr MigrantInnen
holen soll, ist in der SPD nicht unumstritten. Doch nach dem Brand in Moria
herrscht in der Partei flügelübergreifend Entsetzen.
Zudem versuchen zwei Länder mit SPD-Innenministern beziehungsweise
-senatoren, Berlin und Thüringen, schon seit Längerem, Flüchtlinge
aufzunehmen. Doch bisher müssen sie die Füße stillhalten. Denn: für eigene
Aufnahmeprogramme brauchen die Bundesländer das „Einvernehmen“ des
Bundesinnenministeriums. Und dessen Chef, Innenminister Horst Seehofer
(CSU), sperrt sich.
Sein Argument, das auch von Kanzlerin Merkel geteilt wird, lautet: Damit
schwäche die Bundesrepublik ihre Verhandlungsposition in Europa. Doch in
der EU ist nach wie vor keine Einigung in Sicht. Daher bedeutet Seehofers
Position faktisch: Es passiert nichts.
## CDU-Politiker Röttgen widerspricht Seehofers Linie
Die Union zeigte sich, jedenfalls vor der Merkel-Macron-Initiative,
gespalten. Manche unterstützen Seehofers harten Kurs. So warnte
CDU-Innenpolitiker Mathias Middelberg vor einem deutschen Alleingang. Doch
es gibt in der Union auch Stimmen, die mehr tun wollen.
Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU) schlug die Aufnahme von 2.000
Flüchtlingen aus Moria vor. Überboten wurde er am Mittwoch dann von
CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen. Der Bewerber um den CDU-Parteivorsitz
forderte angesichts der dramatischen Lage in Moria in einem Brief an
Innenminister Horst Seehofer, sofort bis zu 5.000 Geflüchtete aus
Griechenland aufzunehmen.
In dem Brief, der auch von 15 weiteren CDU/CSU-Abgeordneten unterschrieben
ist, heißt es: „Es geht jetzt nicht vorrangig darum, eine gemeinsame
europäische Flüchtlingspolitik zu gestalten, sondern offensichtliche
menschliche Not zu lindern. Wir bitten Sie darum, dass Deutschland
möglichst gemeinsam mit anderen EU-Staaten, aber notfalls auch alleine
5.000 Flüchtlinge vom griechischen Festland aufnimmt. Nur so kann die
Situation vor Ort entspannt und Griechenland entlastet werden.“
Auch eine Reihe von CDU-Ministerpräsidenten war offen dafür, Geflüchtete
aus Moria aufzunehmen. Von Hessens Volker Bouffier über NRWs Armin Laschet
bis zu Daniel Günther in Kiel, alle ließen durchblicken, dass sie
Flüchtlinge aufnehmen würden.
Merkel hat nun mit dem Vorschlag, mit Frankreich 400 Flüchtlinge
aufzunehmen, geschickt agiert. Es ist eine internationale Initiative – und
sie ist in ihrem Umfang äußerst bescheiden. Viel helfen wird sie nicht.
SPD-Vizechef Kevin Kühnert teilt die Kritik von Esken an der
Merkel-Macron-Initiative. „Ich kann das nicht ernst nehmen“, so Kühnert zur
taz. Diese „unangemessen niedrigen Zahlen beschämen mich. Das kann nicht
das letzte Wort sein.“ Hoffnung mache allerdings die Debatte in der Union.
„Wenn selbst aus der Union heraus die Aufnahme von 5.000 Personen gefordert
wird, dann sollte das die Kanzlerin und den Innenminister ins Nachdenken
bringen“, so Kühnert.
10 Sep 2020
## LINKS
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## AUTOREN
Mitsuo Iwamoto
Stefan Reinecke
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